Wirtschaftsrechtliche Compliance
Kartellrecht im Mittelstand und seinen Verbänden

Kartellrecht im Mittelstand und seinen Verbänden

Viele der Leser dieses Magazins sind Unternehmer, die als Inhaber oder Geschäftsführer in Unternehmensverbänden organisiert sind. In diesem Rahmen organisierte Arbeitskreise und Konferenzen sind Gelegenheiten sich zu treffen und auszutauschen.

Wichtig ist, hierbei die Regeln des Kartellrechts im Auge zu behalten. Ein Informationsaustausch unter Firmenvertretern, die im Wettbewerb stehen, kann unproblematisch sein, schnell aber die Grenze des Verbotenen überschreiten. Hierbei gilt: je sensibler und aktueller eine Information ist, desto eher wird sie im kartellrechtlichen Sinne problematisch sein. Regelmäßig als sensibel einzustufen sind alle Informationen – sofern sie nicht erkennbar veraltet sind - über die Preisgestaltung und Preisstrategie, sowie über das Verhalten in Bezug auf den Markt (insbesondere Regionen, Kundenkreise). Aber auch der Austausch individueller und konkreter Verkaufs- und Zahlungsbedingungen, Rabatte, Gestehungskosten und Produktionsmengen kann bereits als Absprache gelten.

Die Vertrautheit der Diskussionsteilnehmer einer Veranstaltung muss zu einer erhöhten Vorsicht aller Anwesenden und des Veranstalters mahnen, da Bemerkungen, die für Außenstehende irrelevant scheinen, für den Insider bereits durchaus interessant sein und damit gegen das Verbot der wettbewerbswidrigen Absprache verstoßen können. Dazu ist nicht die ausdrückliche Erwähnung von Tatsachen nötig. Auch die durch Handzeichen oder Verhaltensweisen eingeübte Verständigung ist in kartellrechtlichen Fällen nicht unbekannt. Dass es nicht auf den erzielten Erfolg einer Absprache ankommt, sondern schon die beabsichtigte Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs verboten ist, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben.

Die allgemein in der Corporate Compliance zu beobachtende zunehmende Verfolgungsintensität und Aufrüstung des personellen und technischen Potentials bei den entsprechenden Behörden des Bundes (und der EU) gilt auch für das Kartellrecht. Und das betrifft nicht nur die Großindustrie, deren Fälle regelmäßig in den Medien auftauchen, sondern auch den Mittelstand. Hinzu kommt die dem Kartellrecht eigene Besonderheit der Kronzeugenregelung, die im Falle rechtswidrigen Verhaltens, den „verschworenen“ Verbandskollegen von heute zum Hauptbelastungszeugen von morgen machen kann, der jedoch straffrei ausgeht. Hier lässt sich mit böser Absicht auf eine ganz andere Art und Weise der Wettbewerb beeinflussen, zwar legal, aber nicht minder fragwürdig.

Für Verbände, deren Organe und Geschäftsführungen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, zwischen dem berechtigten Zweck eines Verbandes, Informationen an seine Mitglieder zu vermitteln und diesen eine Plattform zu bieten und dem – wenn auch ungewollten – Angebot eines Forums zur rechtswidrigen Absprache zu trennen. Auch der Verband haftet für die Einhaltung geltenden Rechts. Die Erfüllung klassischer Verbandsaufgaben wie Marktforschung oder Erhebung von Preisindices und Statistiken wandelt ebenfalls auf dem Grat zwischen Information und Marktbeeinflussung. So kann ein Erfahrungsbericht zu einem bestimmten Produkt bereits wettbewerbsbeschränkend  oder als Boykottaufruf gelten, wenn in wertender Weise konkrete Vorzüge oder Nachteile benannt werden. Aus Sicht des Verbands ist hier also Vorsicht geboten. Andererseits ist aus staatlicher Sicht darauf zu achten, dass keine unverhältnismäßige Strenge und damit unberechtigte Kriminalisierung eines Verbands und seiner Mitglieder stattfindet.

Angesichts der saftigen Geldbußen und möglichen Schadensersatzforderungen, die bei Kartellrechtsverstößen drohen, lautet die Empfehlung daher: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“.

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