Wirtschaftsverbände fordern mehr Pragmatismus und Systemeffizienz

Energiewende am Scheideweg: Monitoringbericht des BMWE zeigt Handlungsbedarf auf

Am 15. September hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) hat den im Koalitionsvertrag vereinbarten Monitoringbericht zur Energiewende „Energiewende. Effizient. Machen.“, durchgeführt vom Energiewirtschaftlichen Institut (EWI) an der Universität Köln und der Beratung für die Transformation der Energiewirtschaft (BET), veröffentlicht. Der Bericht zur Energiewende weist laut BMWE auf eklatante Leerstellen in den vorhandenen Zukunftsszenarien für die Energiewende hin. Das Bundeswirtschaftsministerium hat deswegen zehn Schlüsselmaßnahmen für sichere, saubere und bezahlbare Energie entwickelt:

  1. Ehrliche Bedarfsermittlung und Planungsrealismus
  2. Erneuerbare Energien markt- und systemdienlich fördern
  3. Netze, Erneuerbare Energien und dezentrale Flexibilität synchron ausbauen
  4. Technologieoffenen Kapazitätsmarkt schnell implementieren
  5. Flexibilität und Digitalisierung des Stromsystems voranbringen
  6. Einheitliche und liquide Energiemärkte erhalten und ausbauen
  7. Förderregime überprüfen, Subventionen systematisch senken
  8. Forschung zukunftsgerichtet vorantreiben, Innovationen fördern
  9. Wasserstoff-Hochlauf pragmatisch fördern, überkomplexe Vorgaben abbauen
  10. CCS/CCU als Klimaschutztechnologie etablieren

Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, legte am 15. September den Monitoringbericht „Energiewende. Effizient. Machen.“ vor und nannte zehn Schlüsselmaßnahmen für sichere, saubere und bezahlbare Energie.
Bild: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, legte am 15. September den Monitoringbericht „Energiewende. Effizient. Machen.“ vor und nannte zehn Schlüsselmaßnahmen für sichere, saubere und bezahlbare Energie.
Bild: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
„Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist zweifellos ein großer Erfolg – heute stammen schon fast 60 % unseres Stroms aus Wind, Sonne und Co. Dennoch: die Energiewende steht an einem Scheideweg. Damit sie gelingt, müssen Verlässlichkeit, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Kostentragfähigkeit des Energiesystems für unseren Wirtschaftsstandort ins Zentrum rücken. Denn nur mit sicherer, sauberer und bezahlbarer Energie können wir Arbeitsplätze sichern, Wettbewerbsfähigkeit erhalten und sozialen Zusammenhalt stärken. Wir brauchen jetzt eine ehrliche Bestandsaufnahme. Die Energiewende kann nur durch mehr Pragmatismus und Realismus gelingen. Energiepolitische Entscheidungen dürfen keine Fehlinvestitionen oder Überregulierung erzeugen, sondern müssen auf Markt, Technologievielfalt und Innovation setzen. So schaffen wir die Basis für eine Energiewende, die nicht nur klimaneutral macht, sondern auch krisenfest, wirtschaftlich tragfähig und für alle verlässlich bleibt“, sagt Bundesministerin Katherina Reiche. Die zehn wirtschafts- und wettbewerbsfreundlichen Schlüsselmaßnahmen im Detail sowie der komplette Bericht stehen unten als Download zur Verfügung.

VDI sieht Pragmatismus als richtigen Weg

Adrian Willig, Direktor der VDI, zu dem von Bundeswirtschaftsministerin Reiche vorgestellten Monitoring Bericht des EWI: „Die Bundesregierung hat die richtigen Schlüsse gezogen: Die Energiewende benötigt ein Update. Mehr Pragmatismus und Realismus sind der richtige Weg. Die kommenden Monate und Jahre entscheiden, ob Deutschland den Wandel bezahlbar, praktikabel und mit breiter Akzeptanz schafft. Dabei entscheiden insbesondere die Stromkosten, denn sie sind die Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands: Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien muss die Bezahlbarkeit im Zentrum stehen, wenn Deutschland als Industriestandort bestehen will.

Dipl.-Ing. Adrian Willig, Direktor des VDI.
Bild: VDI

Dipl.-Ing. Adrian Willig, Direktor des VDI.
Bild: VDI
Der Monitoringbericht zeigt: Es fehlt nicht an Energie, sondern an der besseren Nutzung und besseren Integration, gebremst durch schleppende Genehmigungen, fehlende Standards und mangelnde Synchronisierung von Erzeugung und Netzen. Gerade diese Synchronisierung ist entscheidend: Nur wenn Netzausbau, Speicher und Erzeugung zusammenpassen, vermeiden wir Engpässe und Akzeptanzprobleme.

Der größte Bremsklotz ist der stockende Netzausbau. Hier brauchen wir mehr Tempo und moderne Strukturen: digitale Netze, intelligente Messsysteme und grid-forming-fähige Einspeiser für die Systemstabilität. Mehr einheitliche Standards bei den Netzanschlüssen würden den Ausbau zusätzlich beschleunigen. Intelligente Messsysteme und Batteriespeicher sind keine Zukunftsmusik, sondern überfällige Basis-Infrastruktur. Speicher sind bei der künftigen Energiepolitik ein Gamechanger. Sie müssen nicht nur ausgebaut, sondern differenziert eingesetzt werden – für Sekunden, Stunden und Wochen. Dafür bedarf es sowohl großer Wasserstoffspeicher z. B. in Salz-Kavernen als auch für die Solarspitzen sinnvoll abfangen.

Für den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft sind pragmatische Rahmenbedingungen notwendig. Daher ist der Vorschlag zur Reduktion regulatorischer Vorgaben für grünen Wasserstoff zu begrüßen. Auch hier sollte das systemische Zusammenspiel zwischen Elektrolyseuren, EE-Erzeugung und Netzauslastung berücksichtigt werden. Der VDI hat hierzu bereits im Frühling Vorschläge zum Wasserstoffhochlauf erarbeitet und vorgestellt. Auch die Versorgungssicherheit muss neu gedacht werden: Reservekapazitäten sind unverzichtbar. Neue Kraftwerke sollten möglichst wasserstofffähig sein, aber: ‚H₂-ready‘ darf kein bloßes Etikett bleiben. Ohne klare technische Standards und praktikable Umrüstpfade bleibt dieser Anspruch wirkungslos. Entscheidend ist die Systemfunktion: flexible Kraftwerke, Speicher und Nachfrageflexibilität müssen zusammenspielen, damit das Gesamtsystem stabil bleibt.

Fakt ist: Ohne Tempo, Mut und ingenieurtechnische Verlässlichkeit wird die Energiewende zwar gelingen – aber langsamer, teurer und mit höheren Risiken für die Wettbewerbsfähigkeit.“

VIK fordert effizientere Energiewende

Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) begrüßt die Veröffentlichung des Monitoringberichts des BMWE „Energiewende. Effizient. Machen.“ sowie das begleitende Positionspapier „Klimaneutral werden – wettbewerbsfähig bleiben“. Beide zeigen: Die Energiewende steht an einem Scheideweg. Jetzt müssen Versorgungssicherheit, Systemkosten und internationale Wettbewerbsfähigkeit ins Zentrum der Energiepolitik rücken. Nur so kann der Industriestandort langfristig erhalten werden.

Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK.
Bild: VIK

Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK.
Bild: VIK
Christian Seyfert, Hauptgeschäftsführer des VIK, erklärt: „Der Monitoringbericht bestätigt, was die Industrie seit langem fordert: Wir brauchen eine ehrliche Bestandsaufnahme und eine konsequente Ausrichtung der Energiewende an Systemkosten, Versorgungssicherheit und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Die Politik muss jetzt die richtigen Prioritäten setzen, damit die Transformation nicht zur Deindustrialisierung führt.“ Dazu gehören aus Sicht des VIK die Stärkung der Versorgungssicherheit durch einen schnellen Kraftwerkszubau sowie die Steigerung der Kosteneffizienz der Energiewende: Der hohe Netzausbaubedarf resultiert weitgehend aus dem unkoordinierten Ausbau dezentraler und volatiler Einspeisung. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) muss daher systematisch mit dem Fortschritt des Netzausbaus koordiniert werden.

„Die Zukunft der Energiewende entscheidet sich an der Frage, ob wir Wohlstand, Jobs und Klimaziele gleichermaßen sichern. Dafür braucht es Pragmatismus, marktwirtschaftliche Rationalität und eine enge europäische Zusammenarbeit. Die Industrie steht bereit, ihren Beitrag zu leisten – aber sie braucht verlässliche und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen“, sagt Seyfert abschließend. Aus Sicht des VIK stellen der Bericht und das Begleitpapier sowie dessen Forderungen vorrangig eine dringend notwendige Bestandsaufnahme dar. Nun bedarf es aber der zügigen Vorlage der angekündigten kalkulatorischen Grundlagen, damit eine volkswirtschaftliche Gesamtkostenanalyse als Grundlage für politische Entscheidungen möglich ist. Damit kann die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen alsbald auf den Weg gebracht werden. Der VIK wird diesen Prozess konstruktiv begleiten.

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 11/2014

Bericht aus Berlin

„Energiewende-Plattform Gebäude“: BMWi schlägt erste Maßnahmen und Instrumente vor Die an der TGA-Repräsentanz Berlin beteiligten Verbände BDH, BTGA, FGK und RLT bringen sich intensiv in die...

mehr
Ausgabe 05/2014

Bericht aus Berlin

Zuständigkeiten in der Bundesregierung

Mehrere Monate nach dem Amts­antritt der Bundesregierung zeichnet sich ab, welche Bun­des­ministerien, Abteilungen und Per­sonen für den Wärmemarkt und die Gebäude-Energieeffizienz...

mehr

6. BAFA Energietag 2025: Zukunftsfähige Wirtschaft und Gesellschaft

Am 2. Oktober 2025 stellen zahlreiche Expertinnen und Experten beim BAFA Energietag die aktuellen Neuigkeiten rund um die Themen Gebäude, Wärme, Industrie und passende Förderprogramme des...

mehr
Der Koalitionsvertrag 2013 aus TGA-Sicht

Inhalte, Statements und Bewertung der Energiewende

Inhalte des Koalitionsvertrags Wichtige Punkte im Koalitionsvertrag aus dem Bereich Energieeffizienz und Wärmemarkt: - In einem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz will die Koalition die Ziele...

mehr
Ausgabe 7-8/2014

Bericht aus Berlin

Zweiter Monitoring-Bericht zur Energiewende Das Bundeskabinett hat den von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgelegten zweiten Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“ beraten und...

mehr