Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik? Was es zu beachten gilt!
Das aktuelle BaurechtsurteilEs gibt kaum einen Bauprozess, bei dem die allgemein anerkannten Regeln der Technik keine Rolle spielen. Diese müssen eingehalten werden. Wird davon abgewichen, liegt schon deshalb ein Mangel vor. Wie schwierig es z.B. für einen Planer ist, der Haftung zu entgehen, zeigt das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24.01.2025, 22 U 19/24.
Sachverhalt
Dr. Ingo Schmidt, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau-/Architektenrecht.
Bild: medlay, Jörg Kersten
Der beklagte Ingenieur war im Auftrag der Klägerin mit Planungs- und Überwachungsleistungen für den Umbau einer Schule befasst. Nach Abschluss der Arbeiten zeigte sich Schimmel. Die Klägerin machte hierfür den Beklagten verantwortlich und verlangte mit ihrer Klage Schadensersatz. Ursächlich für den Schimmel war eine nicht ausgeführte Abdichtung der Bestandsbodenplatte. Eine solche hatte der Beklagte noch in der Ausschreibung vorgesehen, aber später davon in Abstimmung mit der Auftraggeberseite abgesehen. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, weil es nach Vernehmung von Zeugen davon ausging, dass die Klägerin auf die Abdichtung der Bodenplatte bewusst verzichtet habe.
Entscheidung
Dies sah das Oberlandesgericht in zweiter Instanz anders. Es hielt die Planung des Beklagten schon deshalb für fehlerhaft, weil dieser seine ursprüngliche Planung dahin modifiziert hat, von der zunächst geplanten Abdichtung der Bodenplatte abzusehen. Und das wäre – so das Gericht, sachverständig beraten – ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik, und zwar gegen die geltenden Abdichtungsnormen. Der Einwand des Beklagten, die Klägerin wäre mit dem Verzicht auf die Abdichtung einverstanden gewesen, hatte keinen Erfolg. Zwar könnten Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Planung zu verneinen sein, wenn der Auftraggeber sich mit der Planung und Ausführung einverstanden gezeigt hätte; das aber setzte nach Ansicht des Gerichts voraus, dass sich der Auftraggeber der Problematik bewusst gewesen wäre und die Tragweite der Fehlerhaftigkeit der Planung erkannt hätte. Und das konnte das Gericht nicht feststellen.
Praxishinweis
Der Fall zeigt, wie schwierig es ist, einer Haftung zu entgehen, wenn gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik verstoßen wurde. Von einer allgemein anerkannten Regel der Technik spricht man, wenn eine Regel wissenschaftlich richtig, in betroffenen Fachkreisen bekannt und praxisbewährt ist. Die Rechtsprechung ist knallhart: Wird gegen eine solche Regel verstoßen, liegt entgegen einem in der Baupraxis verbreiteten Irrglauben ein Mangel vor, auch wenn überhaupt kein Schaden eingetreten ist. Die Abweichung von einer allgemein anerkannten Regel mit dem Auftraggeber zu kommunizieren, erweist sich meist als erfolglose Verteidigung. Eine Enthaftung kommt nämlich nur ausnahmsweise und bei umfassender Aufklärung über die Tragweite einer Ausführung in Betracht, die bestenfalls genau zu dokumentieren ist. Als problematisch erweisen sich neue Bauprodukte und innovative Ausführungsarten, die definitionsgemäß (noch) keine allgemein anerkannte Regel der Technik sein können, da sie sich noch nicht in der Praxis bewährt haben können. Auf der einen Seite ist hier also besondere Vorsicht und umfassende Aufklärung angesagt. Auf der anderen Seite darf man nicht übersehen, dass sich Anforderungen und Möglichkeiten angesichts der heutigen Dynamik schneller ändern können, als deren Praxisbewährung nachgewiesen werden kann. Würde man stets eine Praxisbewährung von einigen Jahren fordern, würde eine Bauentwicklung kaum mehr möglich sein.
Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
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