FAQ zur Betonkernaktivierung mit Zuluft

Lastspitzen glätten, Energie sparen und eine gute Luftqualität in Innenräumen

Wasserbasierte Betonkernaktivierungen gelten seit Jahrzehnten als Stand der Technik. Doch nicht zuletzt die Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie setzen auf Frischluft statt Wasser als Energieträger für eine innovative Symbiose zwischen Bauteiltemperierung und Zuluft für hygienische Behaglichkeit bei hoher Energieeffizienz. Bei der Planung und Ausführung von Betonkernaktivierungen treten immer wieder Fragen auf. Eine Auswahl dieser sogenannten FAQs (Frequently asked Questions) werden nachfolgend von Dipl.-Ing. Jörg Kranich, Leiter Vertrieb der Kiefer Klimatechnik GmbH, beantwortet.

Was spricht für eine Betonkernaktivierung (BKA) mit Zuluft anstelle von Wasser als Wärmeträgermedium?

Kranich: Die höhere spezifische Wärmekapazität sowie die geringeren Wärmetransportkosten sprechen zunächst augenscheinlich für Wasser als Wärmeträgermedium. Der Vergleich macht aber deshalb keinen Sinn, weil die Luft bei der Betonkernaktivierung mit Zuluft ja nicht im Rohrsystem zirkuliert. Stattdessen wird das Kühlpotenzial der Außenluft genutzt. Die ohnehin aus hygienischen Gründen benötigte frische Außenluft wird durch in die Betondecke eingelegte Rippenrohre geleitet. Dazu kommt: In Deutschland steht uns Außenluft zu mehr als 75 % des Jahres schon mit einer Temperatur unter 16 °C, also bereits kühl und zudem kostenlos, zur Verfügung – ein klarer Vorteil gegenüber Wasser als Energieträger. In dieser Zeit nutzt das BTA-System also effizient die freie Kühlung, wodurch bis zu 50 % des Energiebedarfs im Vergleich zu wasserbasierten Systemen eingespart werden können. Anschließend wird die Zuluft über Luftdurchlässe in die Räume eingebracht und deckt dort den Frischluftbedarf. Dieser Prozess erfolgt selbstregulierend und nahezu schwankungsfrei.

Darüber hinaus bergen wasserführende Leitungen immer ein gewisses Schadensrisiko – etwa bei Umbau- und Sanierungsarbeiten oder auf Winterbaustellen. In vielen Gebäuden wie Museen und Bibliotheken sind wasserführende Leitungen in den Decken grundsätzlich untersagt.

Für welche Gebäude eignet sich der Einsatz einer BKA mit Zuluft?

Kranich: Die Betonkernaktivierung mit Zuluft ist in unterschiedlichen Gebäudetypen sinnvoll: Neben Museen und Bibliotheken findet sie ihre Hauptanwendung in Büro- und Verwaltungsgebäuden sowie in Schulen. Wir haben aber auch schon Industriegebäude, ein Gefängnis und aktuell eine Aussegnungshalle ausgeführt. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat ein Umdenken bezüglich der notwendigen Außenluftrate eingesetzt, sodass mittlerweile bei fast allen Projekten genügend Zuluft für den Betrieb zur Verfügung steht.

Welche Kühlleistungen sind mit einer BKA mit Zuluft möglich?

Kranich: Mit einem für Büros typischen Außenluftvolumenstrom von 6 bis 7,5 m³/h
pro m² Nutzfläche kann eine Kühllast von 40 bis 60 W/m² im Tagesverlauf abgeführt werden. Bei kurzzeitigen Lastspitzen sind sogar 80 W/m² möglich.

Wie verhält es sich dabei mit Zulufttemperatur und Wärmeübertragung?

Kranich: Die freie Kühlung kann in vollem Umfang genutzt werden. D. h. die Zulufttemperatur am Rohreintritt kann zwischen 10 und 16 °C liegen. Durch die Innenberippung der gut wärmeleitenden Aluminiumrohre wird ein Wärmeübertragungsgrad von 90 % erreicht. Nach einer Rohrlänge von ca. 6-8 m in der Betondecke erreicht die Zuluft somit annähernd die Betonkerntemperatur.

Was passiert bei einer Taupunktunterschreitung im Rippenrohr?

Kranich: So lange über die Rippenrohre gekühlt wird, kann das nicht passieren. Die Luft entzieht der Betondecke beim Durchströmen Energie und erwärmt sich dabei selbst. In Folge nimmt die relative Feuchte ab und eine Taupunktunterschreitung innerhalb des Rippenrohres ist ausgeschlossen.

Wie wird das Zuluftsystem geregelt?

Kranich: Die Temperatur der Zuluft regelt sich mit hoher Genauigkeit selbst. Der Anschluss an Heizung und Regelventile entfällt. Unterschiedliche Zonen werden entweder anhand des Volumenstroms (über die Laufdauer) oder separate Nachkühler (via Temperatureinstellung) geregelt. Die Einzelraumregelung wird in Kombination mit der statischen Heizung mit Thermostatventil realisiert. Anhand von Temperaturfühlern und der spezifischen Abkühlkurve eines Gebäudes wird der Einschaltzeitpunkt der Anlage bestimmt. Auch die Kühlleistung wirkt selbstregulierend: Bei steigenden Raumtemperaturen steigt auch die Leistung ohne Verzögerung. Diese dynamische Selbstregulierung ermöglicht einfache, kostengünstige Regelsysteme.

Was muss hinsichtlich Einschaltzeiten und Betriebsdauer beachtet werden?

Kranich: Spätestens bei Betriebsbeginn wird die Lüftungsanlage eingeschaltet. Nach Betriebsende wird abgeschaltet und der natürliche Abkühlprozess des Gebäudes beginnt. Sollte dieser nicht ausreichen, wird die Anlage in den frühen Morgenstunden, wenn die Außenlufttemperaturen am niedrigsten sind, in Betrieb genommen, um die Restwärme aus der Decke abzuführen.

Ist es sinnvoll mit einer Betonkernaktivierung aktiv zu heizen?

Kranich: In den meisten Fällen nicht. Wie der Name sagt, wird bei einer Betonkernaktivierung die thermische Speicherfähigkeit der Betondecke genutzt, um die Lastspitzen zu dämpfen. Dies geht zwangsläufig mit einer gewissen Trägheit einher. Ein Wechsel zwischen Heizen und Kühlen innerhalb kurzer Zeit ist deshalb energetisch nicht sinnvoll, weil zunächst der komplette Speicher „Betondecke“ entladen werden müsste. Aber auch in puncto Behaglichkeit kann sich das Heizen über die Decke nachteilig auswirken. Ein Sekundärsystem zum Heizen über Radiatoren an den Fenstern ist deshalb meistens sinnvoll.

Dennoch trägt eine Betonkernaktivierung aber natürlich auch zur Heizung bei. Während der Nutzung des Gebäudes wird die durch die Nutzer abgegebene kalorische Energie nicht direkt abgeführt, sondern in der Betondecke gespeichert. Das wirkt einer Nachtauskühlung der Räume entgegen.

Ist eine Reinigung der einbetonierten Rohre notwendig und möglich?

Kranich: Eine Reinigung der Rippenrohre ist über die Anschlusskästen und -bögen möglich. Die Praxis zeigt jedoch, dass seit unserem ersten Projekt 2001 und nach tausenden ausgeführten Quadratmetern Nutzfläche noch in keinem Gebäude eine Reinigung nötig war. Gründe hierfür sind die sehr geringe Oberflächenrauigkeit des Aluminiumrohrs im Vergleich zum etwa 100-fach raueren verzinkten Stahlblechkanal und die recht hohe Strömungsgeschwindigkeit. Eine fachgerechte Filterung der Zuluft im Zentralgerät muss allerdings erfolgen.

Gibt es durch das Einlegen der Rohre in die Betondecke keine statischen Probleme?

Kranich: Die Rippenrohre werden in der neutralen Zone zwischen oberer und unterer Bewehrung eingebracht. Der Statiker gibt außerdem die Abstände zu statisch relevanten Bauteilen vor. Dadurch sind Deckenstärken ab 20 cm realisierbar, ohne die statisch bedingte Dimensionierung verändern zu müssen. Die Kühlrohre lassen sich in Ortbeton-, Filigran- und Fertigteildecken verlegen.

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