Fernwärme mit niedrigeren Temperaturen

Technologiewandel in der Wärmeverteilung
Die Belieferung mit Nah- und Fernwärme hat in Sachen Dekarbonisierung des Wärmesektors großes Zukunftspotenzial. Damit die Heizwärme- und Warmwasserversorgung von Gebäuden aufgrund des vermehrten Einsatzes von Wärmepumpen einerseits und erneuerbaren Energiequellen andererseits sowie durch die sich infolgedessen ergebenden niedrigen Temperaturen nicht an Komfort einbüßt, bedarf es einer Anpassung der Wärmeverteilung.
Laut einer Erhebung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) aus dem Jahr 2019 werden in Deutschland 5,6 Millionen Wohnungen mit Fernwärme versorgt, das entspricht knapp 14 %. Die Tendenz steigt, wenn auch zunächst langsam. Während in großen Ballungsgebieten wie Hamburg und Berlin aus infrastrukturellen Gründen oder in den östlichen Bundesländern historisch bedingt der Anteil an mit Fernwärme belieferten Wohnungen weit über dem Durchschnitt liegt (jeweils etwas unter einem Drittel), besteht andernorts großer Nachholbedarf, sagt der BDEW: 8,9 % der Wohngebäude ließen sich an eine in der Straße vor dem Gebäude befindliche Fernwärmeleitung anschließen. Um sicherzustellen, dass mit niedrigen Vorlauftemperaturen die gewünschte Wärmeversorgung gegeben ist, bedarf es spezieller Lösungen zum Transfer der Wärmeenergie im jeweiligen Objekt. Dies betrifft neben den Nah-/Fernwärmestationen auch die Regelungstechnik.
Bild: Flamco
Um sicherzustellen, dass mit niedrigen Vorlauftemperaturen die gewünschte Wärmeversorgung gegeben ist, bedarf es spezieller Lösungen zum Transfer der Wärmeenergie im jeweiligen Objekt. Dies betrifft neben den Nah-/Fernwärmestationen auch die Regelungstechnik.
Bild: Flamco

Fernwärme muss grüner werden

Außerdem ist zu beachten, dass Nah-/Fernwärmenetze nur ein Träger der
Energiewende sein können, wenn sie nicht auf fossile Brennstoffe wie Erdgas oder Braun- und Steinkohle zurückgreifen. Das ist aktuell jedoch mehrheitlich der Fall: Nach Angaben des BMWK ist der Anteil erneuerbarer Energien in der Fernwärme in den vergangenen zehn Jahren zwar angestiegen, jedoch mit einem Plus von rund 10 % wenig dynamisch. Um neue, klimafreundliche Technologien, z. B. Solar- und Geothermie oder Kraft-Wärme-Kopplung-Anlagen mit Biomasse nutzen zu können, ist letztlich eine Absenkung der Netztemperaturen notwendig. Während Wärmenetze der 3. Generation, die vorwiegend mit Erdgas gespeist werden, Vorlauftemperaturen von 90 °C aufweisen, müssen diese für Wärmenetze 4.0 herabgesenkt werden auf 45 bis bestenfalls maximal 60 °C.

Niedrige Temperaturen begünstigen die Einbindung von Wärmepumpen. Und tatsächlich hat mit den staatlichen Fördermaßnahmen der Umstieg auf Wärmepumpen Fahrt aufgenommen: 236.000 Heizungswärmepumpen wurden 2022 verbaut – eine Rekordanzahl und ein Anstieg von 53 % im Vergleich zum Vorjahr, so der Bundesverband Wärmepumpe.

Übergabestationen als Schnittstelle

Der vermehrte Einsatz von Wärmepumpen hat auch zur Folge, dass neben den ­Versorgungstemperaturen zum Gebäude hin auch die Medientemperaturen innerhalb des Gebäudes, insbesondere die des Heizungsvorlaufes, möglichst niedrig gehalten werden müssen. Um sicherzustellen, dass auch mit niedrigen Vorlauftemperaturen die gewünschte Wärmeversorgung der Räumlichkeiten gegeben ist, bedarf es spezieller Lösungen zum Transfer der Wärmeenergie im jeweiligen Objekt. Dies betrifft auch die zentralen Übergabestationen in Nahwärmenetzen, die als Schnittstelle zwischen dem Versorger und dem Verbraucher agieren.

Praxisbeispiel: Beliefern nach Maß

Wie die Belieferung einer Wohnsiedlung via Nah-/Fernwärme konkret aussehen kann, zeigt folgendes Beispiel: In einer deutschen Großstadt hat Flamco gemeinsam mit einem Energiedienstleister die Versorgung von 13 Mehrfamilienhäusern realisiert. In Kooperation haben beide die Netzauslegung sowie die gesamte Anlagentechnik geplant. Eine sogenannte Kopfstation speist die Fernwärme in das Nahwärmenetz ein, wie Gordon Schadwinkel, Head of Product Management bei Flamco, erklärt: „Als zentrale Kopfstation nutzten wir aus unserer Logotherm-Produktserie eine „Logomax“ mit einer Leistung von 700 kW. Sie arbeitet im Sommer mit Vorlauftemperaturen von 85 °C sowie im Winter mit einer Vorlauftemperatur von 135 °C. Über diese Fernwärmestationen wird der komplette Volumenstrom zur Versorgung aller weiteren Stationen reguliert, die in den einzelnen Häusern die Wärmeerzeugung besorgen. Da die Vorlauftemperaturen und die primären Drücke bereits durch die Kopfstation reduziert worden sind, werden diese Nahwärmestationen mit einer konstanten Vorlauftemperatur von 70 °C bedient. Zur Erfüllung der Anforderungen des Versorgers sowie zur Erreichung einer entsprechenden Energieeffizienz wird die Rücklauftemperatur aller Nahwärmesta-tionen auf 45 °C beschränkt.“

Im Nahwärmenetz kamen mehrere Sta-tionen der Typen „Logomini“(50 kW) und „Logomax“ (81 bzw. 102 kW) zum Einsatz. Alle wurden gemäß der vorliegenden Technischen Anschlussbestimmungen (TAB) individuell konfiguriert und versorgen jeweils einen gemischten sowie einen ungemischten Heizkreis. „Für einen effizienten Gebäudenetzbetrieb der einzelnen Gebäude erfolgt die Versorgung der Fußbodenheizungen mit einer konstanten und geregelten Vorlauftemperatur von
35 °C und Leistungen je Strang bis zu 79 kW. Die Versorgung der statischen Heizkörper erfolgt mit 65 °C und Leistungen je Strang bis zu 5 kW “, so Schadwinkel. Er hält fest: „Mit unseren ,Logotherm‘-Übergabestationen stellen wir eine konstante und bedarfsgerechte Versorgung mit thermischer Energie sicher.“ Wo es gefordert war, lieferte der Hersteller auch die Speicherladesysteme mit Leistungen je nach Gebäude von 30 bis 60 kW, hinzu kommen die Druckhaltung und Nachspeisung. Die Kopfstation ist darüber hinaus mit einer „Flextronic“-Steuereinheit ausgestattet. „Wir konnten bei diesem Projekt fast unsere gesamte Produktpalette einbringen – eine Lösung aus einer Hand. Das erleichtert nicht nur die Planung. Die perfekt aufeinander abgestimmten Komponenten unterstützen einen störungsfreien Betrieb des Wärmenetzes“, schließt Schadwinkel.

Intelligent regeln und kommunizieren

Auch über Nah-/Fernwärmestationen hinaus hat das Unternehmen im Sortiment verschiedene Produktlösungen für die dezentrale Warmwasserbereitung in Niedertemperaturnetzen. „Mit der „Logomatic G2“ haben wir kürzlich eine neue Generation kompakter sowie anschlussfertiger, dezentraler Wohnungsstationen mit elektronisch geregelter Warmwasserbereitung auf den Markt gebracht“, erläutert der Experte. „Diese Stationen verfügen über eine stufenlose und schnelle primäre Volumenstrom- und Primärenergieeinstellung, sodass sie nur so viel Energie der Warmwasserbereitung zuführen, wie tatsächlich benötigt wird. Bei entsprechenden Primärkonditionen erzielen wir somit niedrige Rücklauftemperaturen und steigern die Effizienz des Gesamtsystems.“

Die Wohnungsstation kann für die indirekte Trinkwassererwärmung sowie für die direkte Heizwärmeverteilung sowohl für Radiatoren- als auch Flächenheizsysteme eingesetzt werden. „Dabei sorgt die Warmwasser-Vorrangschaltung für einen maximalen Komfort für den Endnutzer“, ergänzt Schadwinkel. Die Wohnungsstation verfügt des Weiteren über eine fortschrittliche Regelungstechnik und neue Kommunikationsmöglichkeiten. „Diese wird insbesondere beim Einsatz in Netzen mit niedrigen Vorlauftemperaturen immer wichtiger. Durch die fortschrittliche Regelungstechnik erfolgt die Warmwasserbereitung auch bei niedrigen Vorlauftemperaturen schnell und effizient. Und durch die Möglichkeit, Betriebsdaten zu sammeln und künftig dem Betreiber weiterzuleiten, kann die Netzleistung nachfolgend angepasst und damit optimal genutzt und die Systemeffizienz weiter gesteigert werden“, weiß Schadwinkel.

Schlussendlich ist die Rechnung einfach: Je geringer die Vorlauftemperaturen im Netz, desto kleiner der Energieaufwand. „Dezentrale Wärmeverteilungen mittels Übergabestationen gewährleisten Nah- und Fernwärmenetzen in doppelter Hinsicht eine effiziente Heiz- und Warmwasserversorgung: Sie senken den Energieverbrauch, was sich zum einen in Einsparungen bei den Betriebskosten niederschlägt und zum anderen eine Senkung der CO2-Emissionen zur Folge hat. Deswegen werden sie fester Bestandteil der Dekarbonisierung sowie der Wärmewende und sind aus der Heizungstechnik künftig nicht mehr wegzudenken“, resümiert Schadwinkel.

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