BIM einfach machen

Kooperationsbündnis unterstützt BIM-Einstieg und -Abwicklung

Building Information Modeling (BIM) setzt sich zunehmend durch, ist aber in Deutschland noch längst nicht Standard. Ein Kooperationsbündnis aus BIM-Vorreitern der Baubranche möchte dies ändern. Das Ziel: BIM-Projekte ganzheitlich anzugehen, dabei alle Interessen zu berücksichtigen und maximale Transparenz zu schaffen. Hierfür hat der Zusammenschluss im Rahmen eines Forschungsprojekts hilfreiche Materialien auf der Website www.einfachbim.de erarbeitet, die auch Fachplaner der TGA beim BIM-Einstieg oder bei der Abwicklung derartiger Projekte zielgerichtet unterstützen können.

Im Jahr 2019 startete die Bauabteilung des Helmholtz-Zentrums in Dresden-Rossendorf (HZDR) – langjähriger Bauherr und Betreiber des gleichnamigen Forschungszentrums – eine Kooperation mit dem Planungsbüro WPW LEIPZIG GmbH. Das Ziel: Die Erarbeitung wesentlicher BIM-Standards für die Durchführung von Bauprojekten am Standort, wie etwa die Entwicklung von Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) und eines BIM-Abwicklungsplans (BAP). Doch wie sollten die Partner diese Aufgaben angehen?

„Wir waren damals schon weit, planten digital und in 3D, fragten uns aber auch, ob das schon BIM ist bzw. welche Voraussetzungen eigentlich für eine BIM-Planung gegeben sein müssen. Marion Oelke vom HZDR und ich haben dann gezielt begonnen, uns Wissen anzueignen und lernten im Rahmen der BIM World Heiko Clajus, BIM-Consultant bei Graphisoft Building Systems, kennen“, erläutert Dipl.-Ing. Julia Bock, Projektleiterin HLS/TGA bei WPW. Gemeinsam kamen die Partner zu der Erkenntnis, dass BIM nur dann erfolgreich implementiert werden kann, wenn dabei die vielseitigen Perspektiven aller Baubeteiligten berücksichtigt werden und die idealtypischen Prozesse, die man gemeinsam erarbeiten wollte, aus der Erfahrung mit echten Bauprojekten resultieren.

Zusammenschluss

Marion Oelke, Abteilungsleiterin Bau und Technisches Gebäudemanagement beim HZDR, Julia Bock und Heiko Clajus machten sich daher auf die Suche nach Gleichgesinnten. Ende 2020 trafen sich zahlreiche BIM-Interessenten aus Planung, Bauausführung, Softwareentwicklung, Recht und Wissenschaft, um die Idee eines Kooperationsbündnisses zu besprechen und die wichtigsten Arbeitsfelder zu identifizieren. Nur einen Monat später nahm der Zusammenschluss aus 16 Verbundmitgliedern – darunter u. a. Caverion, Graphisoft und Sikla – die Arbeit auf (alle Teilnehmer auf www.einfachbim.de).

„Durch meine Tätigkeit in Arbeitskreisen hatte ich festgestellt, dass auch die Bauabteilungen anderer Forschungseinrichtungen noch wenig Erfahrungen mit BIM hatten und erst am Beginn standen“, ergänzt Oelke. „Auch den von der Bundesregierung angekündigten Masterplan BIM und das entsprechende Kompetenzzentrum gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Wir haben deshalb versucht, das Projekt übergreifend zu denken, damit auch andere Baubeteiligte von den Erkenntnissen profitieren können.“

Ziel

Durch das Bereitstellen einer umfangreichen Wissensdatenbank möchte das Kooperationsbündnis dazu beitragen, die digitale Arbeitsmethode als Planungsstandard in der Baubranche zu etablieren. Es begreift BIM als eine kollaborative, vernetzte Arbeitsmethode, die mithilfe digitaler Automatisierung, verbesserter Visualisierung sowie konsistenter und transparenter Datenhaltung eine Effizienz- und Qualitätssteigerung von Planungs-, Bau- und Bewirtschaftungsprozessen ermöglicht.

„Damit BIM gelingt, ist es erforderlich, dass die Baubeteiligten ein gemeinsames Verständnis von den zugehörigen Prozessen entwickeln und diese nicht für jedes Bauprojekt neu herausgearbeitet werden müssen. Ich z. B. vertrete im Rahmen unserer Projektarbeit die Sichtweisen der TGA-Fachleute und der Softwareentwickler. So stellen wir sicher, dass auch diese Gruppen die für sie passenden Informationen erhalten“, erläutert Clajus.

Aus dieser Motivation heraus entwickeln die Partner seit zwei Jahren in enger Zusammenarbeit zahlreiche praxiserprobte Wissensbausteine, darunter standardisierte BIM-Workflows über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, um die Baubranche für die Praxis fit zu machen. Die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) begleitet das Forschungsprojekt wissenschaftlich, um die Arbeitsergebnisse aus einer neutralen Perspektive zu dokumentieren.

Bauprojekte

Die Grundlage der Forschungsarbeit bilden drei aktuelle Neubauprojekte am Standort des HZDR. Gebäude Nummer eins ist ein zweigeschossiges Rechenzentrum, das auf dem Niveau des BNB Gütesiegels Bronze errichtet wird und einen Sonderbau darstellt. Hier sollen Server-, Arbeits- und Technikräume unter dem Aspekt eines ebenso nachhaltigen wie kostengünstigen Gebäudebetriebs bereitgestellt werden. Dabei ist insbesondere der Kältebedarf ein wichtiges Thema. Das 2019 gestartete Projekt soll Ende dieses Jahres fertiggestellt werden. Im Jahr 2020 beauftragte das HZDR zudem die Planung eines zweigeschossigen Bürogebäudes, das eine zukunftsfähige und kostenoptimierte Lösung (BNB Gütesiegel Silber) darstellen soll. Der klassische Verwaltungsbau für über 60 Beschäftigte ist mit Büroflächen für 1, 2 oder 4 Personen, sowie Lehr-, Kommunikations- und Besprechungsbereichen ausgestattet.

Im Zuge der Planung, der Erstellung und des Betriebs der Gebäude wenden die Beteiligten die gemeinsam erarbeiteten Konzepte an und prüfen sie auf ihre Tauglichkeit. Die verschiedenen Bauwerkstypen stellen sicher, dass die entwickelten BIM-Workflows für eine Vielzahl von Anforderungen und Szenarien genutzt werden können.

Wissensspeicher

Die Ergebnisse der Zusammenarbeit präsentiert das Kooperationsbündnis auf der Website www.einfachbim.de. Hier finden Fachplaner schnell und einfach die für ihre Anforderungen relevanten Wissensbausteine. Ein interaktiver Filter ermöglicht einen schnellen Zugang zu den relevanten Informationen – zugeschnitten auf die individuell relevante Rolle, Projektphase und die Softwarelandschaft.

So findet sich beispielsweise für frühe Projektstadien ein Leitfaden für die Verwaltung eines digitalen Raumbuchs. Wie in Bild 3 zu sehen, befasst sich dieser Wissensbaustein mit dem Zusammenspiel von Auftraggeber, Objektplaner und Fachplaner für TGA. Während dem Objektplaner der Großteil der Aufgaben zufällt, berät der Fachplaner TGA bei der Detaillierung der Räume und übernimmt anschließend die Erstellung des Fachplanungsmodells mit einem gewerkeübergreifend einsetzbaren TGA-Planungswerkzeug wie etwa „DDScad“.

Anders verhält es sich beim vorgestellten BIM-Prozess für die Schlitz- und Durchbruchsplanung in Leistungsphase 5. Hier beginnt der Fachplaner den Workflow mit der Erstellung eines Durchbruchsvorschlagsmodells. Die Grundlage hierfür liefert das sogenannte Koordinationsmodell – also das Gebäudemodell, das die BIM-Fachmodelle von Objektplanung, Tragwerksplanung und Technischer Gebäudeausrüstung in sich vereint. Die Vorlage liefert exakte Vorgaben, was das Modell beinhalten sollte (und was nicht) und wie die Durchbrüche einheitlich beschrieben werden können. Wenn von mehreren Baubeteiligten Durchbruchsvorschläge erstellt werden, übernimmt der Fachplaner TGA im weiteren Verlauf zudem die Vorkoordination der TGA-Gewerke.

Nutzen

„Die Anwendungsfälle, Vorlagen und Umfragen auf einfachbim.de sind für öffentliche, aber auch privatwirtschaftliche Projekte nutzbar, finden sich für alle Leistungsphasen und Gewerke und haben einen direkten Praxisbezug“, fügt Clajus an. „Wenn es zum Beispiel darum geht, auftraggeberseitig Vorgaben für die digitale Modellierung zu formulieren, dann kann der Auftraggeber den entsprechenden Anwendungsfall und die Vorlagen herunterladen und an seine Fachplaner weitergeben. Diese Vorgehensweise spart allen Beteiligten Zeit und reduziert die Fehlerwahrscheinlichkeit.“

Ebenso können Planer auf Basis der Dokumente erste Kenntnisse für die Digitalisierung von Planungsprozessen aufbauen. Dies betrifft nicht nur gewerkespezifische Themen, sondern erstreckt sich bis zum Einsatz von Virtual Reality bei der Visualisierung von Projekten. Die Wissensinhalte wurden so aufbereitet, dass sie auch für BIM-Neueinsteiger gut verständlich sein sollen. „Außerdem können Interessierte das Kooperationsbündnis ‚einfach BIM‘ kontaktieren und Fragen stellen. Unsere Kontaktdaten sind auf der Projektwebsite hinterlegt“, so Oelke. Das Projekt „einfach BIM” soll im Laufe dieses Jahres grundsätzlich zum Abschluss kommen. Geplant ist aber, dass die Beteiligten sich zweimal im Jahr im Rahmen eines Workshops treffen, um praxisorientiert und konstruktiv an den anderen Bauprojekten und damit auch an „einfach BIM“ weiterzuarbeiten.

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