Energiekonzept zur Wärme- und Kälteversorgung mit Grubenwasser

Pumptests bestätigen geothermisches Potenzial

Die umfangreichen Pumptests auf dem Gelände Mark 51°7, dem ehemaligen Steinkohlebergwerk Dannenbaum in Bochum, waren erfolgreich. Aus dem alten Grubengebäude kann aus rund 300 bzw. 800 m Tiefe genug warmes und kaltes Grubenwasser gefördert werden. Das geothermische Potenzial unter dem geplanten Gewerbegebiet ist damit ausreichend, um rund 70 bis 75 % des Wärme- und Kältebedarfs der Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf dem Areal mit klimafreundlicher Wärme und Kälte zu decken. Damit steht dem Aufbau einer energiesparenden Wärme- und Kälteversorgung der sogenannten 5. Generation nichts mehr im Wege.

Vergangenes Jahr bohrte die 40 m hohe Anlage bis zu 820 m in die Tiefe und erschloss das Grubenwasser des alten Bergwerkes.
Bild: F. Jaegert / Fraunhofer IEG

Vergangenes Jahr bohrte die 40 m hohe Anlage bis zu 820 m in die Tiefe und erschloss das Grubenwasser des alten Bergwerkes.
Bild: F. Jaegert / Fraunhofer IEG
„Die geothermische Erschließung eines ehemaligen Steinkohlenbergwerks ist eine besondere bohrtechnische Herausforderung. Der Untergrund gleicht hier zuweilen einem Schweizer Käse. Mit dem erfolgreichen Pumptest haben wir erstmalig in NRW gezeigt, dass Geothermie ihren Beitrag leisten kann, die Großstädte an Rhein und Ruhr nachhaltig mit Energie zu versorgen. Das Bochumer Geothermie- und Speicherprojekt ist zugleich das modernste Konzept zur kommunalen Wärme- und Kälteversorgung in Deutschland“, unterstreicht Prof. Rolf Bracke, Leiter des Fraunhofer IEG.

Das Fraunhofer IEG berät die Stadtwerke Bochum beim energetischen Gesamtkonzept eines Wärme- und Kältenetzes der 5. Generation. Wärme- und Kältenetze der 5. Generation, auch kalte Nahwärmenetze genannt, sind besonders effizient, weil sie nur eine sehr geringe Arbeitstemperatur des umlaufenden Arbeitsmediums aufweisen. Wärmepumpen in den einzelnen Gebäuden können dadurch je nach Bedarf Wärme oder Kälte aus dem Netz entnehmen.

Zudem verantwortete Fraunhofer IEG die unterirdischen Aktivitäten im Projekt. Dazu gehören auch die Bohrungen durch einen in bis zu acht Abbauhorizonten mit alten Bergwerksstollen durchsetzen Untergrund oder die Logistik der umfangreichen Pumptest des Grubenwassers. Die Erschließung der Erdwärme in Bochum gilt mit 820 m Tiefe als derzeit größtes Projekt der Tiefengeothermie in NRW. Im aktuellen Projekt bringt Fraunhofer IEG die Vorteile von Geothermie, Wärmenetze, Untergrundspeicher und Großwärmepumpen zusammen.

Arbeiten zur Errichtung einer Energiezentrale starten

Im März ließen die FUW GmbH, eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke Bochum, und die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG spezielle Tauchkreiselpumpen auf rund 300 m in die Bohrpfade ab. Über 17 Tage sammelten verschiedene Sensoren und Messeinrichtungen sowohl Daten zu Temperatur, Druckverhältnissen, Fördervolumen und Zusammensetzung des Grubenwassers als auch Leistungsdaten der Förderpumpen und mögliche seismische Auswirkungen. Dabei konnten die vorab ermittelten bzw. erwarteten Parameter weitestgehend bestätigt werden. Einzig die Grubenwassertemperatur in der 8. Sohle ( -820 m) lag, anders als vorab erwartet, nicht bei 30 °C, sondern lediglich bei 27-28 °C. Hier wird nun überprüft, ob und inwiefern die niedrigeren Temperaturen eine Anpassung der Anlagenkonfiguration erfordern.

Von der Arbeitsbühne aus hat das Projektteam mit dem Kran die Pumpen ins Bohrloch abgelassen, um die Ergiebigkeit an Grubenwasser zu testen.
Bild: D. Teza /Fraunhofer IEG

Von der Arbeitsbühne aus hat das Projektteam mit dem Kran die Pumpen ins Bohrloch abgelassen, um die Ergiebigkeit an Grubenwasser zu testen.
Bild: D. Teza /Fraunhofer IEG
Nun starten die vorbereitenden Arbeiten zur Errichtung der Energiezentrale Ost. Dort soll die im Grubenwasser enthaltene Wärme- und Kälteenergie mit Wärmepumpen auf das Temperaturniveau gebracht werden, das für die Versorgung der Kunden erforderlich ist. Für die Wärmeversorgung soll das rund 27-28 °C warme Grubenwasser des ehemaligen Steinkohlebergwerks Dannenbaum über Wärmepumpen auf ca. 48 °C erwärmt und anschließend in das Netz abgegeben werden. Auch für die Kälteversorgung der entstehenden Immobilien wird das Grubenwasser genutzt. Dafür wird aus einer Tiefe von etwa 340 m ca. 17 °C „kaltes“ Wasser gefördert.

Das natürliche Energiepotenzial des Grubenwassers wird durch diese optimale energetische Ausnutzung zu rund 70 bis 75 % den Wärme- und Kältebedarf der angeschlossenen Abnehmer decken. Der verbleibende Wärmebedarf wird aus dem Fernwärmenetz der FUW GmbH gedeckt. Kältemengen, die an sehr heißen Tagen zusätzlich erforderlich sind, werden über konventionelle Kälteanlagen an das Kältenetz von Mark 51°7 übergeben. Das neue Energiekonzept leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Dank der Nutzung der nachhaltigen und erneuerbaren Energiequelle des Grubenwassers werden klimaschädliche Treibhausgasemissionen (CO2), verglichen mit einer konventionellen Wärme- und Kälteversorgung mit Erdgasbetrieb und elektrischen Kompressionskältemaschinen, in Summe um rund 3.200 t pro Jahr reduziert.

Der Aufbau der innovativen Wärme- und Kälteversorgung für Mark 51°7 wird aus Mitteln des EU-Interreg-Programms North-West Europe und des BMWK/BAFA-Förderprogramms Wärmenetze 4.0 unterstützt. Mehr Information zum Projekt gibt es auf der Website des Fraunhofer IEG.

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