Abwärme aus Rechenzentren im städtischen Kontext nutzen

Innovatives Projekt in Berlin könnte Schule machen

Das neue Energieeffizienzgesetz (EnEfG) bringt für die Rechenzentren in ganz Europa eine Reihe von Herausforderungen mit. Die Anforderungen an deren Energienutzung und die Erhöhung ihrer Nachhaltigkeit steigen erheblich. Bisher gibt es für die Ressource Abwärme, die bei der Kühlung der Server entsteht, kaum geeignete Abnehmer. Ein Dilemma also, das es zu lösen gilt, denn Rechenzentren sind im digitalen Zeitalter unabdingbar, als Datenspeicher und -verteiler.

Unter anderem müssen Rechenzentren ab dem 1. Juli 2026 mindestens 10 % ihrer Abwärme als wertvolle Ressource nutzen oder auf dem Markt anbieten. Diese Quote wird als Energy Reuse Factor, kurz ERF, bezeichnet. Bereits ein Jahr später klettert der Anteil auf 15 %, und in 2028 müssen es gar 20 % der Abwärme sein, die als ERF sinnvoll weiter genutzt werden.

Projekt Pallasseum in Berlin

Die Umsetzung dieser Vorgaben gestaltet sich in der Praxis als herausfordernd, da es nicht immer naheliegende Möglichkeiten gibt, die überschüssige Wärme effizient zu nutzen. Ein gelungenes Beispiel dafür, wie solche Konzepte erfolgreich realisiert werden können, bietet das Pallasseum in Berlin. Dieses denkmalgeschützte Wohngebäude in Schöneberg zeigt eindrucksvoll, wie die Abwärme eines benachbarten Rechenzentrums sinnvoll genutzt werden kann, um sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile zu erzielen.

Das Projekt Pallasseum ist ein Paradebeispiel dafür, wie durch innovative Kooperationen nachhaltige Konzepte verwirklicht werden können. Der Initialfunke ging dabei von der Gasag Solution Plus aus, die in der Vergangenheit bereits sowohl mit dem Gebäudeeigentümer, der Gewobag, als auch mit dem Betreiber des Rechenzentrums, der Deutschen Telekom, vertrauensvoll und erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Das Ergebnis der Kooperation ist ein System, das die Abwärme des Rechenzentrums aufbereitet, um das nahestehende Wohngebäude effizient und umweltfreundlich zu beheizen. Diese Lösung ist nicht nur zukunftsweisend, sondern bietet auch eine Win-Win-Situation für alle beteiligten Parteien.

Bedeutung des PUE

Die Power Usage Effectiveness (PUE) ist eine Kennzahl, bei der die Gesamtleistungsaufnahme eines Rechenzentrums durch die Leistungsaufnahme der IT-Geräte geteilt wird. Ein PUE-Wert von 1,25 bedeutet beispielsweise, dass für 80.000 kWh Rechenleistung 100.000 kWh Energie für die gesamte Einrichtung benötigt werden. Diese Kennzahl ist ein zentraler Indikator für die Energieeffizienz eines Rechenzentrums und hilft dabei, die Energieverluste, die durch Kühlung und andere infrastrukturelle Bedürfnisse entstehen, zu minimieren.

Mit dem neuen Energieeffizienzgesetz (EnEfG) werden die Anforderungen an die Energieeffizienz von Rechenzentren in den nächsten Jahren deutlich verschärft. Ab Juli 2027 müssen bestehende Rechenzentren einen PUE-Wert von 1,5 erreichen. Bis Juli 2030 soll dieser Wert sogar auf 1,3 verbessert werden. Diese Zielvorgaben stellen eine erhebliche Herausforderung dar, insbesondere angesichts der Tatsache, dass deutsche Rechenzentren im Jahr 2022 einen durchschnittlichen PUE von 1,55 aufwiesen und insgesamt 12 Mrd. kWh verbrauchten. Um die neuen Standards zu erfüllen, müssen einige Mrd kWh eingespart werden, was eine umfassende Optimierung der bestehenden Infrastruktur und den Einsatz neuer Technologien erfordert.

Herausforderungen und Chancen

Rechenzentren werden häufig auf dem flachen Land errichtet, da die Baukosten dort niedriger sind und mehr Platz für die umfangreichen Anlagen zur Verfügung steht. In Großstädten gestaltet sich die Situation jedoch anders. Hier entstehen Rechenzentralen oft in direkter Nachbarschaft zu Wohngebäuden. Dies bringt besondere Herausforderungen wie den Mangel an ausreichend großen und sinnvoll nutzbaren Arealen sowie hohe Miet- und Nebenkosten, aber auch Chancen mit sich, vor allem im Kontext der Nutzung von Abwärme.

In Stadtstaaten wie Berlin, Hamburg und Bremen ist die Platzierung von Rechenzentren innerhalb der Stadtgrenzen nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll. Ein Rechenzentrum, das außerhalb der Stadt errichtet wird, befände sich automatisch in einem anderen Bundesland, was zusätzliche Genehmigungsverfahren und Abstimmungen zwischen den Regionen erforderlich machen würde. Daher ist es effizienter und pragmatischer, solche Einrichtungen direkt in den urbanen Zentren zu platzieren.

Die Nutzung von Abwärme ist in urbanen Räumen besonders relevant und bietet eine hervorragende Möglichkeit zur Energieeinsparung und zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. In dicht besiedelten Gebieten können Rechenzentren ihre Abwärme effektiv an benachbarte Wohngebäude abgeben, was in ländlichen Gegenden oft nicht möglich ist. Diese Praxis schont nicht nur Ressourcen, sondern erfüllt auch die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) für Besitzer von Mehrfamilienhäusern.

Technik zur effizienten Wärmenutzung

Um die Abwärme aus Rechenzentren effizient zu nutzen, werden spezielle Wärmepumpen auf den Dächern der Rechenzentren installiert. Diese Wärmepumpen sind darauf ausgelegt, die Abwärme-Temperatur von knapp unter 30 °C auf die erforderlichen Vorlauftemperaturen von 70 – 75 °C anzuheben. Diese erhöhte Temperatur ermöglicht die direkte Nutzung der Wärme für die Heizung von Wohngebäuden, wie im Fall des Pallasseums.

Ein großer Vorteil dieser Methode ist die konstante Temperatur der Abluft aus dem Rechenzentrum, die das ganze Jahr über stabil bleibt. Dadurch können die Wärmepumpen mit einer konstanten Last betrieben werden, was nicht nur die Effizienz erhöht, sondern auch den Lärmpegel minimiert. Dies ist in dicht besiedelten städtischen Gebieten ein entscheidender Vorteil und schützt die Anwohner vor zusätzlicher Lärmbelästigung.

Die Technik zeigt, wie durch innovative Lösungen die Nutzung von Abwärme nicht nur möglich ist, sondern auch praktisch und vorteilhaft gestaltet werden kann. Dies macht das Konzept besonders attraktiv für urbane Räume, in denen Platz und Nachbarschaftsverträglichkeit eine wichtige Rolle spielen.

Sondersituation Pallasseum

All diese Faktoren spielten eine entscheidende Rolle für das Projekt Pallasseum. Das Gebäude in Berlin-Schöneberg stellt eine besondere Herausforderung dar, handelt es sich doch um ein denkmalgeschütztes Bauwerk. Die Möglichkeiten für bauliche Veränderungen sind dadurch erheblich eingeschränkt, was eine herkömmliche energetische Sanierung der Gebäudehülle nahezu unmöglich macht. Die äußere Struktur des Gebäudes muss erhalten bleiben, wodurch innovative und kreative Lösungen gefragt sind, um dennoch signifikante Energieeinsparungen zu erreichen und damit den Auflagen des GEG zu entsprechen.

Zentraler Aspekt des Projekts ist daher, Energie zu sparen, ohne die Gebäudehülle zu sanieren. Hier kommt die Nutzung der Abwärme aus dem benachbarten Rechenzentrum ins Spiel. Durch die Implementierung der beschriebenen Wärmepumpentechnik kann die notwendige Heizenergie bereitgestellt werden, ohne dass invasive bauliche Maßnahmen an der denkmalgeschützten Fassade erforderlich sind. Dies ermöglicht es, die energetische Effizienz zu verbessern und den CO2-Ausstoß zu reduzieren, während der historische Charakter des Gebäudes bewahrt wird.

Die Kostenneutralität ist ein weiterer kritischer Faktor bei der Umsetzung dieses Projekts. Die Mieten im Pallasseum sind nicht nur für Berliner Verhältnisse als eher niedrig einzustufen, die finanziellen Möglichkeiten der Mieter sind dementsprechend stark limitiert. Ein neues klimaschonendes Heizsystem muss also wirtschaftlich so gestaltet werden, dass die Mieter keine deutlich höheren Kosten als bei der bisherigen fossilen Lösung tragen müssen.

Durch die Nutzung der konstanten und effizienten Abwärme aus dem Rechenzentrum können die Kosten auf einem stabilen Niveau gehalten werden. Dies ist nicht nur aus sozialer Sicht wichtig, sondern auch, um die Akzeptanz von derartigen Projekten in der Bevölkerung langfristig zu sichern.

Parallelen zum Marienpark

Ein weiteres Projekt der Gasag Solution Plus mit zahlreichen Parallelen zum Pallasseum ist der Marienpark im Süden Berlins, ein wachsendes Innovationsquartier, das ebenfalls von der Abwärme aus Rechenzentren profitiert. Hier wird ein ganzes Gewerbegebiet durch die überschüssige Wärme beheizt, die bei der Kühlung von Servern im Rechenzentrum „Berlin 2“ von NTT Ltd. entsteht. Dieses Vorhaben zeigt, wie die Technologie zur Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren nicht nur auf Wohngebäude, sondern auch auf großflächige Gewerbegebiete angewendet werden kann.

Perspektivisch plant die Gasag Solution Plus, die im Marienpark erzeugte Wärme auch für benachbarte Bestandsimmobilien zu nutzen. Durch den Anschluss dieser Wohngebäude an das Nahwärmenetz können weitere CO2-Emissionen eingespart und die Klimaziele effizienter erreicht werden. Dies ist besonders relevant, da der Altbestand oft einen hohen Energiebedarf hat und durch die Nutzung der Abwärme erheblich zur Dekarbonisierung beitragen kann.

Natürlich gibt es auch bei diesem Projekt technische Hürden zu überwinden. Eine der größten Herausforderungen ist die Anpassung der bestehenden Infrastruktur, um die Abwärme effizient zu integrieren. Es bedarf präziser Planung und modernster Technik, um sicherzustellen, dass die Wärme nicht nur erzeugt, sondern auch effektiv verteilt und genutzt werden kann. Trotz dieser Hürden zeigt der Marienpark, wie innovative Energielösungen in urbanen Räumen nicht nur möglich, sondern auch nachhaltig und wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt werden können.

Fazit

Die Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren stellt eine ressourcenschonende Alternative zu konventionellen Methoden der Wärmeerzeugung dar. Diese innovative Lösung bietet zahlreiche ökologische und ökonomische Vorteile und trägt erheblich zur Reduzierung von CO2-Emissionen bei. Allerdings müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, um diese Technologie sinnvoll und effizient umzusetzen. Besonders in urbanen Gebieten, wo die Nähe zwischen Rechenzentren und Wohn- oder Gewerbegebäuden gegeben ist, entfaltet diese Methode ihr volles Potenzial.

In Städten bietet die Nutzung von Rechenzentrums-Abwärme eine hervorragende Win-Win-Alternative. Sie ermöglicht eine nachhaltige und kosteneffiziente Wärmeversorgung, erfüllt gleichzeitig die gesetzlichen Vorgaben und unterstützt die Dekarbonisierungsziele. Projekte wie das Pallasseum in Berlin-Schöneberg und der Marienpark im Süden Berlins zeigen eindrucksvoll, wie diese Technologie praktisch angewendet werden kann, um sowohl Umwelt- als auch Wirtschaftsanliegen zu erfüllen. Die erfolgreiche Umsetzung solcher Projekte beweist, dass innovative Energielösungen möglich und für die Zukunft unerlässlich sind.

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