Bauüberwachung

Welche Pflichten hat der Architekt?

Regelmäßig werden Architekten mit der Bauüberwachung beauftragt. Wenn bei
der Ausführung der Arbeiten Baumängel auftreten, gibt es oft Streit darüber, ob der Architekt seinen Überwachungspflichten nachgekommen ist. Worin diese Pflichten
im Einzelnen bestehen, geht zumeist weder unmittelbar aus dem Architektenvertrag hervor noch ergibt es sich aus dem Gesetz.

Problemdarstellung

Das Ziel einer Bauüberwachung ist, dass der Bau entsprechend den Plänen und ohne Mängel errichtet wird. Der Architekt schuldet also alle Tätigkeiten, die zur Gewährleistung der mangelfreien Bewirkung der zu überwachenden Bauleistung erforderlich und ihm zumutbar sind und insoweit die mangelfreie Leistungsausführung als Erfolg. (Urteil des OLG Naumburg vom 29. Mai 2006 – 1 U 27/06). Dabei wird vom Architekten nicht erwartet, dass er sich 24 h am Tag auf der Baustelle aufhält und allen Handwerkern ständig über die Schultern schaut. Allerdings wird vom Architekten erwartet, dass er den Bereichen besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt widmet, bei denen erfahrungsgemäß besonders oft Mängel vorkommen. Besonders gefahrträchtige Details des Bauwerks oder der Arbeiten muss der Architekt mit dem ausführenden Unternehmer in allen Einzelheiten absprechen und überwachen.

Dabei gehört es auch zur Bauüberwachung, das Baugeschehen aktiv zu leiten und das Bauunternehmen mithilfe von Stichproben zu überwachen. Um Fehler bei der Bauausführung zu verhindern, muss der Architekt, so das Kammergericht Berlin, den ausführenden Unternehmen klare Anweisungen geben und auch darauf achten, dass diese umgesetzt werden. Vorher habe er die Baupläne zu prüfen. Dies gelte sogar dann, wenn diese von einem anderen Architekten erstellt worden seien. Eine besondere Sorgfalt sei bei mangelanfälligen Bereichen des Bauwerks angebracht, umso mehr, wenn diese später durch andere Bauteile überbaut oder abgedeckt würden – z.B. die Fugendichtbänder und Gewebearmierungen (Kammergericht Berlin, Urteil vom 27. November 2012 – 27 U 25/09; BGH, Urteil vom 23. April 2015 – VII ZR 49/13).

Die Frage, welche Bautätigkeiten einer besonderen Aufmerksamkeit und Sorgfalt des Architekten bedürfen, ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Dazu folgender Fall.

Sachverhalt

Die klagende Bauherrengemeinschaft (BG) verlangt vom bau­über­wa­chen­den Architekten Schadensersatz wegen mangelnder Überwachung der Ausführung von Bauarbeiten an ihrem Haus, insbesondere der Verlegung der Steinplatten im gesamten Gebäude.

Die BG hat mit der Firma S. einen Vertrag über die Lieferung und Verlegung von Natursteinplatten getroffen.

Nach Auswahl der Bodenverleger und Lieferung der Platten auf die Baustelle beauftragt die BG den Architekten mit der Bauüberwachung der Innengewerke, u.a. der Verlegung der Steinplatten. Nach der Verlegung der Platten durch die Firma S. stellt ein beauftragter Privatsachverständiger erhebliche Mängel an den verlegten Platten fest. Die BG verlangt daher vom Architekten Schadensersatz. Das Landgericht hat über die Pflichten des Architekten aus der Bauüberwachung Sachverständigenbeweis erhoben. Gegen die ablehnende Entscheidung des Landgerichtes mangels Pflichtverletzung des Architekten hat die BG Berufung eingelegt.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Naumburg hat zugunsten der BG gegen den Architekten einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1, 2, § 634 Nr. 4, § 636 BGB zuerkannt (OLG Naumburg, Urteil vom 29. Mai 2006 – 1 U 27/06).

Dabei hat das Oberlandesgericht insoweit zutreffend festgehalten, bei dem zwischen der BG einerseits und dem Architekten andererseits geschlossenen Bauüberwachungsvertrag handele es sich um einen Werkvertrag, wonach der Architekt im Rahmen des ihm Zumutbaren die mangelfreie Bewirkung der zu überwachenden Bauleistungen als Erfolg schulde.

Dieser Erfolg sei aber bei den Verlegungsarbeiten am Eigenheim der BG objektiv gerade nicht eingetreten.

Der Umstand, dass der Architekt die Bodenverleger nicht selbst ausgewählt habe, und somit deren Leistungsfähigkeit, Fachkunde und Zuverlässigkeit nicht habe einschätzen können, führe nicht zu seiner Entlastung, sondern im Gegenteil eher zu einer Steigerung seiner Überwachungspflichten.

Dabei ist es im Übrigen auch völlig unerheblich, in welcher Höhe der Architekt für seine Überwachung honoriert wird.

So hat das OLG Brandenburg mit Urteil vom 22. Dezember 2015 – 4 U 26/12 – in einem Fall, in dem ein Architekt lediglich mit der Bauüberwachung bei den wichtigsten Punkten der Bauausführung gegen ein geringes Stundenhonorar beauftragt war, ausdrücklich festgehalten, die Haftung des überwachenden Architekten habe nichts mit der Höhe seines Honorars zu tun. Diese richte sich ausschließlich nach dem vereinbarten Leistungsumfang. In diesem Fall hatte es Fehler bei der Erstellung einer Bitumenbeschichtung gegen ins Haus drückendes Grundwasser gegeben. Die Ausführungen dieser Arbeiten sei für das ganze Bauprojekt entscheidend und stelle keine handwerkliche Selbstverständlichkeit dar, welche nicht überwacht zu werden brauche. Der Architekt wurde damit verurteilt und haftete für den Schaden.

Die zuvor zitierten Entscheidungen verdeutlichen die hohen Anforderungen an einen bauüberwachenden Architekten.

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Mit 21 Rechtsanwälten, davon sechs Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.
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