Kommentar

Krankenschein per WhatsApp – muss das sein?

Jetzt ist es soweit: Die schöne digitale Welt hat das Arbeitsrecht an einer Stelle erreicht, an der es immer wieder zu Konflikten kommt. Nachdem im vergangenen Jahr die Berufsordnung der Ärzte geändert wurde, ist es in Einzelfällen wohl zulässig, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen per WhatsApp zu erteilen. Diesen Umstand nimmt nun ein Dienstleister zum Anlass, gegen Zahlung von 9 € eine „Krankschreibung vom Tele-Arzt“ anzubieten. Diese wird von approbierten Ärzten ausgestellt, gilt für eine Krankschreibung von maximal drei Tagen und ist höchstens zweimal im Jahr möglich. Der Anbieter verspricht, dass dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum Abend als WhatsApp-Nachricht und am übernächsten Tag per Post übermittelt wird – zusammen mit der Version für die Krankenkasse. Angeboten wird das ganze Verfahren nur bei Erkältungskrankheiten. Der Dienstleister wirbt auch damit, dass die Krankschreibung bis zu drei Tage zurückdatiert werden kann.

 

Diagnose ohne Untersuchung?

Wie soll eine belastbare Diagnose erstellt werden, wenn der Patient nicht vom Arzt untersucht wird? Reicht die virtuelle Untersuchung aus der Ferne – auch wenn sie mit einem einschlägigen „Fragenkatalog“ verbunden ist?

Die Berufsordnung für Ärzte scheint da eine „Öffnungsklausel“ zu enthalten: Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien soll im Einzelfall erlaubt sein, wenn es ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung und Dokumentation gewahrt wird. Außerdem muss die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt werden.

Der beschriebene Weg zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung scheint demnach rechtens zu sein. Allerdings findet sich hier keine Beschränkung auf Erkältungskrankheiten – der virtuelle Krankenschein dürfte dementsprechend auch in anderen Fällen möglich sein.

 

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit

Es ist ja nichts Neues, dass es im Zusammenhang mit Krankschreibungen immer mal wieder zu Unstimmigkeiten zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite kommt. Die Klassiker sind häufige Erkrankungen am Montag oder am Freitag, kurz vor oder kurz nach Urlaubstagen … Sie lassen die Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hegen. Wird nun noch eine „virtuelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ vorgelegt, können sich die Zweifel noch erheblich vergrößern.

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen haben grundsätzlich einen hohen Beweiswert. Im Fall der „virtuellen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ bleibt Arbeitgebern eigentlich nur der Weg, immer den medizinischen Dienst der Krankenkassen einzuschalten, um feststellen zu lassen, ob tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Dieser Weg verursacht allerdings noch mehr Arbeit und ist durchaus geeignet, das Arbeitsverhältnis nachhaltig zu belasten. Es bleibt also festzustellen: Die Möglichkeiten der digitalen Welt sind schön, passen aber zumindest an diesem Punkt nicht in die reale Arbeitswelt.

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.

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