Fossilfreie PVT-Wärmeversorgung
Zukunftsfähige Energiesysteme für den Jahreswärmebedarf eines WohngebäudesBeim Wohnbauprojekt „Spross“ im schweizerischen Wallisellen erarbeiteten die Bauherren zusammen mit dem PVT-Unternehmen Soblue, den TGA-Planern und dem Heizungs-installateur eine Solarlösung, die übers Jahr gesehen über 65% des Wärmebedarfs mit dem Photovoltaik-Thermie-(PVT)-System abdecken soll – trotz kleiner Kollektorenfeldgröße von 79 m2 und hohen Vorlauftemperaturen von 65 °C. Für die restlichen 35% war in diesem Projekt eine innenaufgestellte Luft-Wärmepumpe als Bivalenz geplant. Das Projekt soll ein Beispiel dafür sein, wie innovative Technologien die Herausforderungen der Energiewende meistern können.
In Zeiten zunehmender Unsicherheit über die Verfügbarkeit und die Preisstabilität von Energie wünschen sich immer mehr Bauherren zukunftsfähige Lösungen, die gleichzeitig lokal, fossilfrei und wirtschaftlich sind. Bei dem im Spätsommer 2023 fertiggestellten Wohnbauprojekt „Spross“ wurde die Bauherren die fossilfreie Beheizung einer Energiebezugsfläche von 1.200 m2 geplant. Die Herausforderungen waren vielfältig: So stand nur eine begrenzte Dachfläche für PV- oder Thermie-Kollektoren zur Verfügung. Außerdem untersagte der Bebauungsplan die Nutzung von Erdsonden sowie Luft-Wärmepumpen im Außenbereich. In enger Abstimmung mit den TGA-Planern und dem Heizungsinstallateur entwickelten die Bauherren mit Soblue, ein Unternehmen für die Herstellung und Umsetzung hochmoderner PVT-Systeme, eine Lösung, die das nachhaltige Mehrfamilienhaus so CO2-neutral wie möglich mit Strom- und Wärmeenergie versorgen soll.
Intelligentes Energiemanagement
Herzstück der Wärmebereitstellung sind die „Multi-NRG Panels“ von Soblue. Diese vereinen auf einer Fläche sowohl Photovoltaik (PV) zur Stromerzeugung als auch solarthermische Module zur Wärmeerzeugung. Durch diese Kombination wird die verfügbare Dachfläche maximal genutzt. Zudem sind die Kombi-Flachmodule mit einem Gesamtumwandlungsgrad von solarer Energie von 81 % (ca. 16 % Strom und 65 % Wärme) die derzeit mit Abstand effizientesten PVT-Module auf dem Markt. Dass die Kollektoren für die Winter- und Übergangsmonate optimiert sind, kommt der Charakteristik eines Wohngebäudes entgegen. Um möglichst viel Sonnenenergie einzufangen, wählten die Planer für die Montage der 38 Kollektoren auf dem Dach eine Südaufständerung mit 30° mit jeweils rund 2 m2 Aperturfläche. Für eine höhere Stromproduktion verlegte der Installateur zusätzlich 20 m2 reine PV-Fläche, die aufgrund der Bauhöhenrichtlinien nur 3° geneigt sind.
Neben dem Kollektorenfeld schaffen zwei Puffertanks (Wasserzisternen) Speichermöglichkeiten für die Wärme, um die Wärmeabgabe über den Tag bzw. Nacht-Rhythmus und Schlechtwetterperioden zu optimieren. Da das PVT-System mit reinem Wasser betrieben wird, muss es bei länger anhaltenden Minusgraden entleert werden, was aufgrund des offenen Systems mit atmosphärischem Druckausgleich und der abfallenden Montage der Leitungen gravitätisch passiert. In den besonders kalten Wintermonaten springt – wenn die Puffertanks keine nennenswerte thermische Energie mehr liefern – die innenaufgestellte Luft-Wärmepumpe ein (Bivalenz). Im Hochsommer eignet sich das System auch zum Kühlen der Räumlichkeiten. Durch Umkehren der Wärmepumpe kann die Abwärme zunächst in die Pufferspeicher verschoben und am Tag darauf als Warmwasser wieder genutzt werden. Durch Rückzirkulation über das Kollektorenfeld ist zudem das aktive Abstrahlen der überschüssigen Wärme über Nacht möglich.
Ertragsdaten und Jahresstatistik
Ein einzelnes „Multi-NRG Panel“ mit einer Fläche von 2,08 m² hat eine Leistung von 440 Wp (elektrisch) und 1.350 Wp (thermisch). In der Praxis übersteigt die thermische Leistung im Sommer allerdings den Bedarf bei Weitem. Daher sind – insbesondere für ein Wohngebäude – die Werte über den Winter relevanter. Über die Monate November bis Februar betrugen die Energieausbeuten der Kollektoren erwartbare 48 kWh Strom, zusätzlich kamen 354 kWh Wärme hinzu. Der COP (Coefficient of Performance) der Sole-Wasserwärmepumpe lag während dieser Zeit durchweg über 3,1.
Über das Jahr gesehen lieferte der PVT-Teil des Energiesystems 65 % des Wärmebedarfs und die Luft-Wärmepumpe die restlichen 35 %. Der große Abdeckungsgrad von 65 % ist umso wertvoller, als dass die verfügbare Kollektorenfläche mit 79 m2 im Vergleich zur Energiebezugsfläche (1.200 m2) sehr klein ist. Darüber hinaus wurden Vorlauftemperaturen von 65 °C eingeplant, um die Eignung des Konzepts auch für Altbauten mit Radiatoren nachzuweisen. Über den Zeitraum September 2023 bis September 2024 wurden 50 % der Betriebskosten in Bezug auf Warmwasser und Heizen eingespart.
Ziel: 100% erneuerbare Energien
Die neueste Generation des „Multi-NRG“-Kollektors soll erhöhte Effizienz ermöglichen: So erlaubt dessen Auslegung für 10° Ost/West eine bessere Platzausnutzung. Ferner sind die Paneele noch konsequenter für die Winter- und Übergangsmonate optimiert, sodass der Abdeckungsgrad durch den PVT-Anteil bei vergleichbaren Projekten auf 70 bis 75 % steigen wird. Bei Neubauten können die Vorlauftemperaturen fürs Heizen auf weniger als 35 °C gesenkt werden, was eine weitere Erhöhung des Gesamtwirkungsgrads ermöglichen soll. Wenn der Betreiber die Kaltwasser-Zisterne durch einen Eisspeicher ersetzt, spart er sich nicht nur die Bivalenz Luft-Wärmepumpe, sondern deckt mit seinem System bei richtiger Auslegung 100 % seines jährlichen Wärmebedarfs fossilfrei ab.
Das bei „Spross“ umgesetzte Energiesystem zeigt, wie durch die intelligente Kombination bestehender Technologien innovative und nachhaltige Energielösungen geschaffen werden können. Für TGA-Planer bietet es einen ausgereiften, modularen und optimierbaren Ansatz, das nicht nur den aktuellen Anforderungen gerecht wird, sondern auch zukünftige Herausforderungen bewältigen kann. Mit dieser Herangehensweise wird ein weiterer Schritt in Richtung einer fossilfreien Energiezukunft getan. „Wir hoffen, dass unser erfolgreiches Beispiel Schule macht, und viele weitere solche Anlagen, auch im größeren Stil, unsere Energiewirtschaft grüner und nachhaltiger machen“, sagen die Bauherren Reini und Markus Spross.
Anlagensteckbrief
• 1.200 m² Energiebezugsfläche
• Auslegung Heizsystem: 20 kW
• 38 Paneele (35° Süd), 79 m² Aperturfläche
• 13,9 kWp elektrisch / 42 kWp thermisch
• Puffervolumen: 11 m³
• Innenaufgestellte Luft-Wärmepumpe als Bivalenz