Softwaregestützte TGA-Planung im Flughafen

Sanierungsprojekt mit BIM und IFC-Standards

Der Flughafen Lübeck-Blankensee, einer der ältesten Flughäfen Deutschlands, wurde und wird umfassend saniert. Das aktuelle Projekt ist der Um- und Neubau des Tower- und Verwaltungsgebäudes. Die Komplexität der Gewerke, die Koordination zwischen Neubau und Bestand, regulative Sicherheitsvorkehrungen und die Aufrechterhaltung des Flugbetriebes während des Umbaus machen das Bauprojekt zu einer besonderen Herausforderung.

Mit einem Terminal und sechs Check-in Schaltern gehört der Flughafen Lübeck zu den kleinsten Flughäfen Deutschlands. Knapp 83.000 Passagiere zählte Lübeck im Jahr 2022. Die bestehende Infrastruktur ist jedoch bereits darauf ausgelegt, bis zu 400.000 Passagiere pro Jahr abzufertigen. 2016 übernahm die Stöcker Flughafen GmbH & Co. KG den Betrieb. Seitdem laufen fortwährend Modernisierungs- und Neubaumaßnahmen. Neben dem Umbau des Hangars und Fertigstellung des Terminals musste auch das Towergebäude des Flughafens modernisiert werden.

Der neue Tower der Deutschen Flug­sicherheit (DFS) soll künftig mit einer Höhe von 25 m einen Rundumblick über das Flughafengelände bieten. Der Neubaukomplex unterhalb des Towers wird die Verwaltung, Büros, die Flughafentechnik und Pilotenunterkünfte beherbergen. In den öffentlichen Bereichen werden ein Restaurant sowie verschiedene Einkaufsläden untergebracht. Das angrenzende Bestandsgebäude, welches im Zuge der Umbaumaßnahmen ebenfalls vollständig entkernt wurde, war zu Planungsbeginn für Werkstätten, Technikräume, die Feuerwehr und weitere Büroflächen angedacht. Im späteren Verlauf kam beim Betreiber die Idee auf, die Büroflächen oberhalb der Feuerwehr in einen multifunktionalen Büro-, Kongress- und Konzertbereich für Veranstaltungen bis zu 400 Personen umzuwandeln. Dies stellte die planenden Ingenieure vor neue Herausforderungen. Die für die General-Fachplanung und Fachbauüberwachung verantwortliche Inros Lackner SE betraute u. a. die Röhrich & Partner Ingenieurbüro für Sanitär-, Klima- und Heizungstechnik GmbH mit der Entwurfs- und Ausführungsplanung der TGA. Daneben waren die gmp International GmbH als Architekten sowie IMR als Elektrofachplaner Teil des Flughafenprojekts in Lübeck.

IFC-Modell erleichtert kollisionsfreie Planung

Das in Norddeutschland ansässige Röhrich & Partner Ingenieurbüro ist für die technische Gebäudeausrüstung tätig. Im Unternehmen wird von der Projektierung bis hin zur Montageplanung und Koordinierung der Ausführung alles abgedeckt. Neben anderen Softwarelösungen setzt das Unternehmen seit mehr als 20 Jahren auf die durchgängige „RUKON-TGA“-Software des Entwicklers Hottgenroth zur 3D-Planung und Berechnung der HKLS-Anlagen für den Schiffs- sowie Landbau ein. Das IFC-Format und die BIM-Thematik rücken immer mehr in den Fokus der Planungsvorhaben, wie Hendrik Leffs erklärt. Er ist Ansprechpartner für den Landbau und bereits seit dem Jahr 2000 Teil des Teams von Röhrich & Partner und erinnert sich an die Startschwierigkeiten: „Mit der BIM-Methode und dem IFC-Format lief es am Anfang sehr holprig, wurde dann aber immer besser. Der Lern- und Austauschprozess ist doch ganz erheblich.“

Bei dem IFC-Modell vom Flughafen Lübeck musste erst ein gemeinsamer Nullpunkt gefunden werden. „Das Flughafenfeld ist 5 km lang und dort war am äußersten rechten Ende der Nullpunkt gesetzt. Am linken Ende ist dann das Gebäude weitestgehend im Minusbereich, bei ungefähr -100.000. Angefangen hatten wir mal mit -1.000.000, da war ‚RUKON‘ dann auch plötzlich am Ende“, sagt Leffs. Ein gemeinsames Austauschformat besitze jedoch Wichtigkeit, wenn es um Kooperationen mit anderen Unternehmen geht. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels gewinnen solche Kooperationen immer mehr an Bedeutung. Auch Röhrich und Partner betrachten den Fachkräftemangel als eine der prägenden Herausforderungen der letzten Jahre. Bereits bei vorangegangenen Projekten setzten sie daher auf enge Zusammenarbeit mit anderen Planungsbüros, Ämtern und ausführenden Firmen.

Vereinbarkeit von Architektur und Technik

Hohe technische Anforderungen treffen beim Flughafen Lübeck auf wenig Platz. Insbesondere die Lüftungsanlagen fordern einen enormen Raumbedarf, der im Bestandsbau nicht ohne Weiteres zu erreichen ist. Im Bereich, wo Zu- und Abluft in das Bestandsgebäude des Towers dringen, befindet sich das Treppenhaus. Da der Platzbedarf von herkömmlichen Lüftungskanälen nicht möglich gewesen wäre, musste auf eine Sonderlösung zurückgegriffen werden. Nun bildet ein gemauerter Kanalschacht einen Teil der Lüftungsanlage, wobei Röhrich & Partner hier auf eine „Old-School Lösung“ zurückgreifen, wie Leffs erzählt. Um die gemauerten Kanäle auch berechnen zu können, ist die Flexibilität der Software genutzt worden: „Wir haben mit Promatteilen gearbeitet und haben diese entsprechend der Mauerwerksstärke von 60 mm auf die Steindicke angepasst. Dann haben wir diesen eine gewisse Rauigkeit gegeben, also sehr rau gemacht, um die Verluste entsprechend zu berücksichtigen, damit ‚RUKON‘ genauer rechnen kann“, sagt der Ansprechpartner für Landbau. Auch architektonisch muss die Technik stimmig sein. Leffs sagt bspw. zum Restaurantbereich: „Dort haben wir die Schlitzauslässe gekippt und versucht, diese so in Seitenränder der Oberlichter zu integrieren, damit man möglichst nichts sieht.“

Nutzungsänderungen während der Bauphase

Für den Bestandsbau über der Feuerwehr waren zunächst nur Büros angedacht, später sollte dort jedoch ein Event Bereich für Konzerte mit einem Fassungsvermögen von ca. 400 Personen entstehen. Für die Lüftungstechnik bedeutet die Nutzungsänderung, dass erheblich größere Luftmengen gefördert werden müssen, als zuvor geplant. „Das Hauptproblem ist, dass die Fenster nicht aufgemacht werden dürfen und jetzt müssen 400 Leute natürlich auch belüftet werden. Daher bekommt der Bereich noch ein zusätzliches Lüftungsgerät mit auf das Dach,“ erläutert Leffs und erinnert sich, dass hierfür einiges geändert werden musste: „Wir hatten an der Stelle vorher den Kaltwassersatz stehen, den haben wir dann woanders hin verfrachtet, um somit Platz zu schaffen.“ Insgesamt versorgen demnächst fünf RLT-Anlagen mit Einzelfördervolumina zwischen 550 m³/h und 13.500 m³/h über ein rund 3,5 km langes Luftleitungsnetz das Tower- und Verwaltungsgebäude. Weitere wechselnde Nutzerkonzepte könnten sich in einem dynamischen Gebäude wie einem Flughafen in Zukunft ergeben. Für eventuelle Erweiterungen wurden heizungsseitig bereits 600 kW als Ausbaureserve vorgesehen.

Aufrechterhaltung des Flugbetriebes

Die wohl größte Herausforderung, der Röhrich & Partner als Nachauftragnehmer der Inros Lackner SE gegenüberstehen, ist allerdings die Aufrechterhaltung des Flugbetriebes während der Umbauphase. Leffs erklärt, was dies für die Planung bedeutet: „Für die Bauphase muss eine Interimslösung her, damit das Check-in Gebäude weiter bedient werden kann. Man hatte für die Fluglosten einen Container aufgestellt, also einen Notfalltower errichtet, damit alles aufrechterhalten bleibt und dieser musste natürlich auch beheizt und mit Wasser versorgt werden.“ Mit dem Richtfest des Neubautraktes im April 2024 konnte bereits ein Meilenstein gefeiert werden – auch wenn die Baumaßnahmen bis zur finalen Fertigstellung noch andauern.

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