Interview mit Donald Appel der Bundesbauabteilung

Bundeswehr-Campus Hamburg: Sanierung und Neubauten nach IPA-Modell mit BIM-Einsatz

Zu Beginn des Jahres berichtete die tab über die geplante Sanierung der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Mit einem Bauvolumen von rund einer Milliarde Euro zählt das Vorhaben, getragen von Bundeswehr und Bundesbau, zu den größten Bauprojekten Deutschlands. Ziel ist die Entwicklung eines klimaneutralen, innovativen und modernen Wissenschaftsstandorts. Welche Rolle dabei die technische Gebäudeausrüstung spielt, wie BIM eingesetzt wird und welche besonderen Herausforderungen zu bewältigen sind, erläutert Donald Appel, Abteilungsleiter in der Bundesbauabteilung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen in Hamburg, im Gespräch mit der tab-Redaktion.

tab: Herr Appel, von wie vielen Neu- und Bestandsgebäuden sprechen wir? Und wie sind die Größenverhältnisse der Gebäude?

Donald Appel, Bundesbauabteilung – Abteilungsleiter sowie leitender Baudirektor.
Bild: Donald Appel

Donald Appel, Bundesbauabteilung – Abteilungsleiter sowie leitender Baudirektor.
Bild: Donald Appel
Donald Appel: Die Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg soll umfassend saniert werden. Im Rahmen der Campusentwicklung auf dem Gelände der Douaumont-Kaserne (DOK) in Hamburg-Jenfeld werden neun neue Gebäude für Forschung und Lehre sowie Aula, Technik und Werkstätten entstehen. Hinzu kommt die Sanierung von zwei Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen: das Hörsaalgebäude H1, bestehend aus sieben Pavillons, sowie die Mensa, bestehend aus zwei Pavillons. Das entspricht einer Fläche von ca. 70.000 m² Neubau und ca. 30.000 m² Bestandssanierung.

tab: Welche weitere Infrastruktur zählt zum Projekt?

Donald Appel: Wir wollen einen neuen Mobility Hub auf dem Campus von weiteren ca. 33.000 m² errichten. Dazu gehören ein Gefahrstofflager, die gesamte Materialanlieferung für das Gelände und eine Packstation. Zur weiteren Infrastruktur zählen aber auch eine zentrale Versorgungseinrichtung mit einer 110 kV Anlage, der Neubau der zentralen Wache, sowie ein Rechenzentrum, Arealstrom-, Nahwärme- und Nahkältenetze.

tab: Auf welchem Niveau werden die TGA-Gewerke saniert? Und inwieweit soll Gebäudeautomation in den Gebäuden berücksichtigt werden? Anmerkung: Das GEG schreibt bei Nichtwohngebäuden seit Anfang 2024 den Einsatz von Gebäudeautomation vor. Kurzum: Wie weit ‚zukunftsorientiert‘ soll hier die Installation der technischen Gebäudeausrüstung stattfinden?

Donald Appel: Da die energetischen Anforderungen bei Bundesgebäuden weit über denen des GEG oder sogar der KfW liegen sind die Gewerke der technischen Gebäudeausrüstung in einem gehobenen Standard unter Berücksichtigung innovativer Lösungen in der Gebäudetechnik. Wobei wir uns darüber hinaus noch an den Vorgaben der Bundeswehr orientieren müssen. Insbesondere das Handbuch Gebäudeautomation (HB GA) spielt dabei eine wichtige Rolle. Das HB GA ist die verbindliche baufachliche Richtlinie der Bundeswehr für die Gebäudeautomation (GA). Sein Hauptziel ist, Planung, Bau und Betrieb von GA-Anlagen in Bundeswehr-Liegenschaften einheitlich, zuverlässig und wirtschaftlich zu gestalten. Dies umfasst das Messen, Steuern, Regeln und Leiten aller automatisierbaren TGA-Anlagen. Es ist ein umfassendes Regelwerk, das detaillierte Vorgaben für den gesamten Lebenszyklus der Gebäudeautomation in der Bundeswehr macht – mit starkem Fokus auf Standardisierung, Interoperabilität, IT-Sicherheit und den Einsatz qualifizierten Personals, um einen zuverlässigen und wirtschaftlichen Betrieb sicherzustellen.

tab: Mit welchen Besonderheiten bzw. Herausforderungen ist für die Fachingenieure der technischen Gebäudeausrüstung zu rechnen?

Donald Appel: Die spannendste Besonderheit des Projekts ist mit Sicherheit die Komplexität und die Größe des Vorhabens. Von der Liegenschaftsversorgung, über den Laborbau bis zu Großversuchsanlagen und dem zukünftigen treibhausgasneutralen Betrieb ist alles dabei. Auch die Anforderungen des Denkmalschutzes im Rahmen der Sanierung stellen eine Herausforderung dar. Eine weitere Besonderheit ist der Umstand, dass der Forschungs- und Lehrbetrieb während der gesamten Entwicklungszeit aufrechterhalten werden sollen.

tab: Im Bereich von öffentlichen Bauvorhaben ist der Einsatz von Building Information Modeling (BIM) im Planungsablauf verpflichtend einzusetzen. Betrifft dies auch hier das gesamte Bauvorhaben? Und welche Anforderungen werden damit an die beteiligten Unternehmen sowohl auf der Seite der Planer als auch der Bauausführung gestellt?

Donald Appel: Ja, BIM wird auch in diesem Bauprojekt in allen Phasen eingesetzt, zumal BIM ein elementarer Bestandteil der Integrierten Projektabwicklung (IPA) ist. Dabei orientieren wir uns an einem BIM-Masterplan für Bundesbauten. Auch in der Projektvorbereitungsphase wurde die BIM-Methode bereits angewendet und zieht sich durch die weiteren Projektphasen. Deshalb zählt die Erfahrung im Umgang mit BIM auch zu den Bewerbungskriterien im Rahmen der Vergabeverfahren. Denn das Ziel ist es, dass die Projektallianz BIM sowohl in der Planungs- als auch in der Ausführungsphase verwendet. Dabei ist ein kontinuierliches Onboarding für alle Partner vorgesehen, um alle auf den gleichen Stand zu bringen. Auch danach wird BIM dem Betrieb zugutekommen, bspw. im Facility Management.

tab: Die Bauzeit ist mit rund zehn Jahren veranschlagt und die Kosten fixiert. Mit welchen Maßnahmen sollen diese Ziele erreicht werden? Zumal aus der Vergangenheit meist bekannt ist, dass es bei so großen Bauvorhaben stets zu Bauzeitenverlängerungen und Kostenerhöhungen gekommen war.

Donald Appel: Wir sind uns der Größe und Komplexität unseres Bauvorhabens sehr bewusst. Deshalb wollen wir in der Abwicklung des Projekts neue Wege gehen und setzen auf ein neues Abwicklungsmodell: die Integrierte Projektabwicklung. Dabei arbeiten Planende, Ausführende sowie die Bauherrenvertretung von Beginn an partnerschaftlich zusammen. Alle Partner einigen sich auf gemeinsame Ziele für Kosten und Termine, wobei Chancen und Risiken vergemeinschaftet werden. Hierdurch kommt es zu einer enormen Kompetenzsteigerung im Projekt und zu einer besseren Handlungsfähigkeit im Sinne „Best for Project“. Somit kann auch die Umsetzung schneller erfolgen als bei herkömmlichen Abwicklungsmethoden. Außerdem können wir durch die Allianz Kommunikationswege verkürzen und Missverständnisse reduzieren. Denn Planende und Ausführende sitzen schon zu Beginn gemeinsam an einem Tisch und können so die Arbeitsweise und Bedürfnisse des jeweils anderen und Dritter besser verstehen. Die integrale Planung ermöglicht so einen reibungsloseren Ablauf, weil die sonst üblichen Brüche zwischen Planung und Ausführung oder zum Auftraggeber vermieden werden können. Beteiligte anderer IPA-Projekte konnten uns bestätigen, dass diese Integration den Erfolgsfaktor der Termin- und Kostenstabilität stärkt.

Wir haben einen IPA-Check speziell für unser Bauvorhaben im Rahmen eines Workshops durchgeführt, der bestätigt hat: Die Abwicklungsart IPA passt perfekt zu unserem hochkomplexen Projekt und zum Bauumfang. Zwar wird diese innovative Abwicklungsform in Deutschland noch sehr selten angewendet, aber es gibt schon einige positive Beispiele, wie das ITZ Bund (Informationstechnikzentrum des Bundes) oder der Bau der neuen Kattwykbrücke in Hamburg. Solche Projekte machen uns zuversichtlich, dass wir mit IPA auch die richtige Methode für die Campusentwicklung DOK gewählt haben. Wir freuen uns, mit diesem neuen Abwicklungsmodell eine Vorreiterrolle im öffentlichen Bauen zu übernehmen und das Bauen nachhaltig zu verändern.

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