CO2-Emissionen zügig senken

Die Zukunft des Heiztechnikmarktes – ein Update

Die Zeichen in der Heiztechnikbranche stehen auf „massiven Umbruch“. Und das nicht erst seit dem Klimapaket der Bundesregierung und den zuletzt aufrüttelnden Fakten zum Klimawandel. Die Energiewende ist in vollem Gang und wird alte Gewohnheiten durch neue Technologien und Notwendigkeiten ersetzen. Wir sprachen dazu mit Dr. Tillmann von Schroeter, Geschäftsführer Vaillant Deutschland.

tab: Herr Dr. von Schroeter, wie war Ihre erste Reaktion, als Sie die Eckpunkte des nunmehr beschlossenen Klimapaketes der Bundesregierung gehört haben?

Dr. von Schroeter: Die Politik macht mit dem Klimapaket die Heiztechnik endlich zu einem Topthema in puncto Energiewende und Klimawandel. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Das war ein wichtiger Schritt. Der mit Abstand größte CO2-Emittent in bundesdeutschen Haushalten ist nach wie vor die Wärme- und Warmwassererzeugung. Und 60 % aller Heizanlagen in Deutschland sind ineffizient. Das Potential zur gewünschten Reduzierung der CO2-Emissionen ist also riesig. 

tab: Ist es denn sinnvoll, aus diesen ineffizienten Heizanlagen komplett Nullemissionsanlagen zu machen?

Dr. von Schroeter: Je höher ich die Anforderungen bei der Heizungsmodernisierung setze, desto höher werden die Kosten und der Widerstand der Betreiber. Deswegen ist es aus unserer Sicht wichtig, auch Schritte mit aktuellen Heiztechnologien zu gehen, die die CO2-Emissionen bereits deutlich reduzieren – und das zu moderaten Kosten. Andere Länder wie England, in denen z.B. radikal auf Gas-Brennwerttechnik modernisiert wurde, haben uns das vorgemacht. 

tab: Wie würden Sie das auf den deutschen Markt übertragen?

Dr. von Schroeter: Prinzipiell muss die gesamte Branche daran arbeiten, dass wir zukünftig CO2-freie Systeme anbieten. Aber der Weg dahin ist noch weit. Deswegen müssen wir aktuell da beginnen, wo wir die CO2-Emissionen möglichst rasch und massiv reduzieren können. Wenn ich einen alten Ölkessel durch ein Gas-Brennwertgerät ersetze, steigt die Effizienz in der Regel um gut 20 %. Der Wechsel des Energieträgers bringt weitere 20 %. Wenn dann ein immer höherer Anteil an grünem Gas dazu kommt, reduziert sich der CO2-Ausstoß in Summe um mehr als 50 %. Das sind riesige Hebel, die wir in 5 Mio. Haushalten schnell nutzen können.


tab: Aber lassen sich die Probleme des Klimawandels tatsächlich durch den Einsatz von Gas als Energieträger lösen?

Dr. von Schroeter: Wenn wir derzeit sagen würden, dass wir alle Probleme des Klimawandels durch ein Verbot von Ölheizungen und den Ersatz durch Gas-Brennwertgeräte lösen könnten, dann wäre das weder richtig, noch ambitioniert genug. Wir alle müssen deutlich mehr unternehmen. Deswegen bieten wir als Vaillant zum einen die Möglichkeit, Gas-Brennwerttechnologie und erneuerbare Energien zu einem Hybrid-System zu kombinieren, zum anderen aber auch ein innovatives Programm an Wärmepumpen. Gerade die neue „aroTherm plus“ mit ihren hohen Vorlauftemperaturen bietet erstmals auch eine Lösung für die Wärmeversorgung im Baubestand.

tab: Sie hatten vorhin das Thema „grünes Gas“ ins Spiel gebracht. Kann das ein Teil der Lösung sein?

Dr. von Schroeter: Am Ende geht es bei der Wärmeerzeugung um die Reduktion von CO2-Emissionen. Wenn man sieht, dass durch die Beimischung von grünem Gas in das bestehende Gasnetz die CO2-Emissionen spürbar sinken können, ist das ein Gewinn für uns alle. Deswegen gibt es bereits zahleiche Projekte zum Einsatz von Wasserstoff-Technologien. Sie ist ein Teil im großen Puzzle der CO2-Reduzierungen. Dieses Puzzle lässt sich nicht durch Dogmen oder einseitige Ausrichtung auf einen Energieträger bzw. eine Technologie lösen. Im Mittelpunkt bei allen Puzzlestücken muss eine pragmatische und gleichzeitig wirtschaftliche Reduzierung der CO2-Emissionen stehen. Und das ist nur durch Technologieoffenheit und eine individuelle Betrachtung der jeweiligen Voraussetzungen im Objekt machbar.

tab:  Das heißt Sie plädieren auch weiterhin für die Verwendung des Energieträgers Gas in der Zukunft?

Dr. von Schroeter: Erdgas wird noch für viele Jahre ein wichtiger Bestandteil unserer Energieversorgungsstruktur bleiben. Deswegen setzen wir auch weiterhin auf hoch effiziente Gas-Brennwertgeräte, die aber – wo immer möglich – in Kombination mit erneuerbaren Energieträgern wie beispielsweise Solarthermiemodulen betrieben werden sollten.

Energieträger Gas mit langfristiger Perspektive

tab: Ist Gas denn angesichts des Klimawandels nicht ein reiner Übergangsenergieträger? 

Dr. von Schroeter: Der Energieträger Gas hat aus unserer Sicht eine langfristige Perspektive. Auch 2050 wird es noch eine entsprechende Gasinfrastruktur geben. Die Frage ist, was sich in diesem Gasnetz befinden wird. Und wie hoch dann der Anteil an erneuerbaren Gasarten wie Biogas und grüner Wasserstoff sein wird. Wir rechnen mit einem beigemischten Anteil insbesondere an Wasserstoff. Lokal wird es auch reine Wasserstoffnetze geben. Bestandsgeräte in Deutschland können bereits heute problemlos eine 10-%-ige Beimischung von Wasserstoff verarbeiten. Unsere neuen, gasadaptiven Brennwertgeräte können heute schon weit über 20 % Wasserstoff mitverbrennen.

tab: Ist Gas in Bezug auf seine Versorgungsstruktur denn auch weiterhin ein sicherer Energieträger, auf den wir setzen können?

Dr. von Schroeter: Energiepolitik ist immer auch Geopolitik und damit abhängig von zahlreichen Entwicklungen in der Welt – seien sie politisch oder wirtschaftlich bedingt. Unsere Gasversorgung ist aber durch immer mehr Lieferanten deutlich sicherer geworden als früher. Darüber hinaus wird künftig wie bereits angeführt grünes Gas aus erneuerbaren Quellen eine immer größere Rolle spielen.

tab: Würden Sie Ihrem Nachbarn, denn bei einer Modernisierung weiterhin empfehlen, auf ein Gas-Heizgerät zu setzen?

Dr. von Schroeter: Ich würde ihm zunächst empfehlen, dass der SHK-Fachhandwerker seines Vertrauens prüft, welche Technologien zur Wärmeerzeugung am besten für sein Haus geeignet sind. Entscheidet er sich dann gemeinsam mit dem Fachhandwerker für ein Gas-Brennwertgerät, ist das eine Entscheidung, die über die Lebensdauer des Gerätes richtig ist. Weil wir aber nicht wissen, wie sich das Gas in unseren Netzen in zehn oder fünfzehn Jahren zusammensetzen wird, sollte er auf ein gasadaptives Gerät wie unseren „ecotec exclusive“ setzen. Darüber hinaus wird ihm sein Fachhandwerker wohl empfehlen, eine Solarthermieanlage mindestens zur solaren Warmwassererzeugung in das System einzubinden. Wenn mein Nachbar noch etwas mehr zur CO2-Reduktion betragen möchte, wäre auch unsere neue Wärmepumpe „arotherm plus“ eine sehr nachhaltige und zukunftssichere Variante.

tab: Sie haben das Thema Wasserstoff als Energieträger angesprochen. Sind die derzeitigen Verfahren, um aus Ökostrom Wasserstoff herzustellen, nicht extrem ineffizient? 

Dr. von Schroeter: Wenn wir mit erneuerbaren Energien mehr Strom produzieren als zum Zeitpunkt der Produktion benötigt wird, werden Anlagen zur Gewinnung von Wasserstoff relevant. Natürlich ist es wichtig, dass die Prozesse hierfür effizienter werden und sich CO2-emittierende Energien verteuern. Aber wenn es Überschussenergie gibt, die momentan nicht anders sinnvoll genutzt werden kann, sind Wasserstoffanlagen wirtschaftlich sinnvoll. Darüber hinaus wird Deutschland als Energieimportland Wasserstoff importieren müssen, um den Bedarf zu decken.

Ausbau der Stromnetze setzt Grenzen

tab: Aber wenn der überschüssige Ökostrom direkt in Wärmepumpen genutzt würde, wäre die Effizienz doch deutlich höher. Warum also der Umweg über den Wasserstoff?

Dr. von Schroeter: In einer Welt mit perfekter Stromverteilungs-Infrastruktur würden wir die Technologie Wärmepumpe noch stärker vorantreiben, als wir es derzeit ohnehin schon tun. Wir sehen aber, wie aufwendig und langwierig der Ausbau der Stromnetze ist. Deswegen setzen wir strategisch auf die Energieträger Gas und Strom. Die Zeit für eine Eindämmung des Klimawandels läuft immer schneller ab. Es wird nicht die eine Lösung geben. Deswegen können wir es uns nicht erlauben, nur auf ein Pferd zu setzen. Es wird genügend Bereiche geben, in denen wir die Strom-Infrastruktur nicht schnell genug realisieren können – weil ja auch die Elektromobilität massiv vorangetrieben wird. Zudem werden wir absehbar einfach nicht genügend erneuerbaren Strom produzieren können, um damit alle Sektoren flächendeckend zu versorgen. So werden dann Gas und Wasserstoff in verschiedenen Anwendungsbereichen zur Verringerung der CO2-Emissionen beitragen.

tab: Ist es denn generell überhaupt möglich, im Baubestand eine alte Öl- oder Gasheizung direkt gegen eine Wärmepumpe zu tauschen und so die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren bzw. komplett gegen Null fahren zu lassen?

Dr. von Schroeter: Diese Frage muss vor Ort immer der beauftragte SHK-Fachhandwerker beantworten. Denn jedes Gebäude bietet ganz individuelle Voraussetzungen, die eine Entscheidung für oder gegen eine Technologie zur Wärmeerzeugung beeinflussen. Dabei geht es nicht nur um die Fassadendämmung, dichte Fenster und Türen, sondern beispielsweise auch um die Anzahl der Bewohner und ihren Warmwasserverbrauch. Im Einzelfall muss auch jeweils geprüft werden, ob flankierende Maßnahmen wie z.B. die Dämmung der obersten Geschossdecke den Einsatz einer Wärmepumpe ermöglichen. Damit das Fachhandwerk diese Entscheidung möglichst sicher und einfach treffen kann, bieten wir eine Rundum-Unterstützung. Das beinhaltet auch unser speziell aufgelegtes Klimapaket plus mit einer stressfreien Abwicklung der Heizungssanierung sowohl für das Fachhandwerk als auch den Endkunden, z.B. durch unseren Fördergeld-Service.

tab: Ist nicht vor allen Dingen auch die, im jeweiligen Gebäude benötigte Vorlauftemperatur relevant, wenn es darum geht, ob eine Wärmepumpe im Austausch eingesetzt werden kann?


Dr. von Schroeter: Das ist sicher eines der zentralen Entscheidungskriterien. Doch durch neue Wärmepumpen-Technologien wie unsere „arotherm plus“ ist es ja erstmals auch möglich, mit Wärmepumpen für das Ein- und Zweifamilienhaus Temperaturen bis zu 75 °C zu erzeugen. Die Bandbreite der möglichen Einsätze wird sich damit deutlich erweitern. 

Wärmepumpen auch im Baubestand einsetzbar

tab: Kann das auch auf Gebäude mit Heizungen zutreffen, die typischerweise jetzt zum Austausch anstehen – also Gebäude aus der 1980er und 1990er Jahren?

Dr. von Schroeter: Für ein Gebäude aus den 1980er und 1990er Jahren, das bauartbedingt eine Vorlauftemperatur von 55 oder 60 °C benötigt, kann eine Wärmepumpe künftig eine wirtschaftliche Lösung sein. Bislang mit Gas- oder Öl-Wärmeerzeugern versorgte Heizanlagen mit Radiatoren und einer Vorlauftemperatur von bis zu 55 °C können in der Regel durch unsere neuen Wärmepumpen ersetzt werden. Flächenheizungen sind nicht mehr unbedingt erforderlich. Die Entscheidung muss im Einzelfall aber immer der beauftragte Fachhandwerker treffen.

tab: Abschließend die Frage an Sie, wie Sie die Anstrengungen zur Energiewende in Ihren internationalen Absatzmärkten, beispielsweise in China oder UK wahrnehmen?

Dr. von Schroeter: Gerade in China sind wir in den vergangenen Jahren deutlich zweistellig gewachsen – vor allem mit modernen Gasheizgeräten, die auch in Deutschland für den chinesischen Markt produziert werden. In China wird bereits seit mehreren Jahren sehr offen über die Luftverschmutzung gesprochen. Das verdeutlicht den Konsens zwischen Gesellschaft und politischer Führung. Die Erfolge Chinas in der Reduzierung der Luftverschmutzung sind enorm. Auch hier setzt man aber auf mehrteilige Lösungskonzepte, in denen sowohl die Energieträger Gas als auch Strom eine herausragende Rolle spielen. Großbritannien ist nach wie vor der größte Gasmarkt in Europa. Auch hier sieht man die Notwendigkeit, die CO2-Emissionen massiv zu reduzieren. Durch den oftmals sehr alten Baubestand mit geringen Dämmstandards scheiden dann Wärmepumpen aus. Deswegen setzt man hier auch auf Wasserstoff und hat verschiedene Projekte auf den Weg gebracht.

tab: Herr Dr. von Schroeter – vielen Dank für das Gespräch. 

Das Interview für die tab führte Martin Schellhorn, Haltern am See.

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