Energieeffiziente Verbundleitstelle für 150 Liegenschaften
Zentrales Gebäudemanagement durch Glasfaser und BACnetAls zweitgrößte Stadt ihres Landkreises in Baden-Württemberg stellt Böblingen ihr Amt für Gebäudemanagement vor umfangreiche Aufgaben. Die zahlreichen städtischen Liegenschaften, darunter Bildungseinrichtungen, Sportstätten und die Feuerwehr müssen betreut, gepflegt, wirtschaftlich betrieben und auf dem aktuellen Stand der Technik gehalten werden. Die Modernisierung der TGA hat das Ziel, die zentrale Visualisierung, Bedienung und Überwachung aller städtischen Gebäude zu erreichen.
Mit 52.000 Einwohnern ist Böblingen eine der größten Städte des gleichnamigen Landkreises und besitzt 200 Liegenschaften, von denen etwa 150 ein eigenes lokales Gebäudemanagement aufweisen. Für die Stadt stehen bei diesen Gebäuden Herausforderungen wie unzureichende Energieeffizienz, steigende Heizkosten, fehlende Transparenz und langsame Reaktionszeiten bei Ausfällen an. 2022 entschied die Stadtverwaltung, das Gebäudemanagement zu modernisieren – mit der Anforderung, keine Insellösung zu schaffen. Ein Vorteil war das bereits in der Infrastruktur vorhandene Glasfasernetz, das alle städtischen Liegenschaften verbindet und die Grundlage für eine vernetzte Lösung bilden sollte.
Verschiedene Möglichkeiten für die Umsetzung einer zukunftsfähigen Gebäuderegelung hatte die Stadtverwaltung schon zuvor geprüft. Die dabei geknüpften Kontakte zu OAS-Geschäftsführer Ralf Rostock sowie den OAS-Systempartnern Elektro-Service-Müller und PGA Automation erwiesen sich als wertvolle Grundlage für die Umsetzung des neuen Großprojekts. Ralf Rostock beschreibt den Auswahlprozess: „Die Stadt Böblingen war auf der Suche nach einem Komplettanbieter für einen zentralen Server mit aufgeschaltetem Building-Management-System (BMS) und einer nutzerfreundlichen Visualisierung. Gleichzeitig wurde seitens der Stadt großer Wert darauf gelegt, dass die Software auf einem gängigen und vor allem offenen Standard basiert. Nicht nur konnten wir die technischen Vorgaben für die Gebäudeautomation vollumfänglich abbilden, als zertifizierter TRIDIUM-Partner bauen unsere Supervisor-Lösungen außerdem auf dem offenen Niagara-Framework auf.“
Drei große Modernisierungsprojekte
Nachdem Projektierung, Planung und Ausschreibung erfolgreich abgeschlossen wurden, begannen im April 2023 die Arbeiten an drei großen und umfangreichen Liegenschaften: dem Albert-Einstein-Gymnasium, der Erich-Kästner-Grundschule und der Albert-Schweizer-Realschule. Die Sanierung des größten Objekts, des Albert-Einstein-Gymnasiums, wurde als erstes gewählt – und das nicht ohne Grund, erklärt Michael Gamerdinger, MG e-consulting (Holzgerlingen) und Berater für das technische Gebäude- und Energiemanagement der Stadt, den TGA-Zustand der Liegenschaften: „Als riesiger Glasbau ist das Albert-Einstein-Gymnasium eine energetische Herausforderung. Konstruktionsbedingt kühlt es schnell aus, entsprechend hoch ist der Energieverbrauch. Gleichzeitig mussten wir feststellen, dass die vorhandene Regelungstechnik hoffnungslos veraltet war.“
Optimistischer fiel dagegen die Analyse der Erich-Kästner-Grundschule aus. Hier konnte die Stadt Böblingen auf bestehender Technik aufbauen und auch die vorhandenen Bussysteme weiter nutzen, sodass die Gebäude-Infrastruktur nicht komplett neu aufgebaut werden musste. Die bisher größten Herausforderungen brachte die Sanierung der Albert-Schweizer-Realschule mit sich. Die dortige Regelung stammte noch aus den 1960er Jahren und war technisch abgängig sowie nicht mehr funktionsfähig. Entsprechend mussten Schaltschränke und Regelungstechnik komplett neu aufgebaut werden.
Integration und Vernetzung über BACnet
Während sich die technischen Gegebenheiten in den einzelnen Liegenschaften z. T. stark voneinander unterschieden, blieb das zentrale Grundbedürfnis der Stadt Böblingen gleich: Die Regelung, Steuerung und Überwachung der gebäudetechnischen Anlagen. Infolgedessen mussten zunächst die bestehenden Gebäudeautomationssysteme der Kostengruppe 480 (DIN 276) sowie die Schaltschränke der Schulgebäude auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Funktionsfähige Anlagenteile wie Ventile und Stellantriebe wurden dabei nach Möglichkeit weiterverwendet und auf neue, Niagara-basierte Automationsplattformen vom Typ „OAS SBS JACE 8N4“ aufgeschaltet. Um die Kommunikation bestehender Automatisierungsstationen mit der Gebäudemanagementebene über BACnet-IP oder das Niagara-Framework (FOXs) sicherzustellen, integrierten OAS-Mitarbeiter die bestehenden BACnet-Automationsstationen via BACnet@-IP. Indem die vorhandenen Umwälzpumpen mit BACnet-MSTP-Schnittstellen nachgerüstet wurden, konnten diese ebenfalls eingebunden werden. Das Ergebnis war die erfolgreiche Integration und Vernetzung aller Fremdsysteme über BACnet. Im letzten Schritt konnten die Automationsplattformen mit einer vom BMS unabhängigen, grafischen Web-Browser-Funktionalität ausgestattet werden.
Verbundleitstelle optimiert Gebäudemanagement
Die durchgängige Digitalisierung des Gebäudemanagements durch eine übergreifende Portalsoftware war das Schlüsselelement der umfangreichen Sanierung und Modernisierung. Der Vorteil: Im Gegensatz zur klassischen Gebäudeleittechnik auf Einzelrechner-Basis, die für jede Liegenschaft eine eigene, fragmentierte Insellösung erfordert, kann die neue Verbundleitstelle der Stadt als BMS-Portal von einem zentralen Server aus betrieben werden. Aufgrund dieser integrierten Datenbasis über alle angeschlossenen Gebäudeeinheiten erhalten Anwender Echtzeitzugriff auf alle verfügbaren Messdaten und profitieren von ganzheitlichen Auswertungen sowie einer Visualisierung.
Dabei stehen nicht alle Daten allen Nutzern gleichermaßen zur Verfügung. Um den erhöhten Anforderungen an die Datensicherheit im kommunalen Bereich Rechnung zu tragen, wurden von OAS, spezifisch für Böblingen, individuelle Navigations- und Bedienelemente für verschiedene Rollen und Benutzer entwickelt – vom Hausmeister einer einzelnen Schule bis hin zum Administrator. Als weiteren Vorteil für die Stadt nennt Gamerdinger den kaskadierenden Aufbau der Lösung: „Alle Arbeiten können Schritt für Schritt angegangen werden. Je nach Bedarf installieren wir zusätzliche Datenpunkte und kaufen weitere Lizenzen. So können wir das Niagara-basierte Supervisor-System nach und nach aufbauen und um weitere Funktionalitäten ergänzen.“
Blick in eine effiziente Zukunft
Die Stadt Böblingen verfolgt einen integrierten Ansatz, bei dem Regelung, Anlagenvisualisierung und Energiemanagement eng miteinander verknüpft sind.Die genauen Einsparungen bei Energie- und Ressourcenverbrauch werden erst nach der Auswertung historischer Daten vollständig ersichtlich sein – erste Ergebnisse zeigen jedoch erhebliche Effekte. Bereits die erneute technische Erschließung der bestehenden Anlagen wies große Einsparpotenziale auf: Bspw. wurden ein defektes Fernwärmeübergabeventil und eine Lüftungsanlage in einer Sporthalle identifiziert und optimiert. Im Zuge der Sanierung wurden aber nicht nur zahlreiche Energie- und Ressourcenverschwendungen identifiziert. Während des Projekts war es möglich, die Gebäudetechnik um eine Vielzahl relevanter Datenpunkte zu ergänzen. So wurden vor allem in den Schulgebäuden Zonen- bzw. Einzelraumregelungen implementiert und die bestehenden Lüftungsanlagen in den Fachklassenräumen mit speziellen Luftqualität-Fühlern ausgestattet. Diese erfassen die Messdaten pro Raum und können zudem zwischen unbelegten und belegten Räumen unterscheiden. In den schulischen Liegenschaften informiert darüber hinaus eine CO2-Ampel Lehrer und Schüler live über die Luftqualität.
Mit dem Aufbau der webbasierten Verbundleitstelle und dem Abschluss der Arbeiten an den drei großen Liegenschaften Albert-Einstein-Gymnasium, Erich-Kästner-Grundschule und Albert-Schweizer-Realschule sowie einem Dutzend weiterer städtischer Objekte wurden alle Ziele des gemeinsamen Projekts von der Stadt und OAS umgesetzt. Während damit etwa 10 % des gesamten Gebäudebestandes der Stadt an das neue OAS-Niagara-Supervisor-Portal der Stadt angeschlossen sind, sollen in Zukunft alle 150 Objekte modernisiert und vernetzt werden. Der wichtigste Schritt ist aus Sicht von Gamerdinger bereits getan: „Die größten Energieverbraucher der Stadt sind im Monitoring-System. Jetzt arbeiten wir uns vom Großen ins Kleine.“ Natalie Kopestenski vom städtischen Amt für Gebäudemanagement ergänzt: „Mit Unterstützung von OAS können wir erstmals wirklich schnell und übersichtlich auf all unsere Daten zugreifen und diese komfortabel auswerten. Für die Stadt Böblingen ist das ein großer Schritt in eine effizientere Zukunft.“
