Exklusiver Online-Beitrag: Interaktives Glas

Glas zwischen IT und Architektur

Touch-Displays, LED-Technologie, ultradünne Gläser: Die Multifunktionalität von Glas in der Informationstechnologie und der Architektur führt langfristig zu einer Verbindung von beiden. Gebäude, Häuser und öffentliche Straßen werden zu Informationsträgern und Steuerungselementen. Gebäude zeigen auf Ihrer Fassade, was in ihrem Inneren vorgeht. Straßen machen selbstständig auf Gefahren aufmerksam, zeigen individuelle Schilder oder Hinweise und versorgen überdies noch Haushalte mit Strom? Der Beitrag zeigt einige Beispiele, die auf der Fachmesse Glasstec vertieft werden können.

Interaktive Gebäudehüllen

Gläserne Fassaden, die zu Projektionswänden werden und sowohl dem Bewohner innen als auch dem Passanten außen interessante Informationen liefern können, sind keine Vision, sondern technisch bereits machbar. Architekten von Repräsentationsbauten beziehen die Fassade nicht mehr nur als verhüllendes Gestaltungselement in ihre Modelle ein, sondern geben ihr eine interaktive Funktion. Dabei spielen nicht mehr nur Energieeffizienz und Nachhaltigkeit eine Rolle, sondern auch der Nutzen von Glas als Teil einer Informationstechnologie.

James Law, Architekt aus Hongkong nennt diese neue Architektur „Cybertecture“. Aktuell im Bau befindet sich sein Projekt „Parinee I“ in Mumbai, Indien. Ein Bürozentrum, in Zukunft vorrangig genutzt von den kreativen Köpfen der indischen Filmindustrie. Das fertige Gebäude wird dank LED-Technologie zum Werbeträger dessen, was innen erdacht wird. Das internationale Ingenieurbüro Arup liefert die Fassadentechnik zu diesem 160 m hohen Turm. Mehr als 3.700 m2 Fläche dienen als Multimedia-Displays und LED-Bildschirme und haben verschiedene Lichtfunktionen. Dabei können Flächen miteinander in Kombination zu einer größeren zusammengefügt werden oder unabhängig voneinander unterschiedliche Inhalte anzeigen. Und damit der Passant ohne Einladung auf der Straße trotzdem mitbekommt, wer drinnen bei einer Premierenfeier dabei ist, können in Echtzeit Bilder der prominenten Gäste auf der Außenfassade gezeigt werden.

Selbstverständlich erlaubt das transparente Glas auch die Sonneneinstrahlung in die Räumlichkeiten und wird zentral gesteuert, sodass der Lichteinfall der Tageszeit angepasst wird, der Energieverbrauch und die CO2-Emission klein gehalten werden.

 

Glastechnologie für Straßen und Plätze

Ein Parkplatz in den USA: Optisch erinnert die Fläche an einen Bienenstock. Der Bodenbelag besteht aus wabenförmigen Panels aus Panzerglas mit einer Tragfähigkeit von jeweils 1.500 t. Die Fahrbahnmarkierungen leuchten deutlich erkennbar, zeigen Richtungspfeile, Sperrzonen und Fußgängerübergänge an, bei Tage wie bei Nacht. In der Dunkelheit zeigen die Panels, was in ihnen steckt: Eingelassene Solarzellen, die sich durch das Tageslicht aufgeladen haben, geben nun ihre Energie wieder ab und versorgen die im Glas eingebauten LEDs, die Fahrbahnmarkierung bleibt sehr gut sichtbar, kann je nach Bedarf die Farbe wechseln oder aufblicken, um zum Beispiel Gefahrenstellen anzuzeigen. Außerdem können die Solarmodule die gespeicherte Energie auch als Wärme an die Panels weiter geben, um die Fläche im Winter eis- und schneefrei zu halten.

So erstaunlich das auch klingt, diesen Parkplatz gibt es bereits. Er ist die Testfläche von Solar Roadways, das Projekt, welches von Juli und Scott Brusaw in Idaho/USA vorangetrieben wird. Nach Aussage des Ehepaars würde 1 km Straße mit Solar Roadway-Belag ausreichen, um 1.000 Haushalte mit Strom zu versorgen.

Mit der hohen Tragfähigkeit stünde auch einem Einsatz als Rollfeld auf dem Flughafengelände technisch nichts entgegen. Und mit dem erzeugten Strom könnten die elektronischen Flughafenfahrzeuge betrieben werden.

Zurzeit läuft das Projekt zielstrebig mit immer größerer Unterstützung der US-amerikanischen Regierung. Außerdem kann man sich über Crowdfunding finanziell beteiligen.

 

Technologie Displayglas

Jeder hat es täglich unter den Fingerkuppen, wenn er sein Smartphone bedient – Displayglas. Alleine in Deutschland sind das laut Bitkom, Stand März 2015, 44 Mio. Bundesbürger  – Tendenz weiter steigend.

Offensichtlich begleitet uns ultradünnes Displayglas auf Schritt und Tritt: Dabei soll es besonders schlagfest und kratzbeständig sein, um den üblichen Beanspruchungen standzuhalten. Es soll sich gut anfühlen und gut reinigen lassen. Und es darf nur wenig Gewicht haben. Ein echter Drahtseilakt in der Produktion.

Trotzdem bleibt Glas als Material konkurrenzlos. Auch wenn es in Zukunft so sein wird, dass ein immer größeres Leistungsangebot auf immer weniger Fläche Platz finden soll. Das hat nämlich zur Folge, dass die Gerätewärme durch die immer kleineren und leistungsfähigeren Elektronikbauteile ansteigt. Ultradünnes Displayglas ist hier die Lösung. Denn nur Glas als Material behält seine Stabilität auch bei ansteigenden Temperaturen bei und bleibt somit in Form.

Das Geheimnis von Dünnglas liegt im Material. In der Branche hat sich Aluminium-Silicatglas durchgesetzt, ein stark beanspruchbares Material, dass zudem die Eigenschaft hat, Reflexionen zu verringern. Das mittels Ionenaustausch chemisch vorgespannte Floatglas wird zum Multitouch-Screen, indem eine Halbleiterschicht darauf angebracht wird. Dadurch erhält es seine optisch-kapazitiven Eigenschaften.

 

Dünnglas – Glas von der Rolle

Noch filigraner wird es bei der Beobachtung der fortschreitenden Entwicklung im Sektor Ultradünn-Glas. Unter dem Namen „Konfekt“ haben sich die drei Branchengrößen Schott AG, tesa SE und Von Ardenne GmbH mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung an die Arbeit gemacht, ultradünnes Glas für den Einsatz in organischer Elektronik und für OLED-Anwendungen zu entwickeln. Die Ziele sind ambitioniert, denn es geht darum, Fertigungs- und Weiterverarbeitungsprozesse rund um Glas-auf-der-Rolle zu erforschen, und zwar so, das Glas für den Einsatz in der organischen Elektronik, wie die OLED-Technologie, zu funktionalisieren. Dabei wird die Ursprungseigenschaft, nämlich der Schutz von empfindlichen Bauteilen gegen Feuchtigkeit und Sauerstoff, von den Anwendern geschätzt.

 

Das Verfahren dahinter

Beim Down-Draw-Verfahren des deutschen Glasherstellers Schott wird das Glasband durch eine Kühlstrecke nach unten gezogen. Durch präzise Prozesskontrolle können engste Fertigungstoleranzen wie zum Beispiel Gleichmäßigkeit der Dicke über große Flächen auch bei geringsten Glasdicken erreicht werden. Auf diese Art entstehen Dünngläser mit einer Dicke bis auf 25 μm. Damit sind sie dünner als ein menschliches Haar (50 μm). Anwendung finden sie bereits heute in der Biotechnologie und für Sensoranwendungen. Lieferbar ist das Glasmaterial in Sheets, Wafern oder von der Rolle.

Die Vorstellung vom biegsamen LED-Bildschirm, der sich wie eine Folie auf jedes beliebige Trägermaterial anbringen lässt, macht einen neugierig auf das, was in Silicon Valley – und nicht nur dort – daraus entsteht.

 

Weitere Innovationen und Weiterentwicklungen der hier vorgestellten Ideen werden auf der Fachmesse glasstec 2016 vom 20. bis 23. September 2016 in Düsseldorf zu sehen sein.

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