Kommentar

Neue Arbeitswelt

Schon Anfang der 1980er-Jahre formulierte Frithjof Bergmann sein Konzept „New Work“ und forderte einen radikalen Wandel der Arbeitswelt. Der in Sachsen geborene und in den Vereinigten Staaten lebende emeritierte Professor für Philosophie und Anthropologie beschäftigte sich seinerzeit mit einer Antwort auf die Umwälzungen, die die Automatisierungsprozesse in der amerikanischen Automobilindustrie hervorriefen. Bergmanns Idee war es unter anderem, dass – statt massenhafter Entlassungen – die Arbeit aufgeteilt werden solle. So sollte es etwa möglich sein, dass jeder Arbeiter sechs Monate in die Fabrik geht und sich in der anderen Jahreshälfte seinen „Leidenschaften“ widmen könne.

Die dahinterstehende Idee Bergmanns war indes nicht, lediglich Müßiggang und Spaß zu propagieren. Er stellte vielmehr die Frage nach dem Sinn der Arbeit. Herausgefunden werden solle, wie man arbeiten möchte und was einen erfüllt.

Die Abkehr von traditionellen Regeln der Arbeitswelt ist bereits seit einiger Zeit durch neue Technologien und gewandelte Werte greifbarer denn je. Im vergangenen halben Jahr haben alternative Formen der Zusammenarbeit gegenüber der persönlichen Zusammenkunft erzwungenermaßen noch einmal einen zusätzlichen Schub bekommen.

Homeoffice statt Büro

Das ifo-Institut hat kürzlich in einer Studie festgestellt, dass drei Viertel der Unternehmen in Deutschland im Zuge des Umgangs mit der Covid-19-Pandemie Teile ihrer Belegschaft ins Homeoffice geschickt haben.

Für viele Unternehmen ist das mit beträchtlichen Investitionen in digitale Infrastruktur und neue Kommunikationstechnologie einhergegangen. Diese Neuorganisation der Arbeit wird daher aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vollständig rückgängig gemacht werden. Knapp über die Hälfte der Unternehmen in Deutschland will der Studie des ifo-Instituts zufolge Homeoffice dauerhaft stärker etablieren. Dass Jobs in Zukunft vollständig ins Homeoffice verlagert werden, dürfte dennoch die Ausnahme bleiben. Zum einen weiß man, dass der Mangel an sozialen Kontakten im Homeoffice dauerhaft eine Belastung darstellen kann, zum anderen lassen sich kreativer Austausch und der Transfer von Ideen und Wissen nicht vollständig ins Digitale verlagern. Wahrscheinlicher ist es daher, dass sich hybride Arbeitsmodelle zwischen Präsenzarbeit und Homeoffice durchsetzen werden. Durch sie lassen sich die Vorzüge von Autonomie und Flexibilität im Homeoffice und die des sozialen Austauschs im Betrieb vereinen. 

Aber nicht nur die Präsenzkultur und 9-to-5 werden in Frage gestellt. Veränderungen ergeben sich etwa auch aus dem Fachkräftemangel. Arbeitgeber stellen sich immer mehr auf neue Ansprüche ihrer (potentiellen) Arbeitnehmer ein und erproben auch insofern neue Arbeitskulturen. Die beispielhaft angeführte Arbeit von zuhause ist auch nur eine der vielen Ausprägungen einer neuen Arbeitswelt und auch nicht für jeden Tätigkeitszuschnitt geeignet.

Veränderungen brauchen Zeit und Transparenz

Der Wandel der Arbeitswelt bringt gleichermaßen große Herausforderungen und große Chancen. Frithjof Bergmann, der immer noch große amerikanische Unternehmen wie General Motors, Ford und Chrysler berät, ist überrascht, wie aktuell seine Thesen noch sind.

Dauerhaft erfolgreich werden veränderte Rahmenbedingungen der Arbeitswelt nur dann sein, wenn nicht nur Prozesse entwickelt werden, sondern auch die Menschen sich entwickeln. Management und Mitarbeiter müssen sich auf die Veränderungen einstellen und sie mittragen. Das braucht nicht in erster Linie gesetzliche Ansprüche, sondern Verständigung, Zeit und Transparenz.

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.

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