Stress und Erkrankungen im Homeoffice vorbeugen

Interview

Das vermehrte Arbeiten im Homeoffice erhöht das Risiko, dass Mitarbeiter langfristig erkranken. Die tab-Redaktion hat mit der Unternehmensberaterin Sabine Machwürth über Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz gesprochen.

tab: Frau Machwürth, Sie fordern, dass die Unternehmen ihre Führungskräfte stärker für die möglichen Krankmacher bei der Büroarbeit, speziell im Homeoffice, sensibilisieren. Warum?

Sabine Machwürth: Unter anderem, weil diese oft schwierig zu erkennen sind. Trotzdem gibt es sie. Das verdeutlicht ein Blick auf die häufigsten Erkrankungen von Büroangestellten. Neben Infektionskrankheiten sind dies Erkrankungen der Wirbelsäule und des Bewegungsapparats,
Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen sowie psychosomatische Erkrankungen.Diese Zivilisationskrankheiten verursachen heute ca. 80 % der krankheitsbedingten Fehltage – auch, weil ihr Verlauf oft chronisch ist.

tab: Warum sind die Krankmacher bei der Büroarbeit oft schwierig zu erkennen?

Sabine Machwürth: Unter anderem, weil die vorgenannten Erkrankungen meist keine eindeutige Ursache haben. So werden zum Beispiel viele Herzkreislauf-Erkrankungen durch Stress mitverursacht. Doch der kann viele Auslöser haben, auch private.

tab: Was folgt daraus für die betriebliche Gesundheitsprävention?

Sabine Machwürth: Sie sollte stets den Menschen als Ganzen im Blick haben. Das gilt in Zeiten, in denen viele Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten, mehr denn je. Denn dann spielen auch Faktoren wie die Wohnsituation und familiäre Situation, der berufliche und persönliche Reifegrad der Mitarbeiter eine viel größere Rolle als wie belastend sie ihre Arbeitssituation empfinden.

tab: Sollten die Unternehmen dann nicht primär die Mitarbeiter und nicht ihre Führungskräfte über die potenziellen „Krankmacher“ informieren?

Sabine Machwürth: Das eine schließt das andere ja nicht aus. In allen modernen Gesundheitsförderkonzepten spielen jedoch die Führungskräfte eine Schlüsselrolle, denn sie prägen weitgehend die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter – egal, wo sie arbeiten. Gibt ein „Chef“ keine klaren Anweisungen und wissen seine Mitarbeiter nicht, was sie zu tun haben, erzeugt dies bei ihnen Stress. Ebenso ist es, wenn der „Chef“ Mitarbeiter bei Fehlern stets an den Pranger stellt. Auch dann erzeugt dies Stress, weil die Mitarbeiter permanent die Sorge plagt: „Hoffentlich mache ich keinen Fehler“. Und dies führt nicht selten dazu, dass sie irgendwann erkranken. Diese Gefahr ist beim Arbeiten im Homeoffice besonders groß.

tab: Warum?

Sabine Machwürth: Dann nehmen die Führungskräfte aufgrund der nun fehlenden persönlichen Begegnungen zum Beispiel Stress-Symptome bei den Mitarbeitern oft später wahr. Sie können zudem im Homeoffice nur bedingt checken, inwieweit das Arbeitsumfeld eines Mitarbeiters so gestaltet ist, dass dieser weitgehend stress-frei arbeiten kann. Und schon gar nicht geraten solche Krankmacher wie Mängel in der Online-Kommunikation in den Blick. Also können die Führungskräfte – mit ihren Mitarbeitern – diese auch nicht beheben.

tab: Überfordert das Erkennen und Beheben solcher Mängel nicht viele Führungskräfte; schließlich ist die veränderte Arbeits- und Führungssituation für sie ja oft auch noch recht neu?

Sabine Machwürth: Selbstverständlich. Deshalb sollten die Unternehmen ihre Führungskräfte ja dafür sensibilisieren, wie schnell die Arbeit im Homeoffice zu einem Ausbrennen der Mitarbeiter führen kann – zum Beispiel aufgrund von Überforderung oder sozialer Isolierung. Zudem sollten sie ihnen Techniken vermitteln, wie sie auch online ermitteln können, wie es ihren Mitarbeitern gerade geht. Denn nur dann können sie ihre Fürsorgepflicht für diese wahrnehmen.

Zur Autorin

Sabine Machwürth ist geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede, die unter dem Titel „Move for Health“ ein digitales Gesundheitsförderprogramm für Unternehmen und ihre Mitarbeiter anbietet

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