Schwerer Mangel

Kein Indiz für Organisationsverschulden!

Für die Mängelgewährleistung gilt die vertraglich vereinbarte Frist; gesetzlich sind dies für Arbeiten an Bauwerken fünf Jahre. Eine zehnjährige Verjährungsfrist gilt jedoch dann, wenn der Mangel vom Auftragnehmer bei Abnahme arglistig verschwiegen wurde. Dem steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Organisationsverschulden gleich, wenn es dazu führt, dass ein Mangel gar nicht vom Auftragnehmer selbst wahrgenommen werden kann („organisiertes Wegschauen“). Aber wo sind die Grenzen? Dies soll ein Fall veranschaulichen, der beim OLG Hamburg verhandelt wurde.

Leitsatz:

Die Schwere eines Mangels ist kein Indiz für das Vorliegen eines Organisationsverschuldens. Ein solches liegt nicht darin, dass der Unternehmer die Überwachung des Herstellungsprozesses und die Überprüfung des Werks auf Mangelfreiheit – hier im Hinblick auf brandschutztechnische Leistungen – auf ein sorgfältig ausgesuchtes sachkundiges Ingenieurbüro überträgt und auf dessen Leistungen vertraut.

 

Sachverhalt:

Der Auftraggeber/Bauträger beauftragt einen Generalunternehmer (nachfolgend GU genannt) mit der schlüsselfertigen Erstellung von Wohneinheiten. Der GU wiederum überträgt diese Planung der haustechnischen Gewerke ebenso wie die Oberbauleitung und die Abnahme der Nachunternehmerleistungen auf ein Ingenieurbüro. Im GU-Vertrag wird eine Gewährleistungsfrist von fünf Jahren und einem Monat ab Abnahme vereinbart.

Die Wohneinheiten werden Ende 1996 bezogen.

Im Oktober 2003 kommt es zu einem Wohnungsbrand und infolgedessen zu einem Eindringen von Rauchgasen in andere Wohnungen. Verursacht wurde dieser Wohnungsbrand durch brandschutztechnische Mängel der Kabel- und Rohrdurchführungen durch die Stahlbetondecken. Der Auftraggeber verlangt vom GU die Mängelbeseitigung; der GU ist der Ansicht, dass Mängelansprüche verjährt sind und auch eine Haftung aufgrund von Organisationsverschulden nicht in Betracht kommt.

Das Landgericht weist die Kostenvorschussklage des Auftraggebers wegen Verjährung ab, wogegen sich die Berufung des Auftraggebers richtet.

Entscheidung:

Der Senat folgt der Rechtsauffassung des GU. Die vertragliche Verjährungsfrist war im Klagezeitpunkt bereits abgelaufen. Ein arglistiges Verschweigen der Mängel hatte schon das Landgericht unangefochten verneint. Eine der Arglist gleichstehende Verletzung von Organisationsobliegenheiten des GU verneint der Senat, da weder Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der GU das Ingenieurbüro nicht sorgfältig ausgesucht hat bzw. diesem keine ausreichende Gelegenheit gegeben worden wäre, Mängel zu erkennen noch den GU eine Verpflichtung traf, die durch das Ingenieurbüro zu erbringende Überwachung seinerseits zu überwachen. Nach Ansicht des Senats durfte der GU vielmehr auf die Fachkunde des Ingenieurbüros vertrauen; einen Erfahrungssatz, wonach eine unzureichende Bauüberwachung durch das Ingenieurbüro den Schluss auf eine fehlerhafte Organisation des GU zulässt, gibt es nach Ansicht des Senats nicht.

Fazit:

In Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des BGH – vgl. Urteil vom 22. Juli 2010, VII ZR 77/08 – kann Organisationsverschulden nur noch in ganz engen Grenzen angenommen werden, beispielsweise für den Fall, dass der Unternehmer sicher weiß, dass das von ihm eingesetzte Personal seinen ihm übertragenen Pflichten nicht nachkommen kann.

OLG Hamburg, Urteil vom 26. November 2010, 1 U 163/09

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