Nachtrag zum Deutschen Großwärmepumpen-Kongress 2024

Wärmepumpen als Schlüssel der Klimaziele

Nach einer Studie von dem Beratungsunternehmen McKinsey wird der Gesamtmarkt für Großwärmepumpen bis 2030 auf mehr als 43 Mrd. € geschätzt – das zeigt, warum dieser Markt verstärkt unterstützt werden sollte. Dazu fanden sich fast 300 Teilnehmer zu dem ein einhalb tägigen 1. Deutschen Großwärmpumpen-Kongress in Düsseldorf ein, weitere 100 Teilnehmer verfolgten den zweiten Tag online. Insgesamt dreizehn Referenten informierten in den Themenblöcken Grundlagen, Industrie, Wärmenetze und Quartiere über den Stand der Technik und gaben einen Ausblick zu den Potenzialen, aber auch zu den Hemmnissen bei Großwärmepumpen.

„Das Momentum, welche Großwärmepumpen aufgenommen haben, ist auszunutzen“, sagte Felix Uthoff, Referent Technik und Normung beim BWP, bei der Einleitung zum Kongress. Ein Rücklauf, wie es derzeit bei den Hauswärmepumpen festzustellen ist, sei unbedingt zu vermeiden. Um diesen Lauf weiter voranzubringen, wird Ende des Jahres der Weißdruck der VDI 4646 „Anwendung von Großwärmepumpen“ erscheinen. Hier findet die Industrie Hilfestellung für Anwendungen mit Heißwasser und Dampf. Mehrere Großprojekte im Megawattbereich sind derzeit in Realisierung und Ausführung, welche der BWP zusammenfassen wird. Abschließend weist Uthoff darauf hin, dass die Klimaziele 2045 derzeit nicht erreicht werden – um die Wende doch noch hinzubekommen, sei die Wärmepumpe eines der Schlüsselinstrumente.

Natürliche Kältemittel, Kohlenwasserstoffe und HFO’s

Die Diskussion um das ‚richtige‘ Kältemittel wurde ausgiebig geführt. Ein Großteil der Referenten war sich einig, dass die Zukunft in NH3, R290 und CO2 liegt, besonders bei industriellen Anwendungen. Simon Effenberg von der Skadec GmbH erläuterte in seinem Vortrag die Vorgaben der DIN EN 378 betreffend Einsatz von brennbaren Kältemitteln wie R290 und R600a und fasste diese kompakt als Planungshilfe zusammen. Neben den niedrigen GWP-Werten wurde die Planungssicherheit genannt, was natürlichen Kältemittel und Kohlenwasserstoffe betrifft, da diese Kältemittel nicht unter die gesetzliche Regulatorik gemäß EU VE 2024/573 fallen und auch keine PFAS Verbote greifen. Genau dieser Punkt ist bei verschiedenen Hydrofluorolefine (HFO) Kältemitteln noch nicht geklärt und wird den Erwartungen nach erst 2025 final entschieden sein.

Jörg Taube, Key Account Manager bei der Trane Deutschland GmbH, verwies jedoch auf die jüngste Studie des Umweltbundesamtes (UBA), dass der größte Anteil von 95-98% durch die indirekten Emissionen verursacht werden. Somit hat – betrachtet auf die Lebensdauer einer Anlage – die Effizienz einen deutlich höheren Einfluss als die direkten Emissionen bei Kältemittelleckagen. Deswegen fordert er: „Das Ziel muss es sein, die Wärmepumpe perfekt in ein System zu integrieren. In Europa stehen jährlich 2.860 TWh industrielle Abwärme zur Verfügung, der Bedarf an Heizenergie für Heizung und Trinkwasser liegt im gleichen Zeitraum bei 3.180 TWh, dies ist ein riesiges Potential.“

Systemintegration als Schlüssel zur Effizienz

Bei der Wichtigkeit der Systemintegration waren sich alle Referenten einig, jedoch liegt dem eine hohe Komplexität zu Grunde. Rasmus Rubycz, Market Manager New Energy bei der Atlas Copco, sagte: „Die Herausforderung bei der Integration von Wärmepumpen in der Industrie liegt darin, dass jeder seinen eigenen Anforderungskatalog hat.“ Dies zeigte er an den Beispielen Papier-, Chemische- und Lebensmittelindustrie sowie Fernwärme auf. Im Vortrag von Dr. Isabel Osterroth und Dirk Oschetzke, GEA Berlin, wurde dies an einem Praxisbeispiel in einem Brauereiprozess beleuchtet. Wärme und Kälte fallen in einem Batch Prozess an, so dass die Wärmepumpe für Brauereien von großem Wert sei, wie Paul Waning, Ehrenvorsitzender beim BWP, in der anschließenden Podiumsdiskussion bestätigte. Dekarbonisierungspotenziale sind umzusetzen: Im ersten Schritt ist der Energiebedarf zu optimieren, dann die Abwärme zu nutzen und anschließend aufzuwerten – erneuerbare Energiequellen sind ebenfalls zu integrieren.

Mögliche Temperatur- und Leistungsbereiche

Stand heute sind Wärmepumpen bereits mit Vorlauftemperaturen von über 200 °C und Wärmeleistungen jenseits der 50 MW verfügbar. Andrea Duvia, Senior Sales Consultant der Firma Turboden, regte auf die Frage nach der maximal möglichen Vorlauftemperatur eine andere Sichtweise an: „Die Frage nach der maximalen Vorlauftemperatur ist falsch, da der Temperaturhub zwischen Wärmequelle und Wärmesenke für die Effizienz entscheidend ist.“  Er erläutert weiter: „Wieviel kostet Strom gegenüber Gas? Gegenüber dem Kunden müssen mindestens sinkende Betriebskosten darstellbar sein.“

Noch ist eine Wärmepumpe von der Investition kostenintensiver als herkömmliche Wärmeerzeuger mit fossilen Brennstoffen. Wurden in der Vergangenheit von Finanzvorständen oft eine Amortisationszeit von maximal drei Jahren gefordert, ist nun teilweise eine Erweiterung auf bis zu acht Jahre zu beobachten. Dies könnte daran liegen, das Unternehmen langfristig energiepolitisch konkurrenzfähig aufstellen und die Dekarbonisierung vorantreiben. Lars Bluhm vom dänischen Hersteller Advansor A/S gibt hierzu Einblicke nach Skandinavien: „In Dänemark haben Fernwärmenetzbetreiber keinen Profitgedanken, Siedlungen schließen sich zusammen, bei 70 % Zustimmung wird das Projekt innerhalb von zwei Jahren umgesetzt. Auch ist das Strom-/Gaspreisverhältnis vorteilhafter zum Betrieb von Wärmepumpen.“

Benötigte Unterstützung durch Politik und BWP

Dr. Ute Hörrmann, Ministerialrätin des Wärmenetze-Referats im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, informiert, dass für den BEG Fördertopf 3,5 Mrd. € bereit gestellt wurden und dies „die Basis der Energiewende sei.“ Des Weiteren wird daran gearbeitet, Planungserleichterungen und kürzere Verfahrenswege für Großwärmepumpen und deren Wärmequellen durchzusetzen. Andreas Kaiser, Prokurist der Goodmen Energy, fordert den BWP auf, positiv auf Behörden Einfluss zu nehmen, um Genehmigungen zu beschleunigen. Seiner Erfahrung nach kann eine Zusage zwischen 7 Wochen bis über 1 Jahr benötigen. Er schlägt vor, Präzedenzfälle zusammen zu fassen, um für Entscheidung bei vergleichbaren Projekten darauf zurück greifen zu können.

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