Das aktuelle Baurechtsurteil

Kostenvorschuss um jeden Preis?
Ein Auftraggeber kann bei Baumängeln nach einer nicht eingehaltenen Nacherfüllungsfrist vorraussichtliche Kosten zur Mängelbeseitigung geltend machen. Das OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2023 – 22 U 300/21, hat dies einem Auftrageber auch zugesprochen, Probleme liegen aber im Detail und insbesondere in der Höhe solcher Kostenvorschüsse.
Problemdarstellung

Ist eine Werk-/Bauleistung mangelhaft, kann der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer nach erfolglos abgelaufener Nacherfüllungsfrist einen Kostenvorschussanspruch gerichtet auf Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten geltend machen, solange die Mangelbeseitigung noch nicht erfolgt ist. Nach dem Gesetzeszweck soll dem Auftraggeber damit die Bürde genommen werden, in Vorleistung zu treten und ggfs. auf Kosten für solche Maßnahmen sitzen zu bleiben, die sich als nicht erforderlich herausstellen. Nach Durchführung der Mängelbeseitigung ist der Kostenvorschuss abzurechnen; etwaige Überschüsse sind an den Auftragnehmer zu erstatten, andernfalls kann, sollte der Kostenvorschuss nicht auskömmlich gewesen sein, der Auftragnehmer zur Nachzahlung aufgefordert werden. Bekanntlich führen aber beim Bauen und damit auch bei der Mängelbeseitigung viele Wege nach Rom. Deshalb stellt sich die Frage, welche Maßnahmen eine Mängelbeseitigung im gesetzlichen Sinne darstellen und durch den Kostenvorschussanspruch gedeckt sind, insbesondere dann, wenn der ursprüngliche Leistungskatalog des Unternehmers fehlerhaft oder unvollständig war. Das rechtliche Problem entsteht dadurch, dass eben dieser Leistungskatalog regelmäßig die Vertragsgrundlage ist. Mit einem solchen Fall hatte sich kürzlich auch das Oberlandesgericht Düsseldorf zu befassen.

Sachverhalt

Die Klägerin beauftragte die Beklagte auf Grundlage der Ausschreibungsunterlagen der klägerischen Architekten mit der Betonsanierung von zwei Höchstlastbelebungsbecken als Teil einer Kläranlage. Zwischen den Parteien kam ein Einheitspreisvertrag zustande, der dem Auftragnehmer unter anderem bei der Auswahl der Grundierungs- und Versieglungsprodukte ein Ermessen einräumte. Die Beklagte erstellte ein eigenes Leistungsverzeichnis und führte entsprechend aus.

Kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist entdeckte die Klägerin Undichtigkeiten in den Becken und beantragte die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens. Der dortige Gerichtssachverständige stellte fest, dass die verwendeten Grundierungs- und Versieglungsprodukte nicht für den hier maßgeblichen Einsatzzweck geeignet seien und unabhängig davon die Ausführung auch nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspreche. Eine Sanierung habe zwingend nach den Vorgaben der DIN 206-1 in Verbindung mit DIN 1045-2 zu erfolgen. Die Sanierungskosten für beide Becken beliefen sich auf voraussichtlich 340.000,00 €.
Nach Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens hat die Klägerin einen entsprechenden Kostenvorschussanspruch eingeklagt. Die Beklagte hat das Erfordernis einer Sanierung nach der Methode des Gerichtssachverständigen bestritten, zumal diese auch nicht ausgeschrieben gewesen sei.
Entscheidung OLG Düsseldorf

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 13.01.2023 den Kostenvorschussanspruch zuerkannt. Es hat festgestellt, dass die verwendeten Bauprodukte hier den Fachregeln für Betonsanierungen und denjenigen für Beschichtungen entsprechen müssten, wie dies der Sachverständige vorgegeben hat. Die konkrete Mängelbeseitigungsmethode könne das Gericht bereits im Vorschussprozess festlegen, wenn – wie gleichfalls hier – die in Betracht zu ziehenden Methoden erhebliche Kostenunterschiede aufweisen. Das bedeute allerdings nach Auffassung des Gerichts nicht, dass schon im Vorschussprozess abschließend festgelegt würde, wie der Mangel später zu beseitigen ist, denn dabei handele es sich lediglich um eine Vorfrage für die Bemessung des Vorschussanspruches. Einige Jahre zuvor hatte derselbe Senat übrigens noch die gegenteilige Auffassung vertreten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017 – I-22 U 134/16). Wird die Mangelbeseitigung durchgeführt und entstehen dabei höhere Kosten, seien auch diese zu ersetzen, wenn sie der Auftraggeber für erforderlich halten durfte. Die Ersatzpflicht des Auftragnehmers ende erst bei einem Mitverschulden des Auftraggebers, was auch für die Mangelbeseitigungsmethode gelte. Dabei dürfe sich der Auftraggeber aber auf die Beratung durch Fachleute verlassen und müsse sich nicht auf eine Mängelbeseitigungsmethode verweisen lassen, deren Erfolg unsicher ist.

Praxishinweis

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist in Teilen widersprüchlich und insofern streitbar, denn entweder ist die Mangelbeseitigungsmethode bereits im Kostenvorschussprozess verbindlich festzulegen oder nicht. Wird die Mängelbeseitigungsmethode festgelegt, müsste sich der Auftraggeber aber auch daran festhalten lassen, es sei denn, nachträglich ergäben sich besondere Umstände, die eine Abweichung von der festgelegten Mangelbeseitigungsmethode erforderlich machten. Die Entscheidungstendenzen des Oberlandesgerichts Düsseldorf sind daher im Ergebnis für den Auftragnehmer leider ungünstig. Denn einerseits kann sich der Aufraggeber auf das Gerichtsgutachten veranlassen, ohne sich einem Mitverschuldenseinwand auszusetzten, sollten die dortigen Maßnahmen doch unverhältnismäßig sein. Andererseits soll der Aufraggeber aber nicht zur Mangelbeseitigung gemäß Gerichtsgutachten verpflichtet sein und auch höhere Kosten verlangen können, wenn er sie – ggf. nach weiterem technischen Rat – für erforderlich halten durfte.

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Mit 19 Rechtsanwälten, davon sieben Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.
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