Fehlgeschlagene Energieeinsparung

Über die Verhältnismäßigkeit einer Mangelbeseitigung

Das Thema „Energieeinsparung“ beschäftigt zunehmend die Gerichte. Dies wird sich mit Inkrafttreten des Gebäudeenergiegesetzes 2018, mit dem der Gesetzgeber das Energieeinsparungsgesetz, die Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz zusammenführt, sicherlich nicht ändern – im Gegenteil. Denn damit wird die EU-Gebäuderichtlinie, die einen Niedrigstenergiestandard für Neubauten fordert, umgesetzt. 

Noch steht nicht fest, welchen Inhalt das Gebäudeenergiegesetz haben wird. Mit einer weiteren Verschärfung der Anforderungen ist aber zu rechnen. Was dies für rechtliche Konsequenzen bei der Realisierung eines Bauvorhabens haben kann, zeigt die Entscheidung des OLG München vom 18. Juni 2014, 27 U 4301/13, gegen die die Beschwerde zum Bundesgerichtshof keinen Erfolg hatte. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 15. Februar 2017, VII ZR 148/14 die Beschwerde zurückgewiesen.


Zum Fall

Der Auftragnehmer sollte im Jahr 2006 ein Passivhaus in Holzbauweise errichten. Nach Einzug in das Haus kritisierte der Auftraggeber einen zu hohen Heizwärmebedarf und behauptete, der Passivhausstandard wäre nicht erreicht worden. Dies bestätigte ein Sachverständigengutachten; es wurde festgestellt, dass das errichtete Gebäude nicht die Kriterien eines Passivhauses erfüllte; die öffentlich-rechtlichen Mindestanforderungen der DIN 4108-Teil 2/2 waren nicht erfüllt. Um den entsprechenden Standard zu erreichen, insbesondere zur Herstellung des notwendigen Wärmeschutzes, wurde ein Nachbesserungsaufwand i.H.v. netto rd. 82.000 € ermittelt. Demgegenüber standen nach Berechnungen des eingeschalteten Sachverständigen ein Jahresmehrverbrauch von jährlich (nur) 86 €. Der Auftraggeber verlangte vom Auftragnehmer Schadensersatz in Höhe der Sanierungskosten von rd. 82.000 € netto. In erster Instanz wurde der Auftragnehmer dazu auch verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung hatte großenteils Erfolg.


Zur Entscheidung

Das Oberlandesgericht München bejaht zwar eine mangelhafte Leistung, weil der Passivhaus-Standard nicht erreicht werde. Das Gericht hält aber den vom Auftraggeber geltend gemachten Ersatzanspruch auf einen Ersatz der durch den Mangel verursachten Minderwert begrenzt, da die Nachbesserung des mangelhaften Werkes unverhältnismäßige Kosten verursache. Eine solche Unverhältnismäßigkeit liege dann vor, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Werkleistung ein ganz erheblicher und damit vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenüberstehe. Im vorliegenden Fall sah das Oberlandesgericht die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit überschritten; denn der Sachverständige habe lediglich einen Jahresmehrverbrauch (auf Grundlage des damaligen Gaspreises) von etwa 86 € ermittelt. Ausgehend von einer geschätzten Nutzungsdauer eines solchen Objektes von 70 Jahren und selbst bei Ansatz eines doppelten Gaspreises zur Abdeckung künftiger Gaspreiserhöhungen ergeben sich – so das Oberlandesgericht – letztlich Energieeinsparungen von insgesamt maximal 12.000 €; diese großzügig zugunsten des Auftraggebers unter Berücksichtigung zu erwartende Energiekostensteigerungen berechneten, über 70 Jahre währenden Energiemehrkosten betragen – so das Oberlandesgericht – nur knapp 15 % der vom Sachverständigen berechneten Sanierungskosten. Angesichts dieser Größenverhältnisse und der insoweit kaum spürbaren Auswirkungen des Mangels sehe ein vernünftiger Bauherr, der die Kosten für die Nachbesserung selbst zu tragen hätte, von dieser Nachbesserung ab. Deshalb hält es das Oberlandesgericht unter den Umständen des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände für mit Treu und Glauben nicht vereinbar, die hohen Mängelbeseitigungskosten für einen Mangel zu leisten, an dessen Beseitigung der Auftraggeber objektiv ein eher geringes Interesse hat.


Praxishinweis

Die Entscheidung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Einwand der Unverhältnismäßigkeit nur selten zum Zuge kommt. Immerhin hat der Bundesgerichtshof die Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung zurückgewiesen, so dass diese Entscheidung Bestand hat und für solche Fälle sicherlich herangezogen werden kann. Nicht diskutiert wurde in dem Verfahren, ob dadurch, dass der geschuldete Passivhaus-Standard nicht erreicht wurde, auf Seiten des Auftraggebers ein merkantiler Minderwert entstanden ist. Sicherlich dürfte der Marktwert eines solchen „Beinahe-Passivhauses“ geringer sein als ein „echtes“ Passivhaus. Welchen objektiven Marktwert ein solches „Beinahe-Passivhaus“ hat, kann letztlich nur ein Wertgutachten belegen.

Info

Schlünder Rechts-anwälte Partnerschaft mbB

Mit 21 Rechtsanwälten, davon sechs Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Sozietät Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Sozietät hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Architekten und Ingenieure, ausführende Unternehmen und Bauherren in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

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