Populäre Rechtsirrtümer am Bau – Teil 11

„Mit Nachdruck angemahnt, Verjährung verhindert?“

Offene Forderungen gibt es überall und aus den verschiedensten Gründen. Viele Unternehmer haben schon einmal davon gehört, dass solche Werklohnforderungen am Jahresende verjähren können. In der anwaltlichen Beratungspraxis hören wir von zwei Maßnahmen, die dann immer wieder ergriffen werden. Die erste: „Wir haben aber vor Jahresende den Betrag noch einmal ganz ausdrücklich angemahnt, sogar mit Einschreiben / Rückschein.“ – Die zweite: „Wir haben noch am 31.12. die Rechnung aufgestellt und dem Auftraggeber zugesandt, denn sonst wäre der Anspruch ja verjährt.“ Wir dürfen dann über den Erfolg dieser Maßnahmen aufklären. Was also ist dran an diesen Hausmitteln?

Forderungen auf Werklohn für Bauarbeiten oder auch auf Honorar für Architekten- und Ingenieurtätigkeit (HOAI) unterliegen der allgemeinen Verjährungsfrist (anders als Mangelforderungen, die wir deshalb hier auch nicht behandeln). Danach verjährt die Forderung am Ende des dritten Jahres, nachdem sie fällig geworden ist. Tritt also z.B. die Fälligkeit irgendwann im Jahr 2013 ein (egal ob Januar oder Dezember), dann zählt man so: 1. Jahr = 2014, 2. Jahr = 2015, 3. Jahr = 2016. Am 31.12.2016 tritt die Verjährung ein.

Es kommt dann darauf an, ob die Verjährung rechtzeitig vor Ablauf dieser Frist angehalten worden ist (sog. Hemmung). Eine solche Hemmung kann nicht durch eine noch so „knallharte“ Anmahnung der Forderung zwischen den Parteien herbeigeführt werden. Dafür reicht leider nur die gerichtliche Geltendmachung mit einem gerichtlichen Mahnbescheid oder gleich mit einer Klage.

Auch mit einer Rechnung vor Jahresende kann man – solange man nur das BGB betrachtet – wenig bewirken. Die Fälligkeit einer Werklohnforderung tritt nämlich bereits mit Abnahme der zu erbringenden Arbeiten ein. Von einer Rechnung ist die Fälligkeit der Forderung dagegen nicht abhängig. Allerdings gelten im Baubereich Besonderheiten: Oft ist die VOB/B vereinbart, und danach setzt die Fälligkeit frühestens mit der Übergabe einer prüfbaren Schlussrechnung ein. Ähnlich ist es auch bei Architekten- und Ingenieurleistungen, aber nur für solche, die dem Preisrecht der HOAI unterfallen. Auch die HOAI lässt eine Forderung auf Honorar erst mit Übergabe der prüfbaren Rechnung eintreten.

Mit einer Rechnung kann man zwar nicht die Verjährung anhalten, aber je nach Sachlage kann die Fälligkeit erst kürzlich eingetreten sein. Und was nicht fällig war, konnte auch nicht verjähren. Man kann also mit der Verjährung auch Glück haben, wenn die Leistungen schon ein paar Jahre zurückliegen.

Auch sonst können wir als Anwälte manchmal noch helfen, denn es gibt auch Fälle, in denen die Verjährung der Forderung anders gehemmt wurde. Beispielsweise können Verhandlungen über die Rechnung eine vorübergehende Hemmung der Verjährung bewirken. Manchmal werden Rechnungen auch in Schreiben anerkannt, was sich ebenfalls günstig auf die Verjährung auswirkt. Die Einzelheiten hierzu sind jedoch kompliziert und können hier auch nicht dargestellt werden. Bevor man eine hohe berechtigte Forderung wegen vermeintlicher Verjährung ausbucht, können ein paar Anwaltsstunden zur Beurteilung der Rechtslage gut investiert sein, am besten nicht erst im nächsten Dezember.

Halten wir also fest: Wenn Verjährung droht, helfen keine Hausmittel, sondern nur gerichtliche Schritte.

Info

Schlünder Rechtsanwälte Partnerschaft mbB 

Mit 16 Rechtsanwälten, davon vier Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht, berät und vertritt die Kanzlei Mandanten aus verschiedenen Branchen auf allen wichtigen Rechtsgebieten bundesweit. Die Kanzlei hat sich auf das Bau- und Architektenrecht spezialisiert und vertritt Unternehmen, Bauherren und Handwerksbetriebe in allen Fragen dieses Rechtsgebiets.

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