Qualität und Maß für Zu- und Außenluft

Projektierung Zu-/Außenluftvolumenstrom nach DIN EN 16798-1

Die DIN EN 16798-1 „Energetische Bewertung von Gebäuden – Lüftung von Gebäuden – Teil 1: Eingangsparameter für das Innenraumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden bezüglich Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik“ erschien im März 2022 mit dem nationalen Anhang (NA). Sie definiert Eingangsparameter für das Innenraumklima und gilt für die Projektierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden. Was hat sich mit dem nationalen Anhang, der in Deutschland normativ gültig ist, zu den Vorgaben der EN-Norm geändert? Und welche Möglichkeiten bestehen zur Berechnung des Mindestaußenluftvolumenstroms auf dieser Basis? Antworten dazu liefert der nachfolgende Beitrag. Zudem wird aufgezeigt, dass wenn die Vorgaben in der Norm betreffend des thermischen Raumklimas, der Raumtemperatur und der Raumluftqualität (des Weiteren Akustik und Beleuchtung) konsequent umgesetzt werden, sich dadurch eine vorher definierte Kategorie für die Innenraumqualität gut erreichen lässt.

Klassifizierung der Luftarten

Die DIN EN 16798 Teil 3 „Lüftung von Nichtwohngebäuden – Leistungsanforderungen an Lüftungs- und Klimaanlagen und Raumkühlsysteme“ unterteilt die verschiedenen Luftarten in mehrere Klassen, diese sind in Tabelle 1 und Bild 1 näher dargestellt. Dabei erfolgt die Klassifikation der betrachteten Luft anhand der Verunreinigung mit Partikeln, Stäuben, Pollen und/oder Gasen. Unterschieden werden Qualitäten der Außenluft (ODA), der Ab- und Fortluft (ETA, EHA) und der Zuluft (SUP). Basis zur Einstufung einer Luftart in eine der Klassen sind Über- oder Unterschreitungen von Grenzwerten z. B. für Partikel (PM 10, PM 2,5) und Gase (Ozon, SO2, NOx), die von der Weltgesundheitsorganisation vorgegeben sind (Details dazu siehe DIN EN 16798 Teil 3). Die DIN EN 16798-1, „NA.9“ verweist außerdem auf die Leitwerte des Umweltbundesamtes für die Innenraumluft.

Wichtig ist eine Beurteilung oder Kenntnis der Luftklasse, um z. B. bei einer schlechten Außenluftqualität (ODA) durch eine angepasste Luftfiltration im Lüftungsgerät eine gewünschte Zuluftqualität (SUP) sicherzustellen. Die Klassifizierung nach DIN EN 16798 Teil 3 der Ab- und Fortluft ist in Tabelle 2 ersichtlich. Für Außenluft und Zuluft gelten die Angaben in Tabelle 3.

Klassifizierungen und Parameter des NA

Die DIN EN 16798 Teil 1 definiert vier Kategorien IEQ (Indoor Enviroment Quality) von IEQ1 „hoch“ bis IEQ IV „niedrig“. Dieses Kürzel wurde jedoch im nationalen Anhang nicht übernommen. Mit der Tabelle NA.2 des Nationalen Anhangs (Tabelle 4) erfolgt zur Kategorie I bis IV eine Einteilung zum vorausgesagten Prozentsatz Unzufriedener (PPD). Die Kategorien A, B, C aus der DIN EN ISO 7730 finden in den Kategorien I, II, III eine Zuordnung. Für Räume im Neubau und in sanierten Bestandsgebäuden wird die Kategorie II als Basis für Planung und Auslegung empfohlen. Abweichungen zu dieser Empfehlung können aber individuell mit dem Bauherrn vereinbart werden.

Empfohlene Auslegungswerte der Raumtemperatur für Winter und Sommer sind in Tabelle NA.3 zu finden. Je nach Gebäude-/Raumtyp und Tätigkeit sowie Kategorie betragen diese zwischen 14 °C bis 21 °C, im Sommer zwischen 25,5 °C bis 28 °C. Ausgegangen wird von 60 % bzw. 40 % relativer Luftfeuchte (Sommer/Winter) und einer Luftgeschwindigkeit < 0,1 m/s.

Tabelle NA.4 definiert Auslegungskriterien für lokale thermische Behaglichkeit in den Kategorien I, II und III. Es finden sich Vorgaben betreffend Zugluft (Zugluftrate, max. Luftgeschwindigkeit), vertikale Lufttemperaturdifferenz zwischen Kopf-Fußgelenk, Fußbodentemperaturbereich und Asymmetrie der Strahlungswärme.

Kapitel 4 des Nationalen Anhangs gibt Vorgaben zu den zulässigen Raumtempera-turen in definierten Aufenthaltszonen in Gebäuden in Abhängigkeit von der Außentemperatur (Stundenmittel) von -8 °C bis +36 °C. Die Komfortraumtemperatur wird entgegen der EN-Norm ohne eine weitere Unterscheidung der Qualität-Kategorien I bis III eingeführt. Bei Außentemperaturen von -8 °C bis +16 °C ist diese konstant bei 22 °C und steigt dann linear bis 26 °C an (bei 32 °C Außentemperatur). Nachfolgend ist die Sollwertabweichung definiert, zusätzlich erfolgt ein Hinweis, dass bei Raumtemperaturen > 26 °C durch eine höhere mittlere Raumluftgeschwindigkeit die empfundene Temperatur um 1,2 bis 2,2 K gesenkt wird.

Welche Verfahren zur Dimensionierung des Mindest­außenluftvolumenstroms stehen zur Verfügung?

Hier zeigt Kapitel NA.5 „Grundlage der Kriterien für Raumluftqualität und Außenluftvolumenströme“ mehrere Möglichkeiten auf. Wir betrachten nachfolgend den Fall für Nichtwohngebäude.

Es wird zusätzlich hingewiesen, dass bei Raumnutzung ein Mindestaußenluftvolumenstrom von 4 l/s pro Person vorliegen soll, die Grenzwerte der WHO zu Luftverunreinigungen (siehe auch DIN EN 16798-3) sind zu beachten.

Verfahren 1 auf Grundlage der wahrgenommenen Luftqualität

Dieses Verfahren basiert auf zwei sich ergänzenden Faktoren. Faktor eins betrachtet die im Raum anwesenden Personen und die dadurch verursachten biologischen Ausdünstungen. Hierfür muss ein ­Außenluftvolumenstrom qP [l/s] je Nutzer bereitgestellt werden, um die Verunreinigung zu verdünnen/entfernen. Faktor zwei betrachtet die Verunreinigungen durch das Gebäude, z. B. die Raumumschließungs-flächen, die Einrichtungsgegenstände und (Büro)Geräte. Obwohl diese Ausdünstungen ständig vorhanden sind, kann bei Abwesenheit von Personen der Luftvolumenstrom auf null reduziert werden. Dann muss aber zwingend vor ­Belegungsbeginn das Raumluftvolumen mindestens einmal durch Außenluft ausgetauscht werden, siehe hierzu NA. 5.1.5. Die EN-Norm fordert hier einen 0,5-fachen Luftwechsel für 2 Stunden (siehe hierzu B.3.1.5 „Außenluftvolumenstrom während Nichtbelegungszeiten“). Dieser Außenluftvolumenstrom qB (Index B = Building) für die Gebäudeemissionen hängt von der Einstufung der Schadstoffarmut des Gebäudes bzw. des Raumes ab. Der Gesamt-Außenluftvolumenstrom qtot berechnet sich für den Atembereich durch Kombination der Lüftung für Personen und für das Gebäude wie folgt:

Legende:

= Gesamt-Außenluftvolumenstrom für den Atembereich, in l/s;

= Auslegungswert für die Anzahl von Personen im Raum;

=Außenluftvolumenstrom für die Nutzung je Person, in l/s je Person;

= Fußbodenfläche, in m²;

= Außenluftvolumenstrom für Gebäudeemissionen, l/(s · m²)

Betrachten wir nun Tabelle 5, bekommen wir in Abhängigkeit der Kategorie I bis IV eine Aussage zu dem vorausgesagtem Prozentsatz Unzufriedener und den Außenluftvolumenstrom je unangepasster Person [l/s]. Wir gehen von Kategorie II aus und benötigen somit je Person 7 l/s.

Tabelle 6 gibt Auskunft zum Außenluftvolumenstrom für die Gebäudeemissionen in Abhängigkeit der Kategorie I bis IV für sehr schadstoffarme, schadstoffarme und nicht schadstoffarme Gebäude. Prinzipiell gelten alle neuen und mit einem gewissen Aufwand renovierten Gebäude als schadstoffarm. Aus Tabelle 6 ist ersichtlich, dass für sehr schadstoffarme Gebäude sich der Wert halbiert und für nicht schadstoffarme Gebäude der Wert verdoppelt, wenn die Basis schadstoffarme Gebäude darstellen. Wir gehen von Kategorie II aus und benötigen somit 0,7 l/s je m². Möchten wir jetzt den Gesamt-Außenluftvolumenstrom für ein Einzelbüro mit 10 m² berechnen, so ergeben sich hierfür 14 l/s bzw. 50,4 m³/h.

Verfahren 2 unter Anwendung von Grenzwerten der Stoffkonzentration

Dieses Verfahren basiert auf einen einzuhaltenden Grenzwert eines Schadstoffes in einem Raum. Der Nationale Anhang nimmt hier Bezug auf CO2 als Leitgas. Kurzer Exkurs: Je mehr Sauerstoff der Mensch verbraucht, desto mehr CO2 wird produziert und ausgestoßen. Kurzzeitig verträgt der Mensch eine Kohlendioxidkonzentration von 2 Vol.-%, die akut tödliche Grenze liegt bei 10 %. Seit vielen Jahrzehnten ist der CO2-Gehalt in der Raumluft ein Indikator für die Luftqualität. Der Leitwert für Aufenthaltsräume wurde mit 0,10 %, entsprechend 1.000 ppm (Pettenkofer-Zahl), fixiert. Über 0,15 % wird die Luft nicht mehr als frisch und hygienisch einwandfrei empfunden. Das ist jedoch besonders auf die Anreicherung mit Geruchsstoffen durch menschliche Ausdünstungen zurückzuführen, denn die Zunahme der ­Humangeruchsstoffe (Bioeffluenten) verläuft etwa proportional zur CO2-Zunahme. In den Technischen Regeln für Gefahrenstoffe (TRGS), insbesondere in der TRGS 900 „Arbeitsplatzgrenzwerte“, wurde der Arbeitsplatzgrenzwert für Kohlenstoffdioxid mit 5.000 ml/m³ (ppm) bzw. 9.100 mg/m³ ­festgelegt. Die Arbeitsstättenregel ASR 3.6 „Lüftung“ beispielsweise empfiehlt einen CO2-Gehalt in der Raumluft von maximal 1.000 ppm. Sobald dieser ­überschritten wird, sollten Maßnahmen zur Senkung ergriffen werden, z. B. Lüftungsverhalten überprüfen und verbessern, Lüftungsplan aufstellen (z. B. Verantwortlichkeiten festlegen, Außenluftvolumenstrom oder Luftwechsel erhöhen).

Kommen wir zur DIN EN 16798-1 und dem Nationalen Anhang zurück. Diese berücksichtigt nicht die absolute Konzentration in der Raumluft, sondern die Differenz zum CO2 Niveau in der Außenluft. Die Auslegungs-Außenluftvolumenströme werden anhand einer Massenbilanzgleichung für die CO2-Konzentration im Raum unter Berücksichtigung der Konzentration in der Außenluft berechnet. In der Tabelle 7 ist somit die erlaubte Erhöhung von CO2 in der Raumluft oberhalb der Außenluft in Abhängigkeit der Kategorie I bis IV. Der CO2 Gehalt der Außenluft ist vom Gebäudestandort abhängig, die Werte liegen ca. zwischen 400 ppm (Land) und 600 ppm (Stadt). Angenommen wird für die Auslegung eine
CO2-Abgabe von 20 l/h pro Person bei 5 m² Grundfläche in einem schadstoffarmen Gebäude. Um die Belastung der Raumluft mit CO2 zu berechnen, die in einem Raum mit Personen entsteht, erstellt man die CO2-Bilanz. Diese berücksichtigt den CO2-Gehalt der Außenluft, die CO2-Produktion durch Personen im Raum und den daraus resultierenden CO2-Gehalt der Abluft.

Was folgt aus Tabelle 7?

Je nach Standort des Gebäudes kann der CO2-Gehalt in der Außenluft deutlich unterschiedlich sein. Um eine Raumluftqualität II sicherzustellen, darf der CO2-Gehalt in der Raumluft gemäß Tabelle bis maximal 550 ppm über das Niveau der Außenluft ansteigen. Aus diesem Wert kann dann bei Kenntnis der Personenzahl im Raum und des Raumvolumens über eine entsprechende Bilanz der dafür notwendige Außenluftvolumenstrom berechnet werden. Häufig werden in Räumen Sensoren eingesetzt, die kontinuierlich den CO2-Gehalt messen und daraufhin durch einen Vergleich mit dem eingestellten Sollwert den Zuluftvolumenstrom für den Raum anheben oder verringern. Das Stichwort für dieses Verfahren lautet „CO2-bedarfsgeregelte Lüftung“. So wird z. B. bei einer geringen Besetzung eines Raums und eine daraus folgende geringere CO2-Abgabe von Personen der Luftvolumenstrom gesenkt, was zu Einsparungen bei den Betriebskosten führt. Mittlerweile werden häufig, z. B. in Schulen und Kitas, CO2-Ampeln eingesetzt. Sobald diese einen zu hohen CO2-Gehalt anzeigen (gelb, rot), sollten dann die Fenster für mehr Frischluft geöffnet werden.

Verfahren 3 auf Grundlage vorgegebener Außenluftvolumenströme

Dieses Verfahren, welches in der DIN EN 16798-1 unter B.3.1.4 ­beschrieben wird, gibt ­erforderliche Volumenströme je Person oder je m² Fußbodenfläche an. Für Kategorie II werden 14 l/s je Person bzw. 1,4 l/s je Quadratmeter angegeben. Im Nationalen Anhang wird jedoch festgestellt, dass dieses Verfahren nicht anzuwenden ist.

Fazit

Das Ergebnis von Verfahren 1 ist ziemlich konform mit den Vorgaben aus Verfahren 3, auch wenn dieses nicht zugelassen ist. Als „erster Ansatz“ kann jedoch für eine gute Zuluft- bzw. Raumluftqualität meist ein Wert von 50 m3/h Außenluft pro Person angenommen werden. Die Detailplanung hat dann aber konform dem Nationalen Anhang der DIN EN 16798-1 zu erfolgen.

Literaturtipp

Leitfaden für Lüftungs- und Klimaanlagen

Die 5., erweiterte Auflage des „Leitfaden für Lüftungs- und Klimaanlagen“ richtet sich an planende Ingenieure und Fachleute der TGA-Branche, die in diesem Werk grundlegende Informationen zur Auslegung und Planung von Klimaanlagen entnehmen können. Darüber hinaus bietet sich das Werk u. a. für Gebäudetechniker, Service- und Instandhaltungspersonal sowie Facility-Manager als Leitfaden bei der täglichen Arbeit an. Die Publikation will durch eine kompakte und prägnante Beschreibung zur schnellen Klärung von auftretenden Fragen beitragen.

Das Buch kann im Internet unter www.tga-lars-keller.de sowie unter www.hitz-koepfe.de bestellt werden.

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