IEC 61643-21 um sicherheitsrelevante Prüfungen ergänzt
Wenn der Vorsicherungsschutz nicht ausreichtTransiente Überspannungen können Schäden an empfindlichen elektronischen Komponenten verursachen, die in signalverarbeitenden Netzwerken installiert sind. Der Einsatz von Überspannungsschutzgeräten (SPDs) bietet einen wirksamen Schutz gegen transiente Überspannungen und sorgt für eine hohe Anlagenverfügbarkeit.
Normalerweise weisen Signalanwendungen niedrige Betriebsspannungen und geringe Kurzschlussenergien auf, sodass eine Überlastung oder Alterung des SPDs nicht zu einem kritischen Zustand führt. In einigen Fällen gibt es jedoch Anwendungen mit höheren Betriebsspannungen, höheren Betriebsströmen oder höheren Kurzschlussströmen. Ein Schutz durch eine Vorsicherung allein reicht nicht in allen Fällen aus. Hinsichtlich dieser Sicherheitsaspekte wurden daher zusätzliche sicherheitsrelevante Prüfungen in der neuen IEC 61643‑21 [1] ergänzt. Nachfolgend werden diese Prüfungen vorgestellt und Maßnahmen beschrieben, die ein sicheres Verhalten von SPDs auch bei Überlast und Alterungen sicherstellen.
Sicheres Verhalten bei Überlast- und Alterungssituationen
Die digitale Datenkommunikation arbeitet mit niedrigen Signalpegeln bei hohen Frequenzen. Dies macht sie besonders empfindlich gegenüber Überspannungen. Moderne SPDs stellen nicht nur einen guten Schutz vor Überspannungen zur Verfügung, sondern zeigen außerdem ein sicheres Verhalten in Überlast- und Alterungssituationen. In der neuen Ausgabe 2 der IEC 61643-21 werden sicherheitsrelevante Anforderungen und Prüfungen eingeführt, die sich mit den Überlast- und Alterungseffekten von SPDs in signalverarbeitenden Netzen befassen. Die Prüfungen sind insbesondere für SPDs mit mehr als 100 W (UC x IL) zum Nachweis des sicheren Verhaltens von Bedeutung. Bei den Tests handelt es sich um:
die Prüfung der Temperaturbeständigkeit,
die Prüfung des thermischen Überlastschutzes,
spezifische Ausfalltest und
das Überlastverhalten im lastseitigen Fehlerfall.
Heraustrennen der TVSD aus dem Signalkreis
In modernen SPDs zum Schutz von signalverarbeitenden Netzen werden thermisch aktivierte Abtrennvorrichtungen oder Kurzschlussmechanismen verwendet. Die Leistungsfähigkeit dieser Vorrichtung wird auf Grundlage der mit der IEC 61643-21 Ed.2 eingeführten zusätzlichen sicherheitstechnischen Prüfungen nachgewiesen. Im Betriebszustand ist die TVSD (Transient Voltage Suppressor Diode) elektrisch mit dem zu schützenden Signalkreis verbunden. Das grundlegende Funktionsprinzip der Abtrennvorrichtung besteht darin, die TVSD im Fall einer Überlast durch Verschiebung aus dem Signalkreis herauszutrennen. Um dies zu erreichen, wird die TVSD mit einem Niedertemperaturlot auf die Leiterplatte gelötet. Eine Feder kontaktiert sich mit der TVSD. Diese Anordnung fungiert als temperatursensitiver Schalter. Die Lötverbindung der TVSD ist so ausgelegt, dass sie der mechanischen Kraft der Feder unter normalen Betriebsbedingungen dauerhaft standhält. Kommt es zu einer Überlastung der TVSD, treten Leckströme auf und die TVSD erwärmt sich. Wird eine definierte Temperatur erreicht, schmilzt das Lot und die Feder verschiebt die TVSD in eine festgelegte zweite Position. Die TVSD ist aus dem Signalkreis herausgetrennt. Durch die Bewegung der TVSD verschiebt sich darüber hinaus ein Kunststoffelement, das die Abtrennung auf der Front des SPD anzeigt und die Fernmeldefunktion auslöst (s. Bild 1).
Prüfungen der Abtrennvorrichtung
Nachfolgend wird die sicherheitstechnische Leistungsfähigkeit der Abtrennvorrichtung für SMT-montierte TVSDs in einer praktischen Anwendung dargestellt.
Temperaturbeständigkeit: Die durchgeführte Prüfung belegt, dass die Trennvorrichtung Umgebungsbedingungen von rund 85 °C standhält, die während der Lebensdauer vorkommen können, ohne dass dies in einer Abschaltung resultiert. Nach der Prüfung sind keine sichtbaren Schäden am SPD vorhanden und keine spannungsführenden Teile zugänglich.
Thermischer Überlastschutz: Während der Prüfung werden die Oberflächentemperatur des SPDs und der Prüfstrom überwacht. Die Abtrennvorrichtung separiert die TVSD von der Stromversorgung, bevor eine kritische Oberflächentemperatur auftritt. Ein weiterer Test vergleicht die ermittelten Schaltcharakteristiken mit einer Standard-Temperatursicherung. Hier werden die Vorteile der Abtrennvorrichtung für TVSDs von Phoenix Contact deutlich (s. Bild 2) [2, 3, 4].
Spezifischer Ausfalltest: Der Schwerpunkt dieser Prüfung liegt auf der Bestimmung der Performance der Abtrennvorrichtung. Es wurden drei verschiedene Überlastfaktoren (n = 2, 5, 10) angewendet, die den unterschiedlichen Belastungssituationen entsprechen. Bei jeder der drei Prüfungen erreichte das SPD einen sicheren Überlastungs-Fehlermodus.
In keinem Fall löste die Vorsicherung aus. Dies unterstreicht, wie gut die Performance der Abtrennvorrichtungen für leiterplattenmontierte TVSDs in puncto schnelle Reaktionszeit und gutes Schaltvermögen ist.
Fazit
Um die Leistungsfähigkeit des SPDs unter verschiedenen Überlastsituationen – z. B. einem Kurzschluss an den Ausgangsklemmen des SPD – zu zeigen, wird die Prüfung mit unterschiedlichen Überlastfaktoren (n = 2, 5, 10) durchgeführt (s. Bild 3). Bei jeder der Prüfungen trennt die externe Sicherung den Strom. Der Anstieg der Temperatur an der Gehäuseoberfläche des SPD beträgt < 80 K. Somit kann das SPD die Überlast tragen, ohne eine Gefahr darzustellen. Mit der neuen IEC 61643-21 Ed.2 wurden zusätzliche sicherheitsrelevante Anforderungen in die Norm integriert. Dies soll mögliche kritische Situationen verhindern, bei denen Energie auf der gleichen Leitung wie die Daten übertragen werden kann. Zur Erfüllung dieser Sicherheitsaspekte sind moderne SPD mit zusätzlichen Abschalt- oder Kurzschlussvorrichtungen ausgestattet.
Anpassung an erweiterte Anforderungen
Die Datenübertragung und Energieversorgung von Sensoren erfolgen zunehmend über eine Leitung. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, diese Situation in der Norm für Überspannungsschutzgeräte (SPDs) in signalverarbeitenden Netzwerken zu berücksichtigen. SPDs für den Schutz dieser Netzwerke werden gemäß IEC 61643-21 qualifiziert. Die internationale Norm ist mit der Ausgabe 2 an die erweiterten Anforderungen angepasst worden. Im Beitrag wird beschrieben, welche zusätzlichen sicherheitsrelevanten Anforderungen in die Norm integriert wurden. Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, wie eine in ein SPD eingebaute Abtrennvorrichtung gealterte oder überlastete SPDs auch beim Einsatz in signalverarbeitenden Netzwerken mit höheren Systemspannungen und/oder hoher Kurzschlussfähigkeit in einen sicheren Ausfallzustand überführt.
Literatur
IEC 61643-21 Ed2: 2025, Überspannungsschutzgeräte für den Einsatz in Telekommunikations- und signalverarbeitenden Netzwerken – Leistungsanforderungen und Prüfverfahren
G. Finis, S. Pförtner, M. Wetter, „Safety-Related Functions and Status Indication for Surge Protective Devices for the Use in MCR Applications“ 2017 Asia-Pacific International Conference on Lightning (APL 2017), Krabi, Thailand, May 2017
G. Finis, S. Pförtner, M. Wetter, „PCB Mounted Disconnect Technology for the Overload Protection of SPDs Connected to Powerful Telecommunications and Signaling Networks“ 35th International Conference on Lightning Protection (ICLP 2021), Colombo, Sri Lanka, Sept. 2021
S. Pförtner, R Hausmann, G. Finis, „New IEC 61643-21 – Improvements of safety-related requirements for SPDs in telecommunication and signaling networks“ 37th International Conference on Lightning Protection (ICLP 2024), Dresden, Germany, Sept. 2024
