Umwidmung und Sanierung eines Industriegeländes

Der Energiepark Hirschaid

Mit einem architektonischen und energetischen Gesamtkonzept wurde ein ehemaliges Industriegelände bei Bamberg zu einem modernen Veranstaltungszentrum umgebaut. Der im April 2014 eröffnete Energiepark Hirschaid realisiert die Vision eines ressourcenschonend sanierten Gebäudes mit Hilfe einer individuellen Energieplanung. Kernstück der Wärmeerzeugung ist eine Grundwasser-Wärmepumpe.

Gründer und Inhaber Frank Seuling hat bei der Anlage des Konferenz- und Veranstaltungszentrums „Energiepark Hirschaid“ für so genannte „green meetings“ in Hirschaid bei Bamberg nicht nur einen geringen Energieverbrauch in den Fokus gestellt. Hinter dem ganzheitlichen Konzept des Energieparks steht die Idee, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes von der Herstellung der Baustoffe bis zum endgültigen Rückbau unter ressourcenschonenden und CO2 sparenden Gesichtspunkten zu betrachten und zudem im Hinblick auf die zukünftige Nutzung Aspekte wie Städteplanung, Barrierefreiheit und öffentliche Verkehrsanbindung einzubringen. Die konsequente Realisierung brachte dem Energiepark Hirschaid eine Zertifizierung als EU-GreenBuilding und den EU-GreenBuilding Award 2014 ein.

 

Nachhaltige Architektur

Die Planung und Umsetzung lag in der Hand des Österreichers Georg Scheicher, Architekten Scheicher, und bei Stefan Paptistella, Architekturbüro Paptistella, Hirschaid. „Ziel war es, den Bestand in erster Linie zu sanieren und mit geringen Mitteln an die neue Nutzung zu adaptieren“, erklärt der Architekt Georg Scheicher. Das beinhalte die Verwendung leicht rückbaubarer Materialien und reiner Werkstoffe wie auch die Wahl möglichst geringer Stoffkreisläufe.

Der Energiepark mit insgesamt 4.000 m2 Nutzfläche teilt sich grob in zwei zusammenhängende Gebäudeteile sowie ein umliegendes Außengelände mit großem Innenhof. Die Gebäude der ehemaligen Kunststofffabrik aus den 1970er Jahren wurden im Innenbereich zunächst in den Urzustand zurückversetzt und anschließend mittels Vollwärmeschutz, neuer Fenster und neuer Heizungsanlage thermisch ertüchtigt. „Die Architektur des Industriebaus bleibt in den Grundzügen optisch präsent“, erläutert Georg Scheicher. Der neue Charakter als Veranstaltungszentrum wird sowohl innen als auch außen durch weitere Gebäudeschichten mit nuanciert gestalteten Wand- und Fassadenelementen aus Holz unterstrichen.

 

Kontrast zwischen Beton und Holz

Das Silo der ehemaligen Kunststofffabrik beinhaltet heute zwei offene Ebenen, verbunden durch einen in den Raum platzierten repräsentativen Treppenaufgang aus massiver Eiche. In der Verbindung aus Holz und LED-Lichtkonzept bieten die Räumlichkeiten eine klare, moderne und dennoch angenehme Atmosphäre.

 

Raumaufteilung

Im Erdgeschoss liegen zwei Konferenzräume, davon einer zum Gebäudeinneren hin komplett verglast, eine Bar inklusive Catering sowie der Organisations- und Sanitärbereich. Foyer, Lounge und Parkgalerie im Obergeschoss runden das Raumangebot des Silos ab. Allein die innenarchitektonische Aufteilung eröffnet bereits viele Möglichkeiten zu Begegnung, Austausch und Kommunikation. Zum eigentlichen Mittelpunkt des Energieparks ist die vormalige Fabrikationshalle avanciert. Dort befindet sich als größter Veranstaltungsraum die element-e-Halle mit 1.600 m2 Fläche und bis zu 6 m Höhe. Verschiedene Innenraumpläne mit Bühne, Reihenbestuhlung oder Tischen ermöglichen eine flexible Nutzung für Konferenzen, Messen, Präsentationen oder Ausstellungen.

 

Kopplung neuer Technologien

Ziel der gesamten Energieversorgung des Zentrums war zunächst eine hohe Bedarfsdeckung durch die Eigennutzung erneuerbarer Energien direkt vor Ort. Dazu erforderlich sind allerdings nicht nur Technologien, die sich in ihren Eigenschaften ergänzen und miteinander verkoppeln lassen. Ein funktionierendes Energiemanagement zu jedem Zeitpunkt und unter jeder Bedingung ergibt sich erst durch das gezielt gesteuerte und optimal automatisierte Zusammenspiel aller Komponenten. Frank Seuling erinnert sich: „Die größte Herausforderung war die Entwicklung eines Gesamtkonzepts. Es gab keine ganzheitlichen und in der Praxis üblichen Vorgehensweisen oder Technologiesysteme.“

Die „vier Elemente“ Sonne, Wasser, Erde und Luft bilden das Grundgerüst der Energieversorgung. Die Einbindung von Sonnenenergie, Grundwasser aus der Erde und Windkraft erfolgt über mehr als 20 verschiedene Technologien. „Hier treten wir den Beweis an, dass ganzheitliche Energiekonzepte in der Zukunft immer wichtiger werden. Den Großteil des Jahres erreichen wir bei Strom und Heizwärme Autarkie“, so Frank Seuling.

 

Grundwasser-Wärmepumpe als Kernstück

Kernstück der Wärmeerzeugung ist die Grundwasser-Wärmepumpe „WB 10CF/W-T“ des Herstellers Bartl Wärmepumpen. Diese Wärmepumpe ist mit einem speziellen Koaxial-Wärmetauscher ausgestattet. Durch wesentlich größere Querschnitte als bei Plattenwärmetauschern ist  dieser unempfindlich gegen Verschmutzungen im Grundwasser. Die widerstandsfähige Kupfer-Nickel-Legierung ist auch gegen aggressive Wasserbestandteile resistent. Daher kann der Wärmetauscher direkt vom Grundwasser durchströmt werden, was kostenintensive Zwischenwärmetauscher überflüssig macht. Diese Eigenschaften boten die ideale Voraussetzung, um eine schon existierende Infrastruktur geschickt in die Energieversorgung einzubinden: Zwei vorhandene Brunnen dienen der Wärmepumpe als Förder- bzw. Schluckbrunnen, so dass ein Wasserkreislauf von der Entnahme des Grundwassers über den Wärmeentzug um 4 K in der Wärmepumpe bis zur Rückführung in die Erde entsteht. Mit einer Leistung von 26,4 kW, einer Vorlauftemperatur von 35 °C bei einer Wassertemperatur von 10 °C und einem Scroll-Verdichter arbeitet die Bartl-Wärmepumpe hocheffizient. Im Bedarfsfall lässt sich die Vorlauftemperatur bis auf 62 °C erhöhen, damit beispielsweise auch eine legionellenfreie Trinkwassererwärmung möglich ist.

Zwei gekoppelte Wasserspeicher mit insgesamt 6.000 l dienen als Puffer und sorgen für optimierte Laufzeiten. Die Stromversorgung erfolgt sowohl über die hauseigenen Photovoltaikanlagen auf dem Dach, an der Fassade und auf einem Tracker als auch über fünf Windkraftanlagen. Ein automatisch gesteuertes Blockheizkraftwerk, das mit Ökogas betrieben wird, kann bei Bedarf ebenfalls Strom an die Wärmepumpe oder zusätzliche Wärmeenergie liefern. Kombiniert ist die Wärmeversorgung mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Diese sorgt mit einer Leistung von 20.000 m3/h in der element-e-Halle für eine angenehme Klimatisierung. Die Kühlung im Sommer erfolgt ebenfalls mit Hilfe des dann 10 °C kalten Grundwassers. Dieses wird in ein Kühlregister geführt und  die so gekühlte Luft anschließend in die Anlage geleitet. Für die Vorkonditionierung der Luft in den anderen Räumen wird ein 100 m langes Luftbrunnensystem genutzt, das alte Bodenkanäle einbindet.


Fazit

Inhaber Frank Seuling und Architekt Georg Scheicher sind sich einig: „Die wichtigste Botschaft des Energiepark Hirschaid ist, dass auch Bestandsgebäude oder Industriebrachen als Mikrokraftwerke mit neuer Funktion und Nutzung weitergeführt werden können.“ Der sinnlose Abriss alter Gebäude sei pure Energieverschwendung.

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