Das aktuelle Baurechtsurteil

Brand auf der Baustelle – Haftung nach „Gefahrbereichen“?

Kommt es bei einem Bauprojekt zu einem Brand, stellt sich immer wieder die Frage, wer für diesen haften muss. In einer aktuellen Entscheidung haben sich die Gerichte mit der Frage befasst, ob von einer Brandverursachung durch den Bauunternehmer auszugehen ist, wenn die einzig in Frage kommende Schadenursache aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Unternehmers stammen kann.

Zum Fall

Die Klägerin war Eigentümerin eines Ferienhauses. Sie beauftragte den Beklagten mit der Generalsanierung dieses Hauses. Während der Generalsanierung kam es zu einem Brand im Gebäude, der zu einem erheblichen Schaden der Klägerin führte. Wegen dieses Schadens verlangt die Klägerin Schadenersatz aus dem zwischen den Parteien bestehenden Bauvertrag mit dem Beklagten.

Mit Urteil vom 24. Juni 2019 (Az.: 7 O 3970/16) hat das Landgericht Traunstein der Klägerin mit Grundurteil Schadenersatzansprüche zugesprochen. Lediglich über die Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens ist noch nicht entschieden.

Die Kammer hat eine Beweisaufnahme durchgeführt und zur Begründung ihres Urteils festgestellt, dass nur eine Schadenursache aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Beklagten in Betracht gekommen wäre. Dem Beklagten sei es nicht gelungen, sich im Hinblick auf eine objektive Pflichtwidrigkeit aus seinem Verantwortungsbereich zu entlasten. Mithin sei der streitgegenständliche Brand zur Überzeugung der Kammer auf eine angesteckte Kabeltrommel des Beklagten zurückzuführen. Ein als einzige alternative Brandursache in Betracht kommendes Brandstiftungsdelikt hätte nach Überzeugung der Kammer nicht vorgelegen. Dem Beklagten sei der Nachweis nicht gelungen, dass es sich weder um einen Bedienungs- oder Wartungsfehler an der Kabeltrommel selbst, noch um deren schuldhafte Verwendung trotz Ungeeignetheit oder fehlender Einsatzfähigkeit handelte. Die Kabeltrommel sei weder allabendlich aufgerollt worden, noch sei eine relativ aufwendige Sichtprüfung durch den Beklagten erfolgt.

Zur Entscheidung

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2019 (Az.: 28 U 4069/19) hat der Senat des OLG München die landgerichtliche Entscheidung bestätigt und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Hierbei hat der Senat folgende Leitsätze festgehalten:

1. Auf einem Baustellenbetrieb ist eine Beschädigung der Isolation des Kabels einer Kabeltrommel regelmäßig zu erwarten.

2. Die Beschädigung der Isolation des Kabels einer angesteckten Kabeltrommel kann zum Aufbau eines Fehlerstroms und als Folge zu einem Brandausbruch führen.

3. Kommt als Ursache eines Brandausbruchs nur eine Schadenursache aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Auftragnehmers in Betracht, muss er – wenn er sich gegen die Inanspruchnahme auf Schadenersatz zur Wehr setzt – den Beweis führen, dass die Brandauslösung nicht auf sein pflichtwidriges Verhalten oder ein solches seines Personals zurückzuführen ist.

Auch der BGH hat die Entscheidung bestätigt und die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten mit Beschluss vom 23. Juni 2021 (Az.: XII ZR 10/20) zurückgewiesen.

Praxishinweis

Nachdem die Rechtsprechung in der Vergangenheit im Mietrecht bei Brandschäden zur Verteilung der Beweislast auf die Gefahrenbereiche von Mieter und Vermieter abgestellt hat, nimmt sie mit der dargestellten Entscheidung eine entsprechende Beweislastverteilung auch für den Baubereich an.

Ist ein Unternehmer allein auf einer Baustelle tätig und kann nicht beweisen, dass neben von ihm zu vertretende Schadenursachen auch andere Schadenursachen für einen Brand in Frage kommen, so muss er anhand der Beweislastgrundsätze der dargestellten Entscheidung haften. Dasselbe muss auch für einen Generalunternehmer bzw. dessen Mitarbeiter und den entsprechenden Verantwortungsbereichen gelten. Hat ein Bauüberwacher Kenntnis von entsprechenden Zuständen, spricht viel dafür, dass auch diesen eine entsprechende Mithaftung trifft.

Alle an einem Bau Beteiligten sollten also entsprechende Maßnahmen treffen und Hinweise erteilen, sollten sie Situationen erkennen, die auch nur entfernt zu einem Brand führen könnten.

Info

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Mit 20 Rechtsanwälten, davon sechs Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

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