Was liegt vor: Auftrag für eine Anlagensanierung oder Beseitigung eines Mangels?

Das aktuelle Baurechtsurteil

Wenn ein Unternehmer für einen Auftraggeber potenzielle Mängel beseitigt, die bei seinen im Vertragsverhältnis entstanden sind, ist darin nur in eindeutigen Einzelfällen ein Erlass von Gewährleistungsansprüchen und ein stillschweigender Abschluss eines neuen, kostenpflichtigen Sanierungsvertrages zu sehen. Beseitigt der Unternehmer die Mängel und haben die Vertragsparteien die Klärung der Mängelhaftung hintenangestellt, kann sich der Unternehmer nicht auf eine fehlende Fristsetzung zur Nacherfüllung berufen, wenn sich später seine Pflicht zur Haftung für die Mängel herausstellt (OLG Brandenburg, Urteil vom 18.12.2024, Az. 4 U 218/21).

Sachverhalt

Ein Unternehmen wird mit dem Austausch der Kuppel des Nachgärers einer Biogasanlage beauftragt. Diese Kuppel besteht aus zwei übereinander liegenden Folien, die das entstehende Biogas auffangen sollen. Das Unternehmen baut die Folien ein und erhält dafür auch das vereinbarte Honorar. Der Nachgärer wird in Betrieb genommen. Durch einen vermutlich bereits bestehenden Riss der inneren Folie ist Feuchtigkeit in den Zwischenraum zwischen den Folien gedrungen und dort kondensiert. Durch das Gewicht des Kondensats wird die innere Folie nach unten gezogen. Dadurch hat sie einen Deckenbalken aus dem Balkenschuh gezogen, der dann auch noch in das Rührwerk des Nachgärers gefallen ist und es blockierte. Die innere Folie hat daraufhin noch mehr Risse und muss ausgetauscht werden, die Biogasanlage steht für mehrere Monate still. Das Unternehmen wird ohne Nachfristsetzung zur Mängelbeseitigung mit der Reparatur beauftragt und tauscht die innere Folie aus. Das Unternehmen stellt dazu eine „Vorauskasserechnung“ über zunächst 43.000 € aus, die sie später auf rund 27.000 € reduziert wird.

Dr. Michael Kappelhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei Schlünder Rechtsanwälte.
Bild: Kappelhoff

Dr. Michael Kappelhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei Schlünder Rechtsanwälte.
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Später fordert die Versicherung des Auftraggebers den gezahlten Reparaturlohn zurück – schließlich habe es sich bei dem Einbau der neuen Folie laut eingeholtem Privatgutachten um die Beseitigung eines konstruktiven Fehlers gehandelt – das Unternehmen hafte für die Folgen der mangelhaften Werkleistung. Beim zweiten Einbau habe es sich um eine Nacherfüllung aus dem ersten Werkvertrag gehandelt, weshalb dem zweiten Einbau kein neuer Werkvertrag zugrunde gelegen habe. Da der Geschäftsführer des Unternehmens gleichzeitig Geschäftsführer der Auftraggeberin sei, habe er auch gewusst, dass die Versicherung den Auftraggeber aufgefordert habe, Gewährleistungsrechte wegen des mangelhaften ersten Folieneinbaus geltend zu machen. Für den ersten Einbau gebe es einen vollständigen Werkvertrag, für den zweiten Einbau nur die „Vorauskasserechnung“.

Das Unternehmen verteidigt sich dagegen und weist darauf hin, dass die Risse durch Überdruck entstanden seien und zudem keine Nachfristsetzung erfolgt sei. Für Fehler in der Folie, die der Folienhersteller verursacht haben mag, hafte sie auch nicht. Durch die mündliche Beauftragung mit dem zweiten Einbau sei ein gesonderter Werkvertrag abgeschlossen worden, mit der vorbehaltlosen Zahlung auf die Rechnung sei auf die Gewährleistungsrechte aus dem ersten Werkvertrag verzichtet worden.

Das Landgericht weist die Klage auf Rückzahlung des Reparaturhonorars ab. Einerseits hafte das Unternehmen nicht für Fehler des Folienherstellers, andererseits sei hier keine Mängelbeseitigung durchgeführt worden, sondern eine neue Leistung beauftragt worden: Der Auftraggeber habe keinen Mangel an der ursprünglichen Montageleistung, sondern einen Mangel an der Folie gerügt und auch keine Nachfrist zur Mängelbeseitigung gesetzt.

Entscheidung des OLG Brandenburg

Das OLG Brandenburg sieht dies anders, die Berufung hat Erfolg. Die Leistung des Unternehmens sei mangelhaft gewesen, die Folie habe einen konstruktiven Fehler gehabt. Das Unternehmen habe die Pflicht gehabt, die angelieferte Folie auf Fehler zu untersuchen, weil die Folie als ­Einzelanfertigung ungewöhnliche Eigenschaften gehabt habe. An konstruktiv mangelhafter Stelle sei laut Gutachter der Riss entstanden, wofür das Unternehmen somit hafte. Der Auftraggeber habe nicht auf die Gewährleistungsansprüche verzichtet, indem er den Auftrag zum Austausch der Folie erteilt habe. Zwar könne der Abschluss eines zweiten Werkvertrags über die Beseitigung von potenziellen Mängeln aus einem früheren Werkvertrag im Einzelfall gleichzeitig als stillschweigender ­Vertrag auf Erlass etwaiger Gewährleistungsansprüche ausgelegt werden, dies sei jedoch wegen der ­weitreichenden Wirkung eines Erlasses nur in eindeutigen Fällen anzunehmen. Wenn wie hier die Schadensursache zunächst unbekannt und die Reparatur eilbedürftig sei, stünde die schnelle Schadensbeseitigung und nicht die Klärung von Haftungsfragen im Vordergrund. Solange die Frage noch im Raum stehe, ob der Schaden möglicherweise Folge eines Mangels aus dem früheren Werkvertrag war, entspreche es den Interessen des Bestellers, nicht schon von vorneherein einseitig auf etwaige Gewährleistungsansprüche gänzlich zu verzichten. Vielmehr entspreche es einer interessengerechten Auslegung, dass sich der Besteller in solchen Fällen jedenfalls eine Rückforderung des gezahlten (zweiten) Werklohns vorbehalte, wenn sich später die Mangelhaftigkeit der früheren Werkleistung herausstelle. Der Unternehmer verhalte sich treuwidrig, wenn er zur Nacherfüllung verpflichtet sei und sich nach Mangelbeseitigung darauf berufe, der Besteller habe durch erneute Beauftragung des Werkunternehmers ohne Nachfristsetzung auf Gewährleistungsrechte verzichtet.

Praxishinweis

Oft wird es hektisch, wenn ein Mangel an einer Werkleistung auftritt – dann steht für den Auftraggeber die schnelle Beseitigung des Mangels im Vordergrund, gerade wenn es – wie hier – Produktionsanlagen betrifft. Unternehmer legen dann nicht selten ein Angebot für die Ausführung der Sanierung vor, weil jedenfalls sie selbst meinen, dass kein Gewährleistungsfall vorliege. Das OLG Brandenburg gesteht hier zu, dass man als Auftraggeber keine Nachfrist setzt und auch die Rechnung bezahlt (was oft Voraussetzung dafür ist, das Unternehmen zu weiteren Arbeiten zu motivieren), ohne dass dies zum Verlust von Gewährleistungs- und Rückforderungsansprüchen führt. Die Chancen auf eine erfolgreiche Rückforderung kann man aber durchaus noch erhöhen, indem man eine (kurze) Nachfrist zur Mängelbeseitigung setzt und damit die Bewertung als Gewährleistungsfall deutlich macht. Eine Beauftragung der Sanierungsleistung und die Zahlung der Rechnung können zudem unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgen – damit macht der Auftraggeber deutlich, dass keinesfalls auf Gewährleistungsansprüche verzichtet wird.

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Mit 18 Rechtsanwälten, davon sechs Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

www.schluender.info

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