non est faciendum quod fieri non debet
(lat. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf)
Der Bundesgerichtshof hat am 10. Januar 2013 unter dem Aktenzeichen VII ZR 110/11 einen bemerkenswerten Beschluss gefasst. Mit diesem Beschluss wies der Bundesgerichtshof eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen ein Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm vom 12. April 2011, AZ 24 U 29/09, zurück mit der Rechtsfolge, dass dieses Urteil rechtskräftig geworden ist.
Worum ging es in folgendem Fall? Ein Auftraggeber beauftragte eine Auftragnehmerin bei einem Bauvorhaben mit der Lieferung und Montage der Kälte-, Sanitär- und Heizungstechnik. Die Auftragnehmerin ging im Zuge der Baumaßnahme in Insolvenz. Die Rechtsnachfolgerin des insolventen Unternehmens wurde vom Auftraggeber mit der Fertigstellung der oben angeführten Arbeiten beauftragt.
Der Auftraggeber beauftragte damit in Kenntnis des Sachverhaltes eine Auftragnehmerin, deren ursprüngliche Rechtspersönlichkeit insolvent geworden war. Die Auftragnehmerin und hiesige Klägerin stellte das Bauvorhaben fertig und verlangt nunmehr unter anderem Kosten für Bauzeitverlängerung. Die Bauzeitverlängerung ist unter anderem deshalb entstanden, weil das Vorgängerunternehmen der Klägerin ein Insolvenzverfahren beantragt hat. Der Bundesgerichtshof begründet seinen Beschluss zur Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, der zur Rechtskraft des die Klage abweisenden Urteils des Oberlandesgerichtes Hamm führt, wie folgt:
Bei einem VOB-Vertrag – wie in vorliegendem Fall – umfasst das einseitige Anordnungsrecht des § 1 Abs. 3 VOB Teil B nicht die Befugnis des Auftraggebers, einseitig das Vertragssoll hinsichtlich der Vertragstermine zu ändern. Befolgt ein Auftragnehmer dennoch eine solche einseitige Terminänderung, so steht ihm grundsätzlich ein Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 5 VOB Teil B zu. Ein solcher Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB Teil B stehe dem Auftragnehmer jedoch nur dann zu, wenn der Auftraggeber hinsichtlich seiner vertragsändernden Anordnung diese mit Rechtsbindungswillen abgegeben habe. Fehle es am Rechtsbindungswillen, so fehle es an einer Anordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB Teil B mit der Folge, dass dem Auftragnehmer kein Mehrvergütungsanspruch hieraus zustehe. Ein Rechtsbindungswille des Auftraggebers sei jedoch nur dann anzunehmen, wenn die Umstände, welche die Ursache für die bauzeitverschiebende Anordnung sind, aus der Sphäre des Auftraggebers kommen. Kommen die Ursachen für die bauzeitändernden Anordnungen nicht aus der Sphäre des Auftraggebers, ja stammen sie vielleicht aus der Sphäre des Auftragnehmers, so fehle ein entsprechender Rechtsbindungswille aufseiten des Auftraggebers; und damit wird das Vertragssoll hinsichtlich der Termine zwar geändert, jedoch steht dem Auftragnehmer kein Mehrvergütungsanspruch zu.
Dem unbefangenen Betrachter drängt sich hier der Verdacht auf, dass das Gericht vom Ergebnis her argumentiert hat und nicht eine Entscheidung traf unter Anwendung der einschlägigen Vorschriften. Es scheint so, dass der Bundesgerichtshof es nicht akzeptiert, dass ein Unternehmen in Insolvenz geht und eben dieses Unternehmen die eigene Insolvenz als Begründung für Mehrkostenansprüche benutzt (weil nicht sein kann, was nicht sein darf). Es fällt in diesem Zusammenhang darüber hinaus auf, dass der Bundesgerichtshof sich nicht mit der Frage auseinandersetzt, dass es sich hier um zwei rechtlich unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten handelt, nämlich die ursprüngliche Auftragnehmerin, die insolvent geworden war, und eine neue Rechtspersönlichkeit, die zwar mit den Betriebsmitteln des insolvent gegangenen Unternehmens weiterarbeitet, jedoch eine eigenständige, neu entstandene Rechtspersönlichkeit darstellt.
Das Problem für einen Auftragnehmer in dieser Situation ist jedoch, dass in vielen Fällen der Auftragnehmer gar keine Kenntnisse von den internen Vorgängen auf Auftraggeberseite hat und insoweit auch nicht beurteilen kann, ob die Umstände für die Bauzeitverschiebung aus der Sphäre des Auftraggebers kommen, insbesondere auch deshalb, weil sich der Bundesgerichtshof mit seiner Argumentation sehr nahe zum Verschulden hinbewegt.
Dies würde bedeuten, dass der Auftragnehmer für jeden einzelnen Umstand einer Bauzeitverschiebung den Nachweis führen müsste, dass der Auftraggeber schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig diese Ursache herbeigeführt hat.
Da der Auftragnehmer hierzu regelmäßig nicht in der Lage ist, stellt der Bundesgerichtshof ihn gleichsam rechtlos, da er, um seine Werkleistung fertigstellen und seinen Werklohn nach Abnahme derselben verlangen zu können, das Bauvorhaben weiterführen muss, ohne dass er die Möglichkeit hat, hieraus entstehende Mehrkosten erfolgreich beim Auftraggeber geltend zu machen.
Interessant ist jedoch, dass der Bundesgerichtshof feststellt, dass das einseitige Anordnungsrecht des § 1 Abs. 3 VOB Teil B nicht das Anordnungsrecht hinsichtlich der Verschiebung von Terminen enthält.
Rechtsfolge davon ist, dass der Auftraggeber, möchte er die Termine des laufenden Bauvorhabens ändern, mit dem Auftragnehmer in Verhandlungen treten muss, um eine Vertragsänderung mit ihm zu vereinbaren.
Der Auftragnehmer ist daher in Zukunft gezwungen, jede Anordnung des Auftraggebers hinsichtlich der Verschiebung der Termine zum Anlass zu nehmen, einen Mehrvergütungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach zu vereinbaren, möchte er seines Anspruchs auf die Mehrkosten nicht verlustig gehen.
Ein solches Verhalten, zu dem der Auftragnehmer zur Wahrung seiner eigenen Rechte greifen muss, wird sicherlich nicht dazu führen, dass Bauvorhaben künftig mit weniger Konflikten abgewickelt werden.