Neues Gesetz soll Wohnungsbau erleichtern, bleibe aber interpretationsbedürftig

Bauturbo in Kraft – Chancen und Grenzen für den Wohnungsneubau

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung („Bauturbo“) am 30. Oktober 2025 will der Gesetzgeber Planungs- und Genehmigungsverfahren im Wohnungsbau vereinfachen. Das Gesetz sieht befristete Erleichterungen vor und verlängert zugleich bestehende Schutzmaßnahmen für den Mietwohnungsmarkt. Sven Häberer, Fachanwalt der Kanzlei Müller Radack Schultz, kommentiert: „Die Fülle an Regelungen, die das Ziel des Wohnungsbaus und den Erhalt bestehenden Wohnraums verfolgen, ist erfrischend. Der politische Wille zur Beschleunigung ist klar erkennbar.“

Erleichterungen in Gebieten mit Bebauungsplan

Künftig können Gemeinden in Gebieten mit bestehendem Bebauungsplan abweichend von den bisherigen Festsetzungen Bauvorhaben zulassen, wenn sie dem Wohnungsbau dienen (§ 31 Abs. 3 BauGB). Eine vorherige Feststellung eines angespannten Wohnungsmarktes ist dafür nicht mehr erforderlich – entscheidend ist die Zustimmung der Gemeinde. Allerdings gilt: Keine Ausnahme bei erheblichen Umweltauswirkungen. Damit bleibt der Schutz ökologischer Belange ein begrenzender Faktor.

Lockerungen auch im Innenbereich ohne Bebauungsplan

Auch in bebauten Innenbereichen ohne bestehenden Bebauungsplan können Gemeinden künftig Ausnahmen zulassen. Wenn die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung bestehender Gebäude der Schaffung oder Wiederherstellung von Wohnraum dient, kann vom bisherigen Einfügungsgebot abgesehen werden. Selbst bei der erstmaligen Errichtung von Wohngebäuden sind Befreiungen möglich – wiederum mit Zustimmung der Gemeinde. Dabei müssen nachbarliche Interessen berücksichtigt und das Vorhaben mit öffentlichen Belangen vereinbar sein – Einschränkungen, die nach Einschätzung vieler Fachleute weiterhin zu Auslegungsspielräumen führen dürften, wie Müller Radack Schultz Rechtsanwälte ausführt.

Berlin verlängert Umwandlungsverordnung

Die Verordnungsermächtigung für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt wurde um fünf Jahre – bis Ende 2031 – verlängert. Berlin hat ihre bereits im März 2025 auf Grundlage dieser Ermächtigung erneuert. Sie gilt (zunächst) ebenfalls für fünf Jahre. Nach Angaben des Berliner Senats zeigt die Regelung Wirkung: In den Milieuschutzgebieten wurde im Jahr 2024 kein einziger Antrag auf Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen gestellt, außerhalb dieser Gebiete sei die Zahl der Anträge spürbar zurückgegangen.

Neuer § 246e BauGB: Temporäre Befreiungen möglich

Ein besonders weitreichendes Instrument ist der neu eingeführte § 246e BauGB. Bis Ende 2030 können Gemeinden abweichend von den Vorschriften des Baugesetzbuchs Bauvorhaben zulassen, wenn sie der Schaffung oder Wiederherstellung von Wohnraum dienen – etwa durch Neubauten, Sanierungen oder Nutzungsänderungen. Sogar im Außenbereich kann unter bestimmten Voraussetzungen künftig Wohnungsbau ermöglicht werden – bislang war das nur für privilegierte Vorhaben zulässig.

Umwandlungsverbot bis Ende 2030 verlängert

Neben den neuen Regelungen tritt die Verlängerung des Umwandlungsverbots nach § 250 BauGB (z. B. von Miet- in Eigentumswohnungen) bis zum 31. Dezember 2030 fast in den Hintergrund – bleibt aber ein zentraler Bestandteil der Wohnraumsicherung.

Juristischer Ausblick: Beschleunigung mit angezogener Handbremse

Sven Häberer, Fachanwalt der Kanzlei Müller Radack Schultz, sieht durch den „Bauturbo“ Impulse für die Baubranche als auch limitierende Faktoren.
Bild: David Sonntag

Sven Häberer, Fachanwalt der Kanzlei Müller Radack Schultz, sieht durch den „Bauturbo“ Impulse für die Baubranche als auch limitierende Faktoren.
Bild: David Sonntag
Häberer resümiert: „Gebremst wird die Freude auf schnell entstehenden Wohnraum erneut durch Einschübe wie ‚unter Würdigung nachbarlicher Interessen‘ oder ‚Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen‘, die von den zuständigen Behörden schon in der Vergangenheit für die Einschränkung von Bauwünschen genutzt werden konnten. Es ist schwer vorzustellen, dass bspw. Nachbarn die Errichtung sie womöglich verschattender Wohngebäude gern sehen oder Naturschutzverbände die Errichtung von Wohnhäusern im Außenbereich fördern wollen. Kurz: Auch in Zukunft werden Bauherren, Behörden und Gerichte sich wohl mit den Auslegungen der Normen befassen dürfen. Ob das zu einer Beschleunigung von Wohnbauvorhaben führt, ist fraglich.“

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