Anlagentechnik in Nichtwohngebäuden

Hemmnisse und Lösungen für den energieeffizienten Betrieb

Da für die Bereitstellung von Raumwärme, Klimakälte und Warmwasser in Deutschland gegenwärtig rund ein Drittel der gesamten Primärenergie aufgewendet wird, spielt der energieeffiziente Betrieb von Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen eine wichtige Rolle für das Erreichen der Klimaschutzziele. In vielen Gebäuden werden daher moderne Anlagen installiert. Es zeigt sich jedoch, dass die erwarteten Einsparungen in der Praxis meist nicht erreicht werden. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes ENGITO weisen darauf hin, dass dies vielfach auf arbeitsorganisatorische Hemmnisse zurückzuführen ist, die bislang zu wenig berücksichtigt werden.

Das Forschungsprojekt

Welche Faktoren haben einen hemmenden Einfluss auf den energieeffizienten Betrieb komplexer Anlagentechnik in Nichtwohngebäuden? Welche technischen und organisatorischen Maßnahmen sind geeignet, um Einsparungen zu erreichen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Forschungsprojekt ENGITO (Energieeinsparung durch gering-investive technische und organisatorische Maßnahmen an komplexen Wärme- und Kälteanlagen), das an der Technischen Universität Berlin vom Fachgebiet Maschinen- und Energieanlagentechnik und dem Zentrum Technik und Gesellschaft durchgeführt wird (Förderung: Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung BENE, Förderkennzeichen BENE 1052-B5-O). Das Projekt zeichnet sich durch die Verschränkung ingenieur- und sozialwissenschaftlicher Analysen und einen starken Praxisbezug aus (Bild 2). Die Forschungsergebnisse gehen in Form individueller Empfehlungen zu technischen und organisatorischen Optimierungen direkt in die Praxis ein und sollen dazu beitragen, in den teilnehmenden Liegenschaften dauerhaft einen energieeffizienten Anlagenbetrieb sicherzustellen. Zusätzlich werden Checklisten entwickelt, die die Liegenschaftsverantwortlichen bei der Identifikation von Einsparpotentialen und bei der Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen unterstützen sollen.

Bislang wurden technische Kurzzeitmessungen und Befragungen in 15 Berliner Liegenschaften durchgeführt. Untersucht wurden komplexe Anlagen zur Heizung, Lüftung und Klimatisierung in Nichtwohngebäuden wie Bildungseinrichtungen, kommunalen Unternehmen und Kitas. Die technischen Messungen (Temperatur- und Durchflussmessungen) erfolgten über einen kurzen Zeitraum mittels nicht-invasiver Messtechnik. Parallel dazu wurden mit relevanten Personen der Liegenschaften (Gebäude- und Energiemanage, Anlagenbetreuer u.a. Haustechniker, Gebäudenutzer) sowie mit Experten verschiedener Bereiche (Anlagenplanung, Energieeffizienzberatung, Energiespar-Contracting, Anreizsetzung) Interviews geführt. In Workshops mit den Praxispartnern wurden Lösungsansätze zu den identifizierten Hemmnissen entwickelt.

 

Technische Hemmnisse

An allen untersuchten Anlagen wurden technische Fehler und Optimierungspotentiale identifiziert. Besonders häufig traten ungünstige Reglereinstellungen (u.a. bei Vorlauftemperaturen und Erzeugerfolge), unangepasste Volumenströme und ein bezüglich der Nutzungszeiten unvorteilhafter Betrieb auf. Insbesondere das Potenzial regenerativer Komponenten (z.B. Solarthermie, Wärmepumpen) wurde dadurch nicht vollständig ausgeschöpft.

Zusätzlich zeigte sich, dass kleine Mängel (z.B. fehlerhafte Sensoren) in den komplexen Anlagen zu Fehlerketten führen können, die gravierende Auswirkungen sowohl auf die Effizienz als auch auf die Sicherheit des Anlagenbetriebs haben können. Die Wirkung der Fehler auf das Gesamtsystem wird oftmals nicht erkannt.

Das Erkennen der festgestellten technischen Fehler wäre oft bereits mit einfachen Mitteln möglich z.B. durch regelmäßige Sichtkontrollen der Anlagen oder durch Überprüfen des Verbrauchs anhand der Betriebskostenabrechnungen. Es wurde deutlich, dass die festgestellten Mängel meist auf organisatorischen Problemen in den Liegenschaften beruhen. 

 

Arbeitsorganisatorische Hemmnisse

Die Analysen lassen erkennen, dass dem energieeffizienten Anlagenbetrieb bislang i.d.R. wenig Aufmerksamkeit beigemessen wird, da in den Liegenschaften ein störungsfreier Betrieb und kurzfristige Kosteneffizienz meist Priorität haben. 

Am häufigsten wurden in den Interviews Probleme benannt, die in der Betriebsphase auftreten. Als hemmende Faktoren im Betrieb erwiesen sich insbesondere das Fehlen von Anreizen für Einsparungen, unklare Zuständigkeiten, eine geringe Priorität von Energieeffizienz im Arbeitsalltag sowie Personal- und Fachkräftemangel. Weitere Hindernisse sind das Fehlen eines strukturell etablierten Monitorings, die eingeschränkte Nachvollziehbarkeit der komplexen Technik sowie die mangelhafte Dokumentation (z.B. veraltete Bestandspläne). Aber auch bereits während der Anlagenplanung, des -baus sowie der Inbetriebnahme treten Hemmnisse auf (Bild 1). Typische Hemmnisse bei der Inbetriebnahme sind das Ausbleiben individueller Anpassungen an die spezifischen Bedingungen der Liegenschaften und eine unzureichende Einweisung der Verantwortlichen zum Umgang mit der Technik. Hindernisse der Planungs- und Bauphase sind ein Mangel an qualifizierten Fachfirmen, Planungs- und Baufehler (z.B. Überdimensionierung von Anlagen) und bürokratische Hemmnisse (u.a. komplizierte Ausschreibungsverfahren). Aber auch kurzfristige Amortisationsziele, die sinnvolle Optimierungen verhindern sowie Kommunikationsdefizite zwischen Planern, Baufirmen und Betreibern, durch die Anforderungen aus der Praxis in der Planung zu wenig berücksichtigt werden, stellten sich als wesentliche Hemmnisse heraus.

Als grundsätzliches Problem erwies sich, dass Energieeffizienz meist nur in der Planungsphase, nicht aber während des Betriebs als Anforderung betrachtet und aktiv unterstützt wird. Im Anlagenbetrieb wird Energieeffizienz vorwiegend der Technik zugeschrieben, d.h. es wird davon ausgegangen, die installierte Anlagentechnik sei „automatisch“ effizient. Daher bestehen diesbezüglich meist keine konkreten Zuständigkeiten seitens des Gebäude- und Energiemanagements, der Anlagenbetreuung (z.B. Haustechniker, Hausmeister) sowie von Wartungs- und Instandsetzungsfirmen. In der Praxis zeigt sich, dass diese Akteure durchaus großen Einfluss auf den effizienten Betrieb der Anlagentechnik haben, indem sie technische Probleme beheben, Einstellungen anpassen und Wartungsarbeiten durchführen. 

 

Lösungsansätze

In Workshops mit Gebäude- und Energiemanagern, Energieberatern sowie Wartungs- und Instandsetzungsfirmen wurde deutlich, dass der energieeffiziente Betrieb vor allem durch eine Ausrichtung der Arbeitsorganisation und der Kommunikationsbeziehungen auf dieses Ziel unterstützt und langfristig sichergestellt werden kann. Praxistaugliche Lösungen sollten insbesondere bei der Regelung verbindlicher Zuständigkeiten, bei Interaktionen der relevanten Akteure und attraktiven Anreizen für Einsparungen ansetzen (Bild 3). 

Bereits während der Anlagenplanung ist eine intensive Kommunikation zwischen Planern, Anlagenerrichtern, Betreibern und den späteren Nutzern wichtig, um bedarfsgerecht dimensionierte und damit effiziente Anlagen zu errichten. Auch eine Vereinfachung der Vergabeverfahren und verpflichtende Lebenszykluskostenrechnungen können dazu beitragen. Weiterhin sollte das notwendige Monitoring bereits in der Planungsphase konzipiert werden.

Da der Inbetriebnahme bislang oft wenig Bedeutung beigemessen wird, sollte sichergestellt werden, dass die Technik an die spezifischen Bedingungen der Liegenschaften angepasst wird (statt Übernahme von Standardeinstellungen) und die zukünftig verantwortlichen Beschäftigten ausführlich (z.B. in mehreren Terminen) eingewiesen werden. Als Grundlage einer optimalen Inbetriebnahme wurde von den befragten Experten die Festschreibung einer zusätzlichen Leistungsphase dafür in der Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) angeregt. Wesentlich ist auch, dass ein strukturiertes Monitoring durchgeführt wird, um auch kleinere Fehler zu identifizieren und beseitigen zu können.

In der Betriebsphase ist es besonders wichtig, verbindliche Zuständigkeiten für Energieeffizienz zu schaffen z.B. indem eine verantwortliche Person durch ein regelmäßiges Monitoring erforderliche Maßnahmen identifiziert und kontrolliert. Dies kann intern (z.B. im Rahmen des Gebäudemanagements) oder durch einen externen Dienstleister (z.B. Energiespar-Contracting) erfolgen. Die Priorität von Energieeffizienz könnte z.B. durch eine finanzielle Beteiligung von Liegenschaften oder Abteilungen an erzielten Einsparungen erhöht werden. Ihr Stellenwert kann im Arbeitsalltag auch von Vorgesetzten positiv beeinflusst werden, indem sie effizienzbezogene Maßnahmen unterstützen, Ziele setzen und entsprechendes Engagement anerkennen. Energiesparziele und erreichte Erfolge sollten regelmäßig kommuniziert werden, um die relevanten Akteure zum Mitwirken zu motivieren.  

Fazit

Insgesamt wird deutlich, dass ungünstige arbeitsorganisatorische Bedingungen vielfach einen energieeffizienten Anlagenbetrieb behindern und dazu führen, dass die technischen Möglichkeiten der Anlagen nicht ausgeschöpft werden. Um insbesondere komplexere Anlagen langfristig effizient betreiben zu können, müssen daher neben technischen Aspekten soziale Faktoren der Arbeitsorganisation stärker berücksichtigt werden. Als besonders wichtig erscheint es, in den Liegenschaften verbindliche Zuständigkeiten für Energieeffizienz zu schaffen und attraktive Anreize für Einsparungen zu setzen. Hinsichtlich wirksamer Anreize sind allerdings auch übergeordnete politische Maßnahmen notwendig, die über den Handlungsspielraum der einzelnen Einrichtungen hinausgehen.

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