Das aktuelle Baurechtsurteil: Mängelrüge

Prüfung einer unberechtigten Mängelrüge – Wer zahlt?

Erreicht den Werkunternehmer eine Mängelrüge seines Auftraggebers oder dessen bauleitenden Ingenieurs, geht er dieser Mängelrüge regelmäßig nach und hilft ihr ggf. ab. Dieses Nacherfüllungsrecht ist die Magna Charta des Werkunternehmers. Dieses Recht erlischt dann, wenn eine dem Werkunternehmer gesetzte Nacherfüllungsfrist ergebnislos verstreicht; erst dann kann ein Auftraggeber Mängelrechte geltend machen.

Es kommt vor, dass Män­gelrügen unberechtigt sind: Weil entgegen der Ein­schät­zung des Auftraggebers die allgemein anerkannten Regeln der Technik doch eingehalten sind oder die Ursache eines Mangelsymptoms einem anderen Gewerk zuzuordnen ist. Kann in einer solchen Kon­stel­lation der zu Unrecht an­ge­gang­ene Werkunternehmer seinen Aufwand dem Auftragge­ber in Rechnung zu stellen, wenn er dies zuvor angekündigt hat? Das OLG Koblenz meint ja.


Zum Fall

Die Klägerin, ein Fachbetrieb für Sanitär-, Heizungs- und Anla­gen­bau, hat für die Beklagte die Gewerke Heizung, Sanitär und Lüftung im Rahmen des Neu­baus einer Demenzstation aus­geführt. Nach Abnahme der Werkleistungen kam es nach vorangegangenen Mängelrügen der Beklagten zu Monteureinsätzen der Klägerin. Bevor die Klägerin ihre Monteure losschickte, versandte sie zunächst jeweils ein Schreiben an die Beklagte mit folgendem Inhalt: „... Wir sind gerne bereit, eine örtliche Überprüfung vorzunehmen. Sollten wir danach feststellen, dass von uns zu vertretende Mängel vorhanden sind, werden wir die entsprechenden Nachbesserungsmaßnahmen veranlassen. Sollte sich aber herausstellen, dass die von Ihnen gerügten Mängel nicht vorhanden sind oder aber auf nicht von uns zu vertretenden Gründen beruhen, müssen wir Ihnen die Kosten für die Überprüfung einschließlich der Fahrtkosten in Rechnung stellen. Wir erlauben uns, davon auszugehen, dass Sie mit dieser Regelung einverstanden sind, falls wir nicht innerhalb der nächs­ten drei Tage von Ihnen eine anders lautende Nachricht erhalten.“ Die Beklagte gab dazu keine Erklärung ab. Mit der Klage hat die Klä­gerin die darauf entfallende Vergütung in Form von Monteurstun­den und Fahrkosten in Höhe von mehreren 1000 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht. Ob tatsächlich Mängel vorlagen, ist strittig, ebenso ob wegen der Überprüfungsmaßnahmen eine werkvertragliche Ver­ein­barung getroffen worden ist, und wer die Beweislast für das Vor­handensein der Mängel trägt.

Zur Entscheidung

Das OLG hat Folgendes festgestellt: Grundsätzlich hat der Auftragnehmer (AN), wenn der Auftraggeber (AG) die Mängelbesei­ti­gung verlangt, den Auftrag kostenlos auszuführen. Denn der AG kann die Beseitigung des Mangels verlangen, wenn der AN eine Werkleistung mangelhaft erbracht hat. Die Überprüfung bzw. Mängelbeseitigung wird der AN i.d.R. schon im eigenen Interesse vornehmen, um etwa ansonsten drohenden Ansprüchen aus einer Ersatzvornahme zu entgehen. Das bedeutet jedoch nicht – so das OLG –, dass der AN in jedem Falle auch die Kosten der Überprüfungsmaßnahme zu tragen hat. Liegt als Ergebnis der Überprüfung wirklich ein Mangel vor, stellen die Prüfungskosten einen Teil der Kosten der Nachbesse­rung dar, die der AN zu tragen hätte. Ergibt die Überprüfung hingegen die Mangelfreiheit des Werkes, kann diese Kostentragungspflicht nach Auffassung des Gerichts nicht schlechthin den AN treffen. Will der AN für diese Arbeiten eine Vergütung, weil er sich für den Mangel nicht verantwortlich sieht und deshalb eine Mängelbeseitigungsverpflichtung nicht anerkennt, muss er aber unzweideutig zum Ausdruck bringen, dass er die Arbeiten nicht als kostenlose Mängelbeseitigung durchführt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach der Abnahme Aufgabe des AG ist, eine Mangelhaftigkeit der Werkleistung aufzuklären. Der AN muss ihn dabei zwar unterstützen, wenn er aufgrund einer Mängelanzeige mit der Prüfung seines Werks beauftragt worden ist. Stellt sich aber heraus, dass die Mangelursache nicht im Verantwortungsbereich des AN liegt, kann ein Aufwendungsersatzanspruch aus einem bedingt erteilten Auftrag oder aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht kommen. Vorliegend steht der Klägerin ein vertraglicher Vergütungsanspruch für ihre Arbeiten zur Feststellung der Gründe für die gerügten Mängel der Heizung zu, nachdem sie der Beklagten gegenüber zuvor in den jeweils auf die Mängelrügen folgenden Schreiben klar zum Ausdruck gebracht hat, dass sie eine Kostenerstattung für die Überprüfung einschließlich der Fahrtkosten in Rechnung stellt, falls sich herausstellen sollte, dass die gerügten Mängel nicht vorhanden sind oder aber auf von ihr nicht zu vertretenden Gründen beruhen.

Die Beklagte hat auf diese Schreiben nicht geantwortet. Auch wenn ein Schweigen grundsätzlich keine Zustimmung darstellt, hat aber die Beklagte hier die Überprüfungen durch die Klägerin vornehmen lassen. Sie hat damit in schlüssiger Weise zu erkennen gegeben, dass sie den in dem Begehren der Klägerin liegenden Antrag auf Abschluss eines (bedingten) Werkvertrages annehmen wollte. Gegenteiliges hat sie auch während der Überprüfungsarbeiten an den verschiedenen Terminen nicht zum Ausdruck gebracht. Es liegt daher ein konkludenter Vertragsschluss vor. Dabei stand der Abschluss des Werkvertrages unter der aufschiebenden Bedingung, dass die gerügten Mängel nicht vorhanden sind oder aber auf nicht von der Klägerin zu vertretenden Gründen beruhen. Beweisbelastet ist – so das Gericht – die Beklagte. Die Beklagte muss darlegen und ggf. beweisen, dass die gerügten Mängel vorhanden sind. Dies ist ihr hier nicht gelungen.

Praxishinweis

Diese Entscheidung überzeugt nicht. Bereits vor Jahren hatte sich der BGH mit einem Fall befasst, wonach der in Anspruch genommene AN Maßnahmen zur Mängeluntersuchung nicht davon abhängig machen darf, dass der AG eine Erklärung abgibt, wonach er die Kosten der Untersuchung für den Fall übernimmt, dass der AN nicht für den Mangel verantwortlich ist (BGH, Urteil 2. Septem­ber 2010, VII ZR 110/09). Seinerzeit wurde festgehalten, dass ein AG nur Mangelsymptome aufzeigen, nicht indes deren Ursache erfor­schen muss. Ebenso durchbricht das OLG den zivilrechtlichen Grundsatz, dass Schweigen grundsätzlich keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung ist; allein aus dem Umstand, dass hier der AG die Überprüfung zugelassen hat, folgt nach diesseitiger Auffassung nicht etwa ein stillschweigender Vertragsschluss. Werkunternehmern ist angesichts dieser Rechtsprechung künftig zu raten, solche Überprüfungskosten rechtzeitig anzumelden, falls sich die Mängelrüge als haltlos herausstellt; die Chance, dann für die Überprüfung eine Vergütung zu bekom­men, ist in Ansehung dieser Recht­sprechung da. Umgekehrt sollten AG und insbesondere deren Bauleiter einem solchen Schreiben sofort widersprechen. Dann dürfte es an übereinstimmenden Willenserklärungen fehlen.

Info

Kanzlei Schlünder Rechtsanwälte

Mit 16 Rechtsanwälten, davon vier Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Kanzlei Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Kanzlei hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Unternehmen, Bauherren und Handwerksbetriebe in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

www.schluender.info

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