Kein Anspruch gegen einen Architekten

Zur Erstattung von fiktiven Mangelbeseitigungskosten

Der BGH hat sich im November 2019 mit der Frage beschäftigt, ob ein Auftraggeber/Bauherr auch gegenüber einem Architekten wegen von diesem zu vertretener Planungs- und Überwachungsfehler keine fiktiven Mängelbeseitigungskosten mehr geltend machen kann. Dabei ging es um einen konkreten, am Oberlandesgericht Nürnberg verhandelten Fall.

Mit der Grundsatzentscheidung im Februar 2018 (Az.: VII ZR 46/17) hatte der BGH unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung bereits entscheiden, dass ein Besteller, der das bestellte Werk behält und einen Mangel nicht beseitigen lässt, im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs gegen ein Unternehmen seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen kann. Vielmehr kann ein Besteller, der das Werk behält und einen Mangel nicht beseitigen lässt, seinen Schaden in der Weise bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mängel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Wenn der Besteller die durch das Werk geschaffene oder überarbeitete Sache veräußert hat, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen.

Im November 2019 hat sich der BGH (Entscheidung vom 21. No­vem­ber 2019/ Az.: VII ZR 278/17) mit der Frage beschäftigt, ob ein Auftraggeber/Bauherr auch gegenüber einem Architekten wegen von diesem zu vertretener Planungs- und Überwachungsfehler keine fiktiven Mängelbeseitigungskosten mehr geltend machen kann.

 

Zum Fall

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadenersatz wegen mangelhafter Bauüberwachung. Sie beauftragte die Beklagte mit der Erbringung von Architektenleistungen, u.a. mit der Bau­über­wa­chung. Die Klägerin hat geltend gemacht, die Boden- und Fliesenarbeiten des Bauprojekts seien mangelhaft ausgeführt worden. Dies hätte die Beklagte im Rahmen der geschuldeten Bauüberwachung feststellen und verhindern müssen. Der Mangel könne nur durch Erneuerung des Fußbodenaufbaus auf Oberkante Bodenplatte beseitigt werden. Für die – noch nicht durchgeführte – Mangelbeseitigung seien Kosten in Höhe von rund 350.000 € erforderlich.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 5. August 2016, Az.: 9 O 237/14).

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Entscheidung vom 29. November 2017, Az.: 2 U 1781/16).

Zur Begründung hat der Senat des Oberlandesgerichts festgestellt, dass die Beklagte ihrer Pflicht zur Bauüberwachung nicht in dem geschuldeten Maß nachgekommen sei. Wer vertraglich die Bauaufsicht übernehme, habe schon während der Ausführung dafür zu sorgen, dass der Bau plangerecht und frei von Mängel errichtet werde. Er müsse die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen. Bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mangelrisiko aufweisen, sei er zu erhöhter Aufmerksamkeit und einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet. Das gelte in besonderem Maße, wenn das Bauwerk nicht nach einer eigenen Planung des Auftragnehmers, sondern gemäß den Vorgaben eines Dritten ausgeführt werde. Soweit der bauausführende Architekt die Eignung der verwendeten Materialien nicht sicher beurteilen könne, bestehe ggf. auch Anlass zu einer Materialprüfung. Diesen Anforderungen sei die Beklagte schon ihrem eigenen Vortrag nach nicht nachgekommen. Der Beklagten hätte auffallen müssen, dass mit den verwendetem Material die geforderte Belastbarkeit des Bodens nicht hätte hergestellt werden können.

Hinsichtlich der Schadenhöhe brauche sich die Klägerin nicht darauf verweisen zu lassen, die Böden nur in den Bereichen auszubessern, in denen der Sachverständige seine Stichproben durchgeführt habe. Die Klägerin könne deshalb vollständig die vom Sachverständigen festgestellten Kosten für eine noch vorzunehmende Sanierung des gesamten Bodenbelags als Schadenersatz verlangen.

 

Zur Entscheidung

Der BGH hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts – soweit sie die Höhe des Schadens betrifft – aufgehoben und zur Entscheidung zurückverwiesen.

Zur Begründung hatte er festgestellt, dass die Ermittlung der Höhe des Schadens der Klägerin durch das Oberlandesgericht auf der Annahme beruhe, die Höhe eines Schadensersatzanspruchs lasse sich nach den erforderlichen, tatsächlich jedoch nicht angefallenen Mängelbeseitigungskosten bemessen. Eine solche Bemessung der Höhe eines Schadens als fiktive Mangelbeseitigungskosten scheide jedoch mit der Entscheidung vom 22. Fe­bru­ar 2018 aus.

Zur Begründung hat er ausführlich Bezug genommen auf das Urteil vom 22. Februar 2018, in dem er bereits festgestellt hatte (dort Rn. 62 ff), dass ein Schaden danach zu bemessen sei, welche Dispositionen der Besteller zur Schadenbeseitigung tatsächlich trifft. Hierdurch solle eine Überkompensation des Bestellers vermieden werden. Als Schaden könne also – zumindest soweit keine Beseitigung erfolgt ist – der Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung bemessen werden. Bei Veräußerung des Objekts könne der konkrete Mindererlös zugrunde gelegt werden.

 

Praxishinweis

Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BGH die Entscheidung aus dem Februar 2018 bestätigt.

Auch bei Planungs- und Bauüberwachungsfehlern eines Architekten ist es einem Bauherrn nicht möglich, den ihm entstandenen Schaden auf Basis von fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend zu machen.

Das Urteil des BGH ist zu befürworten. Mit dem Urteil ist es einem Bauherrn nicht (mehr) möglich, erhebliche (fiktive) Mangelbeseitigungskosten im Klageweg geltend zu machen, obwohl er selbst nicht beabsichtigt, den Mangel tatsächlich zu beheben. Mit der „alten Rechtsprechung“ des BGH war es möglich, dass ein Bauherr bildlich gesprochen „10 Euro nimmt“ und ledig für „einen Euro saniert“.

Info

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Mit 19 Rechtsanwälten, davon fünf Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

www.schluender.info

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