Wie brandschutzoptimierte „Kabel“ die Gebäudesicherheit verbessern
Anforderungen, Klassifizierung und PrüfverfahrenDas Brandrisiko von Gebäuden wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dazu zählen die verwendeten Bauprodukte und die in ihnen enthaltene Art und Menge an brennbaren Stoffen. Der Einsatz von feuerbeständigen Materialien dient dazu, Brände zu verhindern, zu kontrollieren oder zumindest einzudämmen. Das betrifft auch Leitungen aller Art. Nur wenn diese entsprechend klassifiziert und geprüft sind, können sie einen wirksamen Beitrag zum vorbeugenden Brandschutz leisten.
Werden leicht entflammbare Materialien oder große Mengen brennbarer Substanzen verbaut, steigt das Brandrisiko. Ebenso wird die Ausbreitung von Feuer und Rauch begünstigt. Für Baumaterialien aller Art gelten deshalb Brandschutzvorschriften und aus ihnen abgeleitete Klassifizierungen. Die Europäische Union hat mit der Bauprodukteverordnung Nr. 305/2011 (Europäische Bauprodukteverordnung, EU-BauPVO) einen rechtlichen Rahmen für die Anforderungen an Bauwerke sowie die wesentlichen Qualitätsmerkmale für Baustoffe vorgegeben. Die Verordnung legt auch einheitliche Prüfstandards fest, die fortlaufend weiterentwickelt und an neue Anforderungen angepasst werden. Sie werden dazu verwendet, die Leistungskriterien von Bauprodukten nachzuweisen und sicherzustellen, dass sie bestimmten Sicherheitsstandards in Gebäuden entsprechen. Diese Verfahren umfassen u. a. Tests zur Bewertung der Brennbarkeit, Rauchentwicklung, mechanischen Festigkeit und eine Vielzahl weiterer Leistungskriterien.
Leitungen für die Gebäudesicherheit
Leitungen, die fest in Gebäuden installiert werden, sind gemäß der EU-BauPVO als Bauprodukte eingestuft. Sie müssen seit 2017 auf ihr Verhalten im Brandfall geprüft, bewertet und zertifiziert werden. Das gilt für Kabel in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen, wie z. B. Starkstromkabel und -leitungen, Steuer- und Kommunikationskabel (Cu-Datenkabel, Lichtwellenleiterkabel). Diese Regelung gewährleistet, dass die in Gebäuden verwendeten Leitungen bestimmte Sicherheitsstandards erfüllen und im Brandfall dazu beitragen, die Ausbreitung des Feuers zu verlangsamen. Die Prüfung und Zertifizierung von Leitungen nach der EU-BauPVO spielt somit eine bedeutende Rolle für die Sicherheit und den Brandschutz in Gebäuden.
Kriterien und Klassifizierung auf das Brandverhalten
Die EU-BauPVO umfasst zwei wichtige Normen, die für die Bewertung und Klassifizierung des Brandverhaltens von Leitungen relevant sind: EN 50575 und EN 13501-6 (s. Tabelle 1). Die Norm EN 50575 legt die Anforderungen an die Leistung von Leitungen im Brandfall sowie die erforderlichen Prüf- und Bewertungsverfahren fest. Um das Brandverhalten von Leitungen zu bewerten, werden verschiedene Brandprüfmethoden angewendet. Die Klassifizierung der Leitungen orientiert sich an Parametern wie Flammenausbreitung, Rauchentwicklung, Wärmefreisetzung und dem Säuregrad der Leitungsmaterialien.
Die Norm EN 13501-6 klassifiziert dagegen Leitungen hinsichtlich ihres Beitrags zum Brandverlauf. Anhand dieser Klassifizierung können Leitungen ihrem Brandverhalten entsprechend in verschiedene Klassen eingeteilt werden, wie z. B. die Klassen A1, A2, B, C, D, E und F. Die Brandklasse einer Leitung gibt an, wie es sich im Brandfall verhält und wie effektiv es zum Brandschutz beiträgt. Die für die Einstufung relevanten Eigenschaften sind bspw. eine geringe Flammenausbreitung, eine niedrige Rauchentwicklung oder keine Freisetzung von brennenden Tröpfchen. Sie können die Ausbreitung von Bränden verlangsamen und dadurch die Sicherheit von Personen und Gebäuden gewährleisten.
Kabelbrandschutzklassen und ihr Einsatz in Gebäuden
Strenge Brandschutzbestimmungen für Gebäude betrifft bspw. Leitungen der Kabelbrandschutzklasse Cca, insbesondere für den Einsatz in Rechenzentren und Leitungen mit höchster Leistungsanforderung der Kabelbrandschutzklasse B2ca zum Einsatz in öffentlichen Gebäuden wie Kitas oder Schulen. Tabelle 2 schlüsselt auf, wie sich die Kabelbrandschutzklasse auf das Verhalten im Brandfall auswirkt und welche Leistungsfähigkeit der Kabel damit verbunden ist. Die Einordnung basiert auf den Anforderungen und Parametern jeder Kabelbrandschutzklasse.
Leitungsbrandverhalten entsprechend EN 50399
Ein Leitungsbrand ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren, darunter die Materialbeschaffenheit, das Sauerstoffangebot und thermische Wechselwirkungen. Diese beeinflussen die Branddynamik und damit Flammausbreitung, Rauchentwicklung und Wärmefreisetzung. Ein Beispiel ist die Luftströmung in der EN-50399-Prüfkammer (s. Infokasten): Sie muss stabil und exakt eingestellt sein, da schon geringe Abweichungen das Prüfergebnis verändern können – vergleichbar mit der Luftzufuhr in einem Kamin. Nur unter konstanten Bedingungen sind verlässliche und reproduzierbare Testergebnisse möglich, die ein realistisches Bild des Leitungsbrandverhaltens liefern.
Die Leistungskriterien zur Bewertung des Leitungsbrandverhaltens in der EN 50399-Prüfmethode sind praxisorientiert und spiegeln den Brandverlauf eines realen Leitungsbrandes im Gebäude wider. Hierzu werden die vertikale Flammenausbreitung (FS) sowie Wärme- und Rauchfreisetzung während des Leitungsbrandes gemessen und bewertet, wie in Abbildung 1 dargestellt ist.
Kabel-Auswahl mit EN 50399
Untersuchungen des Brandverhaltens von Leitungen gemäß EN 50399 sind sehr komplex und stellen hohe Anforderungen an die Prüflabore. Neben der präzisen Einhaltung der vorgeschriebenen Prüfparameter und -bedingungen ist auch eine sorgfältige Auswahl und Vorbereitung der Proben von großer Bedeutung. Dies ist entscheidend, um aussagekräftige und verlässliche Ergebnisse für die Bewertung von Leitungen zu erzielen. So war mithilfe eines vereinfachten Leitungsaufbaus eine gute Reproduzierbarkeit von Prüfergebnissen im Prüflabor nachweisbar. Diese hohe Reproduzierbarkeit ist ein Indikator, dass die durchgeführten Tests und Messungen zuverlässig und konsistent sind. Das schafft Vertrauen in die Richtigkeit der Ergebnisse. Die Resultate der EN 50399-Prüfung helfen TGA-Fachplanern bei der Auswahl geeigneter Leitungen für den Einsatz für verschiedene Anwendungen, insbesondere in Bereichen mit erhöhten Brandschutzanforderungen.
Mehr Sicherheit durch höhere Anforderungen
Die genannten Normen sind nicht statisch, sie müssen regelmäßig an neue Anforderungen angepasst werden. Daher werden demnächst zusätzliche Anforderungen für Leitungen mit Funktionserhalt in die Norm EN 50575 aufgenommen. Zu diesen zählen Energie- und Kommunikationsleitungen, die als Sicherheitsleitungen in Gebäuden und Bauwerken mit hoher Personen- oder Sachwertkonzentration eingesetzt werden. Im Brandfall ist es von entscheidender Bedeutung, die Kontrolle über die Strom- und Signalversorgung in sicherheitsrelevanten Bereichen aufrechtzuerhalten. Dazu gehören insbesondere Personenaufzüge mit Brandfallsteuerung, Brandmelde- und Rauchabzugsanlagen. Leitungen mit hohem Flammenschutz und solche mit Funktionserhalt verbessern den Brandschutz in Gebäuden – dieser Schutz wird durch die neuen Anforderungen der Norm weiter erhöht.
Durch die Fähigkeit, die Brandeigenschaften von Materialien und Leitungen unabhängig zu untersuchen und zu bewerten, können Hersteller umfangreiches Wissen, eine Fülle von Daten gewinnen und langjährige Erfahrungen sammeln. Das ist ein wesentlicher Vorteil und die Grundlage für die zielgerichtete Weiterentwicklung von Leitungen, um dadurch die Qualität sowie die Brandsicherheit kontinuierlich zu verbessern. Die Leitungen sollen dazu beitragen, den Gebäudebrandschutz zu erhöhen und somit im Falle eines Brandes mehr Sicherheit für Menschen und Sachwerte schaffen.
Entwicklung von flammgeschützten Leitungen
Leitungen bestehen in ihrer Konstruktion aus organischen Materialien und Elementen – das macht sie anfällig für Brände. Die Verwendung von flammgeschützten Materialien im Leitungsaufbau kann variieren und hat Auswirkungen auf das damit verbundene Brandrisiko. Bei einem Gebäudebrand kann sich das Feuer über brennende Leitungen im Inneren des Gebäudes auf andere Etagen oder benachbarte Räume ausbreiten, sofern keine geeigneten Brandschutzmaßnahmen wie z. B. Brandschotts wirken. Während eines Leitungsbrandes besteht eine zusätzliche Gefahr, da brennende Tröpfchen zu Boden fallen und dadurch zusätzlich Brandherde entstehen können.
Unternehmen wie z. B. Corning arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung der Brandschutzeigenschaften von Glasfaserleitungen, um das Brandrisiko weiter zu minimieren. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung und dem Einsatz neuer Materialien mit verbesserten Flammschutzeigenschaften, um die Flammenausbreitung und Rauchentwicklung effektiv zu reduzieren. Darüber hinaus ist es notwendig, halogenfreie Materialien zu verwenden, um den Anteil an toxischen Gasen und Rauch im Brandfall zu minimieren. Ziel ist es, Leitungen von herausragender Qualität zu entwickeln, die den hohen Anforderungen von Kunden ebenso gerecht werden wie den strengen Brandschutzbestimmungen für Gebäude.
Interne Brandprüfungen
Die EU-BauPVO regelt auch die Durchführung von Brandprüfungen. Sie schreibt vor, dass die Bewertung des Brandverhaltens von Bauprodukten durch autorisierte Prüfstellen erfolgen muss, auch bekannt als Notifizierte Stelle (Notified Body, NB). Am Standort Berlin betreibt Corning ein modernes Brandprüflabor, in dem umfassende Untersuchungen zur Charakterisierung der Brandeigenschaften von Materialien und Leitungen durchgeführt werden. Sie ermöglichen wertvolle Erkenntnisse über die Brandprüfmethoden und das Brandverhalten von Leitungen. Die wichtigste Prüfmethode zur Untersuchung und Bewertung des Brandverhaltens von Leitungen ist die Brandprüfung nach Prüfnorm EN 50399. Sie gibt Auskunft, wie eine Leitung auf Feuer reagiert, während dieses einer definierten Flammenleistung (20.5 kW) ausgesetzt ist.
Für TGA-Ingenieure und Planungsbüros ergibt sich daraus die Empfehlung, bei der Auswahl von Leitungen nicht nur auf die formale Zertifizierung zu achten, sondern auch auf die Klassifizierung – insbesondere bei Anwendungen mit erhöhten Anforderungen an Personensicherheit oder Funktionserhalt. Der Abgleich mit Prüfberichten nach EN 50399 kann helfen, realitätsnahe Rückschlüsse auf das Verhalten im Ernstfall zu ziehen und fundierte Entscheidungen für den Brandschutz zu treffen.