Supermarkt-Pilotprojekt

Wärmepumpe halbiert Heiz- und Kühlkosten

Standardmäßig werden alle niederländischen Lidl-Supermärkte mit zwei voneinander getrennten Kälte- und Klimaanlagen ausgestattet. Einerseits ein R410A-3-Rohr-VRF-System, welches für individuelles Heizen und Kühlen von Laden, Lager und Büros sorgt. Andererseits verfügen die Kühl- und Tiefkühlregale je über einen eigenen wassergekühlten Kreislauf (R290), der an einen zentralen Wasserkreislauf angeschlossen ist. Die Wärme aus diesem Kreislauf wird über einen Trockenkühler nach außen abgeführt. Beide Systeme interagieren nicht miteinander. In einem Pilotprojekt wurde jetzt ein neues Wärmepumpensystem eingesetzt, bei dem ausschließlich natürliche Kältemittel verwendet werden.

Der Discounter Lidl NL hat den größten niederländischen Kälte- und Klima-Großhändler Coolmark B.V., ein Tochterunternehmen der Beijer Ref AB, damit beauftragt, ein neues System zu entwickeln, mithilfe dessen der Supermarkt ausschließlich mit natürlichem Kältemittel betrieben wird und dabei eine Energieeinsparung ermöglicht. In diesem Pilotprojekt wurde erstmals ein Wärmepumpensystem mit einem 100 % natürlichen Kältemittel (Propæne R433A) zum Heizen und Kühlen eingesetzt. Mittels eines Plattenwärmetauschers soll das System mit dem Kühlwasserkreislauf in Verbindung stehen.

Im Pflichtenheft von Lidl NL wurden strenge Vorgaben definiert: 100 % natürliche Kältemittel (bevorzugt wird Kohlenwasserstoff – GWP nahe null), vollständige Rückgewinnung von Abwärme, individuell regulierbares und gleichzeitiges Heizen und Kühlen in nur einem Kreislauf. Außerdem gefordert: Kostentreue und kurze Installationszeiten nach Vorgabe, um den definierten Wiedereröffnungstermin einzuhalten. Für Lidl in Zwijndrecht ist in einem Supermarkt mit einer Gesamtfläche von über 1.600 m² eine innovative Anlage entstanden, basierend auf der patentierten „TripleAqua“: Die „TripleAqua“ ist eine von Beijer Ref AB neu entwickelte Drei-Rohr-Wärmepumpe und gleichzeitig ein Klimasystem. Es ist in der Lage, in einem Arbeitsgang zu heizen, zu kühlen und Energie zu speichern. Während z.B. Verkaufsräume oder Büros geheizt werden, können Kühl- und Tiefkühlschränke gleichzeitig gekühlt und überschüssige Energie kann in PCM-Latentwärmespeichern gespeichert werden. Dabei ergeben sich Kosteneinsparungen hauptsächlich aus drei Gründen (Bild 3).

1.) Das Speichern von Energie

Während des Kühlprozesses wird Wärme und beim Heizen wird Kälte erzeugt. „TripleAqua“ speichert diese Wärme und Kälte in der Anlage für eine spätere Nutzung oder zur Verwendung in einem anderen Gebäudeteil – ohne zusätzliche Kosten.

2.) Die Verwendung von nur drei Wasserleitungen 

Diese Leitungen werden mit einer für die Wärmepumpe jeweils idealen Temperatur verwendet, bei geringsten Temperatur-Differenzen: warm (28 bis 36 °C), kalt (12 bis 18 °C) und einer gemeinsamen Rücklaufleitung mit Umgebungstemperatur. Durch dieses patentierte System werden Installationskosten gesenkt. 

3.) Verzicht auf Vier-Wege-Ventile 

Das neue Design der Wärmepumpe macht die Verwendung traditioneller Vier-Wege-Ventile unnötig. Das System funktioniert sowohl im Kühl- als auch im Heizmodus mit den effizienten Gegenstrom-Betriebsarten, wodurch die Installation günstiger und der Betrieb effizienter wird.

Die technischen Installationen sind komplett auf dem Dach angeordnet (Bild 4). Alle Kühl- und Tiefkühlschränke sind durch einen geschlossenen Glykol-Kreislauf verbunden. Der Kreislauf ist über einen Plattenwärmetauscher mit der Wärmepumpe integriert worden. Ein Trockenkühler nimmt die Abwärme aus dem Supermarkt auf, insbesondere im Sommer, wenn keine Nachfrage nach Abwärme vorhanden ist.

Hauptkomponenten und deren Hersteller

Das insgesamt installierte System umfasst eine 65-kW-Außeneinheit „TripleAqua 3CA65“, 15 Innengeräte der Größen „3FS60/3FS32“, eine Wasserschleife mit drei Rohren für Warm-, Kalt- und Rücklaufwasser, einen modifizierten 64-kW-AHT-Trockenkühler, einen 64-kW-Plattenwärmetauscher, BMS/GLT-Steuerung, Energieüberwachung, AHU 3000 m3/h + HR, Glykolkreislauf und Standard-AHT-Kühl-/Tiefkühlschränke.

Der Markt hat regulär mit Glykol gekühlte Kühl- und Tiefkühlanlagen aus dem Hause AHT. Alle Kühlstellen sind mit dem Kältemittel R290 ausgestattet (Füllmenge kleiner als 150 g). Dazu kommen 64-kW-Rückkühler aus dem Hause AHT-­Basetec, Fürstenfeldbruck  sowie Plattenwärmetauscher HX Alfa Laval 64 kW TL6-BFM 96PL Alloy 304 (Weitere Details siehe Infokasten).

Erfahrung im laufenden Betrieb

Die Wärmepumpe wurde am 19. November 2015 von Coolmark in Betrieb genommen und der Supermarkt in der ersten Dezemberwoche 2015, wie geplant, vor Beginn der Weihnachtsverkäufe wiedereröffnet. Sie ist die einzige Heizquelle für den Laden. Die Installation und die Inbetriebnahme verliefen schnell, effizient und ohne Zwischenstopp.

In den ersten Betriebsmonaten wurden mehrere Updates der WP-Software vorgenommen, um die Leistung und das Ansprechverhalten der Anlage zu verbessern. Von Beginn an lieferte das System komfortable Temperaturen und Feuchtigkeit für den Laden, das Lager, die Kantine und das Büro im Rahmen der Spezifikationen von Lidl NL.

Während der Pilotphase über ein ganzes Jahr musste das System einen für Zwijndrechter Verhältnisse recht harten Winter und einen tropischen Sommer bewältigen. Daraus ergaben sich weitere interessante Erkenntnisse hinsichtlich des Betriebs.

Harter Winter

Die berechnete Entwurfsbedingung für den Winterbetrieb im Raum Rotterdam/Zwijndrecht liegt bei -­10 °C / 90 % Luftfeuchtigkeit. Das Systemschaffte problemlos -­7 °C bei fast 100 % Luftfeuchtigkeit. Bei nassem Schnee, starken Winden und hoher Luftfeuchtigkeit hat die Wärmepumpe nie die höchste Drehzahl der Verdichter abgerufen. Winterleistung und Abtaubarkeit der außenstehenden Wärmetauscher zeigten sich als äußerst souverän.

Heizen in der Übergangszeit

Aus den weiteren Betriebsdaten der Wärmepumpe im Jahresverlauf wurde ersichtlich, dass diese Art von Supermarkt – abhängig von der Sonnenintensität – bereits beheizt werden muss, sobald die Umgebungstemperatur unter +14 °C (~ +18 °C) sinkt. Wegen Verzögerungen an der externen GLT (Gebäudeleittechnik), ist die vorteilhafte und effizienzsteigernde Wärmerückgewinnung aus den Kühl- und Tiefkühlregalen noch nicht in Betrieb genommen.

Tropischer Sommer

Auch im Sommerbetrieb mit tropischen Tagen bei sehr starkem Regen und außergewöhnlich feuchtem und warmem Wetter wurde die „TripleAqua“ im Pilotbetrieb auf Herz und Nieren geprüft. Bei tropischen Bedingungen mit 32 °C bei fast 80 % relativer Luftfeuchtigkeit schaffte der Luftkondensator ein ΔT von ca. 8 K zur Umgebungstemperatur. Dabei dürfte die Wärmepumpe im Kühlmodus ihre maximale Kapazität erreicht haben.

Fazit

Mit der „TripleAqua“ wurden alle erwähnten Punkte des Lidl-Pflichtenheftes erfüllt und sogar noch mehr: höchste Effizienz, ein kostengünstiger und einfach zu steuernder Betrieb, ein GWP von nahe Null mit Standard-Komponenten, wettbewerbsfähige Investitionen, sehr einfache Installation und ein zuverlässiger Betrieb. Obwohl die Installation völliges Neuland und der Zeitrahmen sehr kurz war, lief das Projekt planmäßig und die bisherigen Ergebnisse sind hervorragend. „Wir können zwar noch keine exakten Zahlenangaben über die gesamten Energieeinsparungen machen, da wir noch keine kompletten Vergleichsdaten mit herkömmlichen Lidl-Läden haben, aber die uns bisher vorliegenden Daten sind mehr als vielversprechend“, freut sich die Lidl-NL-Abteilung Bau; und Menno B. A. van der Hoff, der Erfinder der „TripleAqua“ ergänzt: „39.915 kWh Verbrauch des Wärmepumpenkompressors in 405 Tagen für eine Ladenfläche von 1.630 m² – das sind nur 22 kWh/m2 im Jahr) – ist eine beeindruckend niedrige Zahl.“ Aufgrund des äußerst positiven Ablaufs des Pilotprojektes sind weitere Projekte bereits in der Planung.

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