Kommentar

Der Spagat in der TGA-Branche und das Vertrauen der Kunden

Frank Ernst, Hauptgeschäftsführer des BTGA
Bild: privat

Frank Ernst, Hauptgeschäftsführer des BTGA
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Die Zeiten sind sehr dynamisch und stellen die Gesellschaft vor große Herausforderungen: Der Spagat zwischen Energiewende, der drohenden Gasknappheit, den Lieferengpässen und dem Fachkräftemangel fordert Politik, Industrie und ausführende Fachfirmen gleichermaßen.

Außerdem darf die Covid-19-Pandemie nicht aus dem Blickfeld geraten.

Tägliche Herausforderungen an die TGA-Branche

Angetrieben durch den Krieg in der Ukraine und der damit einhergehenden Gasknappheit erfährt die Energiewende seitens der Politik einen riesigen Schub. Es wird immer deutlicher, wie wichtig es ist, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden.

Die Energiewende in der Beheizung von Wohn- und Nichtwohngebäuden bringt aber auch große Herausforderungen. Zeitnah sollen und müssen Heizkessel, die mit fossilem Gas oder Öl betrieben werden, vom Markt verschwinden und dürfen nicht mehr installiert werden. Sie sollen beispielsweise durch Wärmepumpen ersetzt werden. Viele Bauteile einer Wärmepumpe kommen aus Asien. Chinas Null-Covid-Strategie und die hohe Auslastung der Fabriken führen zu Handels- und Logistikproblemen in ganz Asien.

Weltweite Lieferengpässe und lange Lieferzeiten bei den Geräten oder den Komponenten sind die Folge; teilweise bekommt der Besteller bei Bestellung nicht einmal eine Aussage zur Lieferzeit. Die langen Lieferzeiten führen auch dazu, dass Maßnahmen, die bereits eine Förderzusage erhalten haben, nicht fristgerecht umgesetzt werden können. Ein Beispiel ist die Bundesförderung „Corona-gerechte stationäre raumlufttechnische Anlagen“, die für die Schullüftung eine wichtige Rolle spielte.

Aufgrund der Lieferschwierigkeiten, aber auch kurzfristig angepasster oder gestoppter Förderprogramme seitens der Bundesregierung, fällt es vielen Kunden inzwischen schwer, Unternehmen der TGA-Branche vertrauensvoll gegenüberzutreten. Das hohe Preisniveau, das durch all diese Herausforderungen entstanden ist, wurde in diesen Gedanken noch gar nicht berücksichtigt.

Parallel dazu wird der Ausstieg aus F-Gasen forciert. Dabei wird oft vergessen, dass Wärmepumpen zwar elektrisch angetrieben werden, diese Geräte aber nicht ohne Kältemittel funktionieren. Ihre hohe Effizienz erreichen Wärmepumpen durch thermodynamische Prozesse; sie nutzen unterschiedliche Aggregatzustände. Zurzeit werden die meisten am Markt verfügbaren Wärmepumpen mit F-Gasen betrie-
ben und Geräte, die mit natürlichen Kältemitteln betrieben werden, stehen nur begrenzt zur Verfügung. Es kann aber auch nicht jedes Gebäude, das bisher mit fossilen Brennstoffen beheizt wurde, ohne weiteres mit einer Wärmepumpe beheizt werden. Grundsätzlich wird eine Wärmepumpe auf einem niedrigeren Temperaturniveau betrieben und ist somit für Flächenheizungen gedacht, beispielsweise Fußbodenheizungen. Um jedoch Gebäude mit klassischen Heizkörpern damit zu betreiben, bedarf es technischer Lösungen und Nachrüstungen.

Wir müssen uns also einer Vielzahl von Herausforderungen stellen und dafür projekt-
spezifische Lösungen schaffen. Als ob das nicht schon schwierig genug wäre, herrscht auch in der TGA-Branche großer Fachkräftemangel. Wer soll all die Arbeiten ausführen? Die Diskussionen über andere oder verkürzte ­Ausbildungssysteme müssen schnell zu Ergebnissen führen; es wird auch noch einige Zeit vergehen, bis sie umgesetzt sind.

Lebensmittel Luft

Aber auch ein letzter Punkt darf nicht außer Acht gelassen werden: „Nach der Pandemie ist vor der Pandemie“. Der Winter wird kommen und die Menschen werden sich wieder öfter in Innenräumen aufhalten. Damit wird sehr wahrscheinlich auch die Anzahl der Personen stark steigen, die sich mit dem Coronavirus infizieren. Nur um die Bedeutung sauberer Luft in Innenräumen zu verdeutlichen: Ein Mensch atmet ca. 12.000 m3 Luft am Tag ein, das entspricht ungefähr einem Luftvolumen von 40 Klassenräumen. Die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Menschen sind davon abhängig, dass in Innenräumen saubere Luft zur Verfügung steht. Auch diese Hürde müssen wir als TGA-Branche nehmen – in Zeiten, in denen es maßgeblich um die Energiewende geht.

Der Kommentar gibt die Meinung des Autors wieder.

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