Sicherheit am Vodafone Campus

Im Gespräch mit der Abteilung Unternehmenssicherheit

Bei Großprojekten sind Verzögerungen beim Baufortschritt heute eher die Regel als die Ausnahme. Die Fertigstellung des Vodafone-Campus in Düsseldorf – zeitweise größtes Büro-Bauprojekt Europas – gilt in Fachkreisen als Ausnahme. Generalübernehmer und die beteiligten Gewerke schafften eine Punktlandung. Auch die Sicherheitstechnik ging planmäßig in Betrieb – trotz vieler innovativer Verknüpfungen, neuer Zugangsstrategien sowie kleiner Zeitfenster für Projektierung, Montage und Inbetriebnahme. Die Leiterin physikalische Sicherheit von Vodafone, Kerstin Nieth, und die Mitarbeiter Martin Geis und Heiner Rappe erklären die Hintergründe der kurzen Bauzeit und die künftige Rolle des Übertragungsstandards Nahfeldkommunikation (NFC).

tab: Frau Nieth, wie ist Ihr erster Eindruck von der neuen Sicherheitsleittechnik?


Kerstin Nieth: Der Vorteil der neuen Sicherheitsleittechnik im Vodafone Campus ist die durchgängige Systemlandschaft und die damit verbundene Tiefe der Bedienbarkeit. Dies gilt insbesondere für das Gefahrenmanagementsystem von Siemens und das bildschirmgeführte Kommunikationssystem VAS-B, also die Integration von Telefonie, Sprechanlage und Sprach­alarmierung in einer Ge­samt­lösung. Jetzt werden alle Anrufe aus den verschiede­nen Systemen über nur noch ein Kommunikationsend­gerät be­dient. 


tab: Wo liegen die Unterschiede zwischen konventionellen Si­cher­heitssystemen mit gewerke­spezifischer Vergabe der Auf­trä­ge und einem integrierten ver­netztem System aus einer Hand, das wichtige Funktionen bereits in der Feldebene miteinander verbindet?

 

Martin Geis: Wir legten in Verbindung mit dem Bauherrn des Vodafone Campus bereits zu einem frühen Zeitpunkt fest, dass keine eigenständigen ge­bäude­technischen Systeme aus­geschrieben werden, die anschließend mit viel Aufwand und möglicherweise auch mit Funk­tio­nalitätsverlust integriert werden müssen. Konkret auf die Sicher­heitstechnik bezogen heißt das, dass wir keine eigenständige Einbruchmeldeanlage wollten, sondern ein integriertes System, das alle korrespondierenden Systeme wie Zutrittskontrollsystem, Einbruchmeldeanlage, Türmanagement und Videoüberwachung miteinander verbindet.


Kerstin Nieth: Unser Leitgedanke bei der Planung des Vodafone-Campus war, die Anzahl der Gewerke im Bereich der Sicher­heits­technik zu reduzieren und damit auch die Anzahl der Schnitt­stellen. Das führte dazu, dass wir mehrere Gewerke aus einer Hand realisiert haben. Das ist bei der Bewirtschaftung der Zugangs­berechtigungen von Vorteil. 


tab: Komplexe Systeme haben ihre Tücken. Wie war die Umsetzung der Aufträge? Das Zeitfenster für die sicherheitstechnischen Systeme und Sicherheitsleitzentrale war recht knapp kalkuliert.


Martin Geis: Wir sind pünktlich eingezogen; das sagt heutzutage alles über die beteiligten Unternehmen und natürlich auch über das Siemens-Team aus. Rückblickend auf die Planung ist her­vor­zu­heben, dass alle Beteiligten sehr professionell und mit Begeisterung an die Sache herangegangen sind und die Zusammenarbeit richtig Spaß gemacht hat. Wenn man die Begleitumstände eines solchen Großprojektes – wie Entscheidungsfindung und Zeitdruck – mit einbezieht, hat die Zusammenarbeit tadellos funktioniert. Hinzu kommt eine außergewöhnlich gute Organisation seitens des Bauherrn, der Planer und der Siemens- und der Vodafone-Mitarbeiter. Wir arbeiteten quasi Hand in Hand. Wichtig bei Projekten dieser Größenordnung ist die langfristige Planung. Dabei müssen Bauherr und Mieter wissen, was sie wollen und ihre Ansprüche an die Technik in den Ausschreibungsunterlagen genau formulieren.

Kerstin Nieth: Für uns war es wichtig, dass die sicherheitstechni­schen Systeme und die Sicherheitszentrale parallel aufgebaut werden und in Betrieb gehen. Das haben die beteiligten Unterneh­men mit Bravour geschafft. Die Inbetriebnahme ist pünktlich erfolgt, was in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich ist. Das ist auch auf die Bündelung der sicherheitstechnischen Gewerke zurück­zuführen.

 

tab: Die Gewerke wie Brandmeldeanlagen, Zugangskontrolle, Videoüberwachung und Sprachalarmierung waren im Auftrag des Generalübernehmers enthalten. Die Sicherheitsleittechnik wurde von Vodafone als separater Auftrag vergeben. Vodafone ging hier neue Wege und hat die Leittechnik inklusive der Administration bei Siemens direkt beauftragt. Warum diese Teilung?


Kerstin Nieth: Das hatte wirtschaftliche Gründe. Wir folgen damit der allgemeinen Tendenz in der Wirtschaft, Systeme zu leasen oder die Dienstleistung „Betreiben“ einzukaufen. 

tab: Sie haben sich sehr viel Zeit genommen, den Markt für inno­va­tive sicherheitstechnische Anlagen zu sondieren. Im Normal­fall werden Standardlösungen eingebaut. Vodafone setzte die Mess­hatte recht hoch. Warum?


Heiner Rappe: Wir haben bereits Erfahrungen mit komplexen Sicherheitsleitzentralen machen können, beispielsweise an unse­rem bisherigen Zentralverwaltungsstandort „Am Seestern“ in Düs­sel­dorf. Wir kennen also die typischen Probleme von gewach­se­nen Strukturen, was bei der Planung zu beachten ist, welche Fehler man in Zukunft vermeiden sollte und welche Innovationen integriert werden müssen. Deshalb sind wir schon vor Beginn der Planung an potenzielle Anbieter herangetreten, um unsere hohen Anforderungen auf Realisierbarkeit abzuklopfen. Es waren interessante Gespräche mit vielen Herstellern, natürlich auch mit Siemens. Von diesen Eindrücken ist einiges in unser Leitstellen-Pflichtenheft eingeflossen.


tab: Bei rund 5000 Mitarbeitern auf dem Vodafone Campus stellt sich automatisch die Frage, wer bekommt welchen Schlüssel oder Transponder und wie werden diese verwaltet. Wie haben Sie das Problem gelöst?

Martin Geis: Im Vorfeld haben wir uns sehr viele Gedanken über die Organisation der Sicherheitsbereiche gemacht. Wir wissen aus unseren Erfahrungen, dass die Organisation und Pflege von Sicher­­heits­bereichen und Zugangsberechtigungen recht aufwändig ist. Deshalb haben wir auf dem Campus eine personifizierte Karte eingeführt, mit der ein Mitarbeiter alle ihm zugeteilten Sicher­heits­be­reiche begehen kann. Unser wichtigstes Anliegen war – wenn möglich – keine Schlüssel auszugeben und zu verwalten. Immerhin arbeiten hier mehrere tausend Mitarbeiter. Deshalb haben wir uns für eine elektronische Zugangskontrolle und eine elektronische funkvernetzte Schließanlage entschieden, die zentral verwaltet wird.


tab: Eine der umgesetzten Innovationen betrifft die Zugangskontrolle per Near Field Communication, zu Deutsch Nahfeldkommunikation oder kurz NFC. Welchen Stellenwert hat dieser Übertragungsstandard für die Zukunft? 


Kerstin Nieth: NFC, beziehungsweise die Möglichkeit, in Zukunft vorhandene Mobilfunknetze zur Verwaltung und Vergabe von Zutrittsrechten zu nutzen, hat für uns einen sehr hohen Stellenwert.

Zurzeit arbeiten wir uns an das Thema heran. Heute können Mitarbeiter, Besucher und Mitarbeiter von Fremdfirmen per Firmen- oder Besucherausweis am Campus die dafür entwickelten Zutrittsleser und Schließzylinder bedienen und damit auch in der Kantine bezahlen. Außerdem kann jeder Mitarbeiter mit diesem Ausweis das Druck- und Kopiersystem auf dem Campus ansteuern. In einem nächsten Schritt ist es angedacht, dass Vodafone-Mit­arbeiter mit diesem Identifikationsmittel auch angemietete Fahr­zeuge freischalten können.

Der übernächste Schritt, die Funktion des Firmenausweises durch ein Smartphone mit NFC-SIM-Karte zu ersetzen, befindet sich aktuell in der Testphase. Die Teilnehmer an diesem Programm steuern aktuell etwa schon die Leser der Zutrittskontrollanlage sowie Drucker oder das Kantinenbezahlsystem über die NFC-Funktion auf der SIM-Karte – also über das Smartphone – an.

tab: Wie stellen Sie sich die Umsetzung des Systems für den gesamten Campus vor?


Kerstin Nieth: Alle Mitarbeiter am Campus haben bereits ein NFC Smartphone. Darauf ist eine Campus-App implementiert, über die Angaben über das Gebäude abrufbar sind. Zum Beispiel, was es in der Kantine zu essen gibt. Nach einer erfolgreichen Testphase ist es denkbar, dass wir alle Mitarbeiter mit neuen SIM-Karten ausstatten, so dass sie alle die unterschiedlichsten Funk­tionen nutzen können.


Martin Geis: Für Vodafone stellt sich natürlich auch die Frage, wie wir Zugangsberechtigungen und Schließanlagen in unseren Liegenschaften organisieren, beispielsweise für Reparatur- und Wartungsdienste. Unser Ziel ist es, über unser Mobilfunknetz, sozusagen over the air per SMS, Zugangsberechtigungen für das Wartungspersonal oder externe Firmenmitarbeiter zu vergeben oder zu entziehen. Wir können die Sicherheitsbereiche eines Gebäudes oder einer Basisstation genau definieren und vor allem zeitlich begrenzen. Diese Technik lässt sich natürlich auch auf andere zeitlich und territorial begrenzte Bereiche übertragen, zum Beispiel im Hotelbereich, bei Fernseh- und Rundfunkanstalten, bei kommunalen Infrastruktureinrichtungen oder in der Energie- und Wasserwirtschaft. Alle diese Unternehmen haben das Problem, interne und externe Personen mit temporären Zugangsberechtigungen, sprich Schlüsseln oder Transpondern, auszustatten, die Daten zu ver­wal­ten und dafür zu sorgen, dass Schlüssel oder Transponder wieder zurückgegeben werden. Das ist ein großer Aufwand, der sich mit „intelligenten“ Systemen vereinfachen lässt. Gleichzeitig wird die Zutrittssicherheit erhöht.


Kerstin Nieth: Kein Kommunikationsnetz der Welt ist so eng gewebt wie das Mobilfunknetz. Anstatt in einem Gebäude noch mehr Kabel zu ziehen, oder im ganzen Land neue Netze einzurichten, die tausende von Mo­bil­funk-Technikstandorte oder Voda­fone-Shops miteinander verbin­den, nutzen wir zur Vergabe von Berechtigungen einfach das Mobilfunknetz. Mit NFC werden viele Anwendungen möglich sein, an die wir heute noch gar nicht denken. Das Smart­phone wird damit nicht nur zum Medium für Kommunikation und Information, sondern auch zum Zugangskontrollmedium für Gebäude inklusive der entspre­chenden Infra­struktur wie Drucker und Be­zahlsysteme.


tab: Vielen Dank für das Gespräch.


Das Gespräch für die tab führte Wolfgang Schmid, Freier Fachjournalist, München

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