Zukunftsfähiges Heiz- und Lüftungskonzept

Effiziente Gebäudesanierung für eine nachhaltige Lernumgebung

Das Gymnasium Neustadt an der Waldnaab wurde umfassend saniert und damit bestmöglich für die Zukunft gerüstet. Mit einem Anteil von 95 % regenerativer Energien an der Wärmeversorgung und moderner Gebäudetechnik setzt es neue Maßstäbe für nachhaltige Schulgebäude. Zum Einsatz kommen u. a. ein neues Fernwärmenetz, eine Hackschnitzel-Heizzentrale, Lüftungsanlage mit Nachtauskühlung und smarte Regelungstechnik.

Das Gymnasium in Neustadt an der Waldnaab wird über mehrere Bauabschnitte generalsaniert. Der etwas dämmrige und in die Jahre gekommene, aber funktionale Rasterbau soll sich zukünftig in die umliegende Natur einfügen und eine moderne Lernatmosphäre bieten. Die Architekten Brückner & Brückner aus Tirschenreuth und Würzburg beschreiben die optische Transformation der Gebäude und den Umbau an der lokalen Geografie: „Ein Lernhaus auf einer Lichtung im Wald, hineinkomponiert in das Gelände, welches über die Jahre dicht bewachsen und von der Natur zurückerobert wurde.“ Zwar war die Ausführungsqualität des 1977 erbauten Gebäudes laut den Architekten an vielen Stellen gut, doch boten undichte Dächer, viele dunkle Räume und ein zugewachsener Innenhof keine optimale Lernatmosphäre. Für die Architekten stellte sich die Aufgabe, die Stärken des Gebäudes zu nutzen und das in die Jahre gekommene Ensemble in einen energetisch, technisch und funktional zukunftsfähigen Ort der Bildung und Begegnung zu verwandeln.

Damit nicht nur das Äußere stimmt, wird die gesamte Versorgungstechnik grundlegend erneuert, um auch im Inneren ein angenehmes Lernklima zu schaffen. Das neue Raumkonzept musste daher im laufenden Schulbetrieb durch eine besonders effiziente TGA ergänzt werden, die modernen Anforderungen an Energieeffizienz und Raumluftqualität genügt. In diesem Zuge wurde Gammel Engineering GmbH aus Abensberg vom Landkreis in einem Vergabeverfahren mit den Planungsleistungen für die Heizung, Lüftung, Mess-, Steuer- und Regeltechnik beauftragt.

Umfassende Wärmeversorgung

„Dass auch die Energieversorgung bei modernen öffentlichen Gebäuden auf einem zukunftsfähigen Niveau liegen muss, steht außer Frage“, sagt Michael Gammel, Geschäftsführer von Gammel Engineering. „Daher haben wir bereits einige Zeit vor der eigentlichen Sanierung eine umfassende Bestandsaufnahme durchgeführt und im Auftrag des Landratsamtes Neustadt an der Waldnaab ab dem Jahr 2014 das Wärmeversorgungskonzept für den gesamten Schulberg erarbeitet.“ Das Gymnasium bildet nur einen von insgesamt sieben Liegenschaften aus Schul- und Verwaltungsgebäuden, die auf Vorschlag von Gammel über ein ebenfalls neu angelegtes Fernwärmenetz von einer Hackschnitzel-Heizzentrale versorgt werden. Diese deckt den Bedarf an Energie für Wärme und Brauchwasser über den heimischen Energieträger ab und substituiert den Verbrauch von ca. 500.000 l Heizöl jährlich. Hier ist zum einen ein Stufenrostkessel mit 1.700 kW Nennwärmeleistung untergebracht. Als Biomasse kommt ausschließlich regionales naturbelassenes Wald- oder Sägerestholz zum Einsatz. Andererseits verfügt die Zentrale über einen Heizöl-Spitzenkessel mit einer Leistung von 2.900 kW und einem Pufferspeicher mit 70 m3 Speichervermögen. Zeitgleich zur Realisierung des Wärmedienstleistungsmodells begann die Sanierung des Gymnasiums.

Ressourcenschonend sollte sich die Versorgung und der Umbau selbst gestalten. Konkret hieß das, möglichst viel vom Bestandsgebäude des Gymnasiums zu erhalten, kritische Materialien zu entsorgen und das neue Energiekonzept nach dem aktuellen Stand der Technik umzusetzen. Die Gebäude wurden über das Fernwärmenetz des Schulcampus an die neue Hackschnitzel-Energiezentrale nebenan angeschlossen. Hierzu wurden zweifach-gedämmte Kunststoffmantelrohre auf einer Länge von ca. 1,8 km verlegt, wobei der Ausbau auf weiteren 1,8 km möglich ist. Dem Anspruch moderner Technik in den Räumen wurde z. B. mit Heizkörpern entsprochen, die über unterputz verlegte Edelstahl-Pressfitting-Rohre an das Zweirohrsystem angebunden sind und auf Systemtemperaturen von 60/40 °C ausgelegt sind. Sie sind farblich an die räumliche Gestaltung angeglichen. Die Befestigungselemente sind in derselben Farbe wie die Heizkörper ausgelegt, womit sie sich auch optisch in die Raumgestaltung einfügen. Um die Energieverteilung zu optimieren, wurde eine adaptive Einzelraumregelung implementiert. „Temperatur-Sollwerte werden nun zentral über den Hausmeister vorgegeben. Jeder Raum wird visualisiert und abhängig von den Nutzungs- und Stundenplänen individuell mit Wärme versorgt“, erläutert Gammel.

Flexible Frischluft intelligent gesteuert

Ähnlich flexibel lässt sich die Versorgung mit Frischluft steuern. Zwei getrennte Systeme sorgen über eine Luftmengenregulierung mit integrierter automatischer CO2-Messung und Begrenzung für eine hohe Raumluftqualität. „Hierfür wurde bewusst auf eine projektspezifisch gefertigte und montierte Anlage anstatt auf ein Standardgerät gesetzt, um eine bessere Integration in den Bestand zu ermöglichen“, ergänzt Gammel. Die einzelnen Klassenräume belüftet nun das Gerät „AL-KO Air AT4-F 41x20“ im Erdgeschoss über Zu- und Abluftkanäle mit ca. 31.000 m³/h. Dabei gewinnt ein Rotationswärmetauscher Wärme und Feuchte aus der Abluft zurück, sodass die Luft im Winter nicht zu trocken wird. Der Temperaturgrundbedarf in den einzelnen Räumen wird wiederum über Heizregister 60/40°C und ein Zeitprogramm gesteuert. „Wir haben auch beim Thema Lüftung auf ein smartes Konzept gesetzt, das dezent im Hintergrund arbeitet und auch über lange Schultage hinweg eine optimale Raumluftqualität gewährleistet“, sagt Gammel. Somit arbeitet das System im stetigen Regelbetrieb und sorgt für einen regelmäßigen Luftaustausch. Daher werden die Luftmengen je nach Belegung abhängig vom CO2-Gehalt der Abluft über einen Volumenstromregler verändert. Dieser sorgt 24 Stunden lang dafür, dass der minimal notwendige Volumenstrom aufrechterhalten wird, sobald die CO2-Konzentration über 1000 ppm (Teile pro Million) steigt, sodass sich die Konzentration wieder reduziert. Das zentrale Lüftungsgerät wiederum sichert über die drehzahlgeregelten Ventilatoren den Bedarf aller Einzelräume, indem es den Druck im Kanalsystem konstant hält.

Darüber hinaus beinhaltet das Regelungskonzept für das Schulgebäude eine Nachtauskühlung während der Sommermonate, um die Innenräume energieeffizient zu kühlen. Das Zentralgerät wurde so konzipiert, dass es ein Leerteil für eine mögliche Nachrüstung einer mechanischen Kühlung oder Klimatisierung enthält. Dies bietet die Flexibilität, in Zukunft ein Kühlsystem zu integrieren, das auf regenerativen Energien basiert, wie z. B. eine Photovoltaikanlage (PV) in Kombination mit einer Inverter-Kältemaschine. Die Entscheidung einer Nachrüstung hängt u. a. von der weiteren Entwicklung der Temperaturverläufe im Sommer ab. Sollten die Sommer zunehmend heißer werden, wird dies eine nachhaltige und umweltfreundliche Lösung zur Kühlung des Gebäudes ermöglichen, die sowohl den Komfort als auch die Energieeffizienz verbessert.

Da die Architekten die WC-Kerne konsequent übereinander und damit für die technische Ausrüstung integral geplant haben, kann deren Be- und Entlüftung über zwei zentrale „Exhausto V270 HL1 EBX2“-Lüftungsgeräte mit jeweils ca. 5.000 m³/h im Dachgeschoss erfolgen. Wie das Versorgungssystem für die Klassenräume sind auch diese Lüftungsgeräte mit einem Wärmetauscher zur Wärmerückgewinnung ausgestattet und zur Energieoptimierung in das Gesamtregelungskonzept eingebunden – sowohl über ein Zeitprogramm als auch bei Bedarf über die elektronische Steuerung.

Betriebssicherheit sensibler Elektronik

Von dem Lüftungs- und Versorgungskonzept profitieren aber nicht nur die Klassen- und Sanitärräume. So wird z. B. auch die Abluft aus den Chemikalienschränken der Labore kontinuierlich abgesaugt, damit sich keinerlei Gefahrstoffe ansammeln können. Außerdem werden fünf Digestorien (Abzüge) bedarfsabhängig über die MSR-Anlage überwacht, angesteuert und so eventuelle Störfälle direkt gemeldet. Neben den Laboren sind die Serverräume besonders wichtig für den modernen Schulbetrieb. „Deren Temperatur muss unter 26 °C gehalten werden, um Betriebssicherheit und Langlebigkeit der sensiblen Elektronik zu gewährleisten“, erklärt Gammel. Für die Kühlung sorgen hier zwei redundante Außenwand-Monoblock-Kältemaschinen mit einer Leistung von jeweils 2,75 kW.

95 % regenerative Wärme­energie

Der Umbau des Hauptgebäudes konnte Ende 2023 abgeschlossen werden. Wenn jetzt das Gymnasium betreten wird, sind lichtdurchflutete Räume in warmen und hellen Farben zu sehen. Heizung und Lüftung fügen sich dezent und nahtlos in die Raumkonzepte ein, anstatt zuvor wie angeflanschte Fremdkörper zu wirken. Die von Gammel Engineering geplante Energietechnik bildet einen integralen Bestandteil, der die Vision der Architekten auch in der technische Gebäudeausrüstung Realität werden ließ. Nicht zuletzt durch den Anteil von 95 % regenerativer Energien an der Wärmeversorgung des Gymnasiums ist der Gebäudekomplex nun auch versorgungstechnisch gewappnet für die Zukunft. Nach dem Abschluss des zweiten Bauabschnitts zeigten sich die Bauverantwortlichen zufrieden: „Ein Projekt, das reflektiert – auf vielen Ebenen: das Licht, die Natur, den Umgang mit Bestandsbauten oder auch das Lernen.“ Aktuell betreut das Gammel Engineering-Team den dritten Bauabschnitt, der auch die Mehrzweckhalle der Schule umfasst.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2016 BHKW des Jahres

Im Gespräch mit Michael Gammel

tab: Eine Anerkennung der Arbeit ist wichtig. Wie sehr freuen Sie sich über die Auszeichnung? Michael Gammel: Das Projektteam hat bei Osram am Standort Eichstätt eine vorbildliche...

mehr
Ausgabe 03/2019

Versorgungskonzept für Vaterstetten

Wege zur Erreichung ambitionierter Energieziele

Vorbemerkung Kommunale Klimaschutzkonzepte und Energienutzungspläne enden üblicherweise mit der Ausweisung von Potentialgebieten für netzgebundene Wärmeversorgung und einer groben...

mehr
Ausgabe 09/2017

TGA im Plan

Neubau eines Automobilzulieferers

Lediglich ein dreiviertel Jahr dauerte die Planungsphase für das neue Werk in der Oberpfalz, Ende 2013 begannen die Bauarbeiten. Im November 2014 konnte dann bereits die Produktion gestartet werden....

mehr
Ausgabe 12/2024

Fossilfreie PVT-Wärmeversorgung

Zukunftsfähige Energiesysteme für den Jahreswärmebedarf eines Wohngebäudes

In Zeiten zunehmender Unsicherheit über die Verfügbarkeit und die Preisstabilität von Energie wünschen sich immer mehr Bauherren zukunftsfähige Lösungen, die gleichzeitig lokal, fossilfrei und...

mehr