Trocken- oder Nassprüfung? Was zu beachten ist!
Erhalt der Trinkwassergüte: Maßnahmen für eine hygienisch einwandfreie ProduktherstellungDas Bakterium Pseudomonas aeruginosa stellt Planer und SHK-Fachhandwerker immer wieder vor (vermeidbare) Herausforderungen. Denn das Stäbchenbakterium, das u. a. Wunden, Atemwege und die Lunge befallen kann, stellt insbesondere für vulnerable Personengruppen ein großes Gesundheitsrisiko dar, während Gesunde nicht gefährdet sind. Deswegen gibt es besondere Schutzmaßnahmen und Untersuchungspflichten in prioritären öffentlichen Einrichtungen, also in Krankenhäusern und (Alten-)Pflegeheimen, Einrichtungen für eine ambulante medizinische Versorgung sowie Kindertagesstätten. Herstellerseitig kontaminierte Bauteile sind die wesentliche Eintragsquelle für dieses Bakterium in die Trinkwasserinstallationen. Deswegen ist es wichtig, möglichst trocken geprüfte Bauteile einzusetzen. Dr. Peter Arens, Hygieneexperte bei Schell, und Torsten Leporin, Schell Betriebsleiter, erläutern im Gespräch, was Pseudomonas aeruginosa so gefährlich macht, was die Unterschiede zwischen Trocken- und Nassprüfung sind und wie genau eine Trockenprüfung abläuft. Weiterhin geben sie konkrete Tipps, wie es Planern und SHK-Fachhandwerkern gelingt, eine Kontaminierung mit Pseudomonaden noch vor der Inbetriebnahme einer Trinkwasserinstallation zu verhindern.
tab: Herr Dr. Arens, was sind die genauen Lebensbedingungen von Pseudomonas aeruginosa?
Dr. Peter Arens: Optimale Lebensbedingungen für Pseudomonaden sind Wassertemperaturen zwischen 25 °C und 45 °C. Doch das Bakterium vermehrt sich auch noch bei niedrigeren Temperaturen von 10 °C, allerdings deutlich langsamer. Als ein typisches Kaltwasser-Bakterium sterben Pseudomonaden jedoch bei einer Temperatur von 45 °C bereits ab und kommen also im Warmwasser mit mehr als 45 °C nicht vor. Tatsächlich sind Pseudomonaden wahre Überlebenskünstler. Sie benötigen für ihre Vermehrung nicht mehr als den Kohlenstoff in der Luft und haben somit extrem niedrige Nährstoffansprüche. Daher können sie im Gegensatz zu Legionella spec. auch produktionsfrische feuchte Oberflächen besiedeln.
tab: Was macht dieses Bakterium für den Menschen so gefährlich?
Dr. Peter Arens: Für die gesunde Normalbevölkerung ist es nicht gefährlich. Gefahr besteht bei Hautverletzungen, Fremdkörpersystemen wie Kathetern und für Menschen mit Vorerkrankungen wie Mukoviszidose. Weitere Risikogruppen sind Menschen, die früh aus dem Krankenhaus in ihr häusliches Umfeld entlassen wurden, aber noch nicht ganz ausgeheilt sind, und Kinder, da sie noch kein vollständig ausgebildetes Immunsystem besitzen. Vor diesem Hintergrund gibt es die jährliche Untersuchungspflicht im Gesundheitssektor und in Kindergärten, beginnend mit der Inbetriebnahme oder nach wesentlichen Umbauten. Aber nur in den genannten prioritären öffentlichen Einrichtungen.
tab: Pseudomonaden können eine Trinkwasserinstallation über kontaminierte Bauteile besiedeln. Wie passiert das?
Torsten Leporin: Letztendlich über das Wasser, das man als Hersteller bei der Nassprüfung nutzt, um Dichtigkeit oder Laufzeiten zu testen. Auch wenn das Wasser dabei regelmäßig gewechselt wird, kann nicht gewährleistet werden, dass es zu jeder Zeit „bakterienfrei“ ist. Ist das Prozesswasser kontaminiert, kommen die Produkte damit in Berührung und tragen dann insbesondere diese Bakterien in die Trinkwasserinstallation ein. Wie Fälle aus der Praxis gezeigt haben, reicht dafür ein einziger Wasserzähler. Trotzdem ist – beziehungsweise war – die Nassprüfung lange Zeit das übliche Verfahren in der Armaturenindustrie. Als einer der ersten hat Schell einen neuen Weg eingeschlagen und den Prozess auf Trockenprüfung umgestellt. Damit gehören wir zu den Pionieren auf diesem Gebiet.
tab: Wie genau läuft eine Nassprüfung für eine Armatur in der Produktion ab?
Torsten Leporin: Bei der Nassprüfung wird die Armatur an der Anschlussseite verschraubt, mit Druck beaufschlagt und im gefüllten Becken unter Wasser gehalten. Das ist die klassische Dichtheitsprüfung, bei der untersucht wird, ob an einer Stelle Luftbläschen austreten. Bei der Funktionsprüfung wird die Armatur mit einem Schnellverschluss an ein Kreislaufwasser angeschlossen. Beim Test wird die Laufzeit, also die Auslösezeit, betrachtet: Wie lange wird vom Öffnen bis zum Schließen benötigt. So werden Dichtheit und Funktion sichergestellt.
tab: Das hört sich erst einmal gut an.
Torsten Leporin: Ja, aus technischen Gründen gab es keinen Grund, anders vorzugehen – wenn es nicht diese Bakterien geben würde. Denn nach einer Nassprüfung ist es nicht möglich, die Armatur vollständig wasserfrei zu bekommen, trotz Ausblasen mit Druckluft. Man kann demnach nicht ausschließen, dass sich Rückstände von Wasser und damit auch Bakterien in der Armatur befinden.
tab: Wie funktioniert im Vergleich dazu eine Trockenprüfung?
Torsten Leporin: Bei der Trockenprüfung wird zunächst einmal kein Wasser benötigt, um die Dichtheit zu testen, sondern Druckluft. Dabei wird die Armatur mit Luft gefüllt und geschlossen. Anschließend wird mit einem hochempfindlichen Differenzdruckmessgerät geprüft, ob Druck entweicht. Trifft dies zu, ist die Armatur nicht dicht. Anders verhält es sich bei Funktionstests: Da es hier um den Durchfluss geht, muss mit Wasser gearbeitet werden. Um jedoch eine Kontamination mit Pseudomonaden auszuschließen, werden aus der jeweiligen Serie stichprobenartig Armaturen entnommen und an einem gesonderten Prüfplatz mit Wasser überprüft. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die in der Serie eingestellten Parameter in Ordnung sind. Die so geprüften Armaturen gelangen nicht zurück in den Produktionsprozess und gehen auch nicht in den Verkauf. Eine Kontaminierung mit Pseudomonaden wird so sicher ausgeschlossen.
tab: Welche weiteren Nachteile, neben einer möglichen Besiedlung mit Pseudomonas aeruginosa, sind mit einer Nassprüfung verbunden?
Torsten Leporin: Dadurch, dass nach der Nassprüfung Restanhaftungen oder Tropfen in der Armatur verbleiben können, besteht bei metallischen Werkstoffen immer auch das Risiko, dass sich stärkere Korrosionsablagerungen bilden. Voluminösere Korrosionsprodukte können sich ablösen, zu Verstopfungen führen und dadurch die Funktion beeinträchtigen. Von Nachteil ist auch, dass sensible Bauteile durch die unkontrollierte Befüllung beschädigt werden – das erlebt man in der Praxis immer wieder.
tab: Was sind im Vergleich dazu die Vorteile einer Trockenprüfung?
Torsten Leporin: Der größte Vorteil ist sicher, dass das Risiko einer Kontamination der Produkte mit Pseudomonas aeruginosa ausgeschlossen werden kann. Aber es kommen noch weitere Vorteile hinzu: Der Prüfprozess ist schnell, einfach und lässt sich kontinuierlich durchführen – auch programmunterstützt, was eine präzise Dokumentation und Nachverfolgbarkeit ermöglicht. Zudem ist die Prüfung mit Luft sensibler als mit Wasser: Selbst geringste Undichtigkeiten werden sicher erkannt, da Luft bereits bei geringsten Undichtigkeiten entweicht. Nicht zuletzt erfüllt die Trockenprüfung sämtliche normativen Vorgaben – und dass bei schlankeren und sichereren Prozessen.
tab: Was verstehen Sie unter sicheren Prozessen?
Torsten Leporin: Bei Schell entspricht die Trockenprüfung einem vollautomatisierten Prozess. Durch die Verwendung hochsensitiver Messgeräte bzw. Messtechnik, exakt definierter sowie automatisierter Testprogramme und die grundsätzliche Verwendung öl- und organikfreier Druckluft wird die mögliche Fehlerquelle „Mensch“ bei der Dichtheitsprüfung ausgeschlossen. Abschließend gibt es eine automatische Dokumentation der Ergebnisse: Ist die Armatur in Ordnung, wird sie am Anschlussschlauch mit einem Barcode versehen, bei dem die Prüfhistorie hinterlegt ist und der bestätigt, dass alle erforderlichen Parameter bestanden wurden.
tab: Wenn Trockenprüfung gegenüber Nassprüfung so viele Vorteile hat, warum gibt es dann noch immer Hersteller, die ihre Produkte nass prüfen?
Torsten Leporin: Dafür gibt es gute und weniger gute Gründe. Zum einen gibt es Bauteile, bei denen es nicht anders geht: zum Beispiel bei Produkten, die im Herstellungsprozess mit Wasser beaufschlagt werden müssen, vor allem aufgrund von Einstell- und Kalibrierarbeiten. Beispiele hierfür sind Wasserzähler, Sicherungseinrichtungen, Druckerhöhungsanlagen und oftmals auch Bauteile mit Gussgehäusen – obwohl letztere viel zuverlässiger als mit Wasser auch mit Luft auf Dichtigkeit geprüft werden können. Für diese Produkte muss dann gemäß DVGW W 551-4 (A) ein Hygienekonzept des Herstellers bis zum Einbauort vorliegen. Grundsätzlich verfügen aber auch alle nass geprüften Bauteile über hygienisch einwandfreie Oberflächen, wenn das verwendete Prüfwasser der Trinkwasserverordnung entspricht und zusätzlich frei von Pseudomonas aeruginosa ist. Bei diesen Produkten ist also die nasse Prüfung unvermeidbar. Warum jedoch die trockene Dichtheitsprüfung bei Sanitärarmaturen noch immer nicht Branchenstandard ist, ist mir ein Rätsel.
tab: Gibt es denn keine Normen und Regelwerke mit Vorgaben, wann trocken oder nass geprüft werden soll bzw. muss?
Dr. Peter Arens: Es gibt keine Normen und Regelwerke, wann trocken und nass geprüft werden muss. Sinnvollerweise wird lediglich das Schutzziel definiert, aber nicht der Weg dahin. So gibt es nur die Vorgabe, dass die Produkte hygienisch einwandfrei sein müssen. Hinterlegt ist dies in den beiden Regelwerken DVGW W 551-4 (A) und der VDI 6023 Blatt 1. Dort ist auch vermerkt, dass trocken geprüfte Produkte diese Vorgabe selbstredend erfüllen. Hingegen besteht bei nass geprüften Produkten immer ein Restrisiko, ob nicht doch einige wenige Bakterien enthalten sind. Viele Hersteller von Druckerhöhungsanlagen haben daher mobile thermische Desinfektionsanlagen im Einsatz. Hohe Temperaturen töten im Gegensatz zu chemischen Desinfektionsmitteln sehr zuverlässig die Bakterien auch in Spalten und im Biofilm ab. Dieser nachgelagerte Aufwand ist bei der Trockenprüfung von Produkten im Herstellungsprozess nicht erforderlich.
tab: Was sollten Planer und Fachhandwerker bereits für die Produktauswahl beachten und welche Tipps können Sie ihnen an die Hand geben?
Dr. Peter Arens: Fachplaner sind gut beraten, wenn sie schon im allgemeinen Teil des Leistungsverzeichnisses grundsätzlich Produkte mit hygienisch einwandfreien Oberflächen fordern. Dies ist beispielsweise immer dann gegeben, wenn die Produkte beim Hersteller trocken statt mit Wasser auf Dichtigkeit geprüft werden. Bei Sanitärarmaturen ist dies problemlos möglich, wie Schell beweist. Bei unvermeidbar nass geprüften Produkten sollte gemäß Regelwerk ein Herstellernachweis vorliegen.
Für SHK-Fachplaner empfiehlt es sich, grundsätzlich die Vorgabe mit in die Bestellung aufzunehmen, dass nur hygienisch einwandfreie Produkte vom Großhandel geliefert werden dürfen. Also entweder trocken geprüft oder nass geprüfte mit Herstellerangabe. Weitere Informationen können dem DVGW W 551-4 (A) entnommen werden.
