Aktuelles aus dem Baurecht

Gelten nicht niedergeschriebene anerkannte Regeln der Technik?

Immer wieder müssen sich Architekten und Fachplaner mit der Frage auseinandersetzen, ob die von ihnen gewählten Baumaterialen, Bautechniken und Bauverfahren den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Ist dies nicht der Fall, kann die von Ihnen erbrachte Leistung mangelhaft sein und der Auftraggeber ggf. Gewährleistungsansprüche geltend machen.

ARGE Baurecht:

Anlässlich eines Urteils des BGH vom 21. November 2013 hat die ARGE Baurecht (Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilien­recht des Deutschen Anwaltverein) unter dem 25. Februar 2014 eine Pressemitteilung zu nicht niedergeschriebenen aner­kannten Regeln der Technik veröffentlicht.

In der Pressemitteilung hat die ARGE nochmals festgehalten, dass sich Baumaterialien, Bautechnik und Bauverfahren ständig weiterentwickeln und in den Baualltag übernommen werden, sofern sie sich bewährt haben. Haben sich bestimmte bautechnische Verfahren etabliert, werden sie zu anerkannten Regeln der Technik.

Anerkannte Regeln der Technik sind also bautechnische Regeln, die von der Wissenschaft als theoretisch richtig belegt wurden und sich dann, von Bauexperten in der Praxis erfolgreich ange­wandt, durchgesetzt haben. Manche dieser anerkannten Regeln der Technik münden in einer DIN, andere werden in weitere Regelwerke übernommen.

Problematisch sind die Fälle, in denen die anerkannten Regeln der Technik nicht niedergeschrieben sind. In diesem Fall spricht man von ungeschriebenen anerkannten Regeln der Technik. Solche Regeln gibt es relativ häufig, weil sich die Bautechnik ständig weiterentwickelt und neue Verfahren erprobt werden, während die alten gerade erst zur DIN werden. Als Beispiel hat die ARGE den Schallschutz angeführt. Im Bereich des Schallschutzes gehen die technischen Möglichkeiten und die Erwartungen der Bauherren meist über die in der diesbezüglich existierenden DIN hinaus.

Der Fall des BGH:

Der Pressemitteilung der ARGE liegt ein Urteil des BGH vom 21. November 2013 (Az.:VII ZR 275/12) zugrunde.

In dem Fall, den der BGH zu entscheiden hatte, beauftragte die Klägerin die Beklagte mit der Errichtung einer Wohnungseigen­tumsanlage. Die Klägerin begehrte einen Vorschuss für die fehlende Ausbildung eines Gefälles des Epoxidharzbelages der Hof- und Zugangsfläche.

Das Landgericht Hanau hat die Klage im Hinblick auf den Vor­schuss für die Gefälleausbildung abgewiesen. Das Gericht hat es damit begründet, dass diesbezüglich kein Mangel vorgelegen habe. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hatte festgestellt, dass kein Regelwerk und keine Normen vorlagen, die ein Gefälle bei einem Belag mit Epoxidharz vorsehen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des Landgerichts Hanau mit Urteil vom 12. September 2012 (AZ.: 16 U 40/12) zurückgewiesen. Der BGH hat die Revision zugelassen. 

Zur Entscheidung des BGH

Mit Urteil vom 21. November 2013 hat der BGH die Auffassung des Landgerichts Hanau und des Oberlandesgerichts Frankfurt, eine Gefälleausbildung sei nicht geschuldet, beanstandet und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Frankfurt zurückverwiesen. Zur Begründung hat der BGH festgestellt, das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen gebe keine abschließende Auskunft darüber, ob die Ausführung des Epoxidharzbelages der Hof- und Zugangsfläche ohne Gefälle den anerkannten Regeln der Technik entspräche. Der Sachverständige habe lediglich festgestellt, es lägen keine Normen und kein Regelwerk vor, die ein Gefälle bei einem Belag mit Epoxidharz vorsehen. Die Feststellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen beantworte jedoch nicht die Frage, ob es eine ungeschriebene anerkannte Regel der Technik gäbe, die das Gefälle vorsehe. Der BGH hat ausdrücklich festgestellt, dass eine ungeschriebene anerkannte Regel der Technik ebenso maßgeblich ist wie eine geschriebene anerkannte Regel der Technik.

Praxishinweis

Mit seinem Urteil aus November 2013 hat der BGH nochmals ausdrücklich klargestellt, dass anerkannte Regeln der Technik nicht in schriftlichen Regelwerken festgehalten sein müssen. Architekten und Fachplaner haben also auch solche anerkannten Regeln der Technik zu beachten, die keinen Eingang in schriftliche Regelwerke gefunden haben.

Es ist also Aufgabe der Planer, alle in Frage kommenden DIN ebenso wie andere Regelwerke und die Möglichkeit einer ungeschriebenen Regel im Auge zu behalten. Dies ist nur möglich, wenn sie sich ständig weiterbilden und auf Höhe der technischen Entwicklung bleiben.

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