„Smarte“ Techniken in effizienten Häusern

Im Gespräch mit Alexander Schaper

tab: Können Sie sich eine Welt – oder denken wir erst einmal kleiner – Deutschland in 50 Jahren nur noch mit Gebäuden mit smarter Haustechnik vorstellen?


Alexander Schaper: Tatsächlich halte ich es für realistisch, dass aus verschiedenen Gründen der überwiegende Anteil aller Gebäude über einen hohen Grad an Vernetzung verfügen wird. Dabei denke ich vor allem an Systeme des Energiemanagements, da ich davon ausgehe, dass wir in Deutschland und Europa vollkommen neue Formen der Ener­gie­ver­sor­gung bekommen und betreiben – alleine schon unter dem Aspekt der Elektromobilität.


tab: Welche „smarten“ Erfindungen und Komponenten werden bei Ihnen am meisten nachgefragt? Sind diese 2017 realisierbar?


Alexander Schaper: Die Nachfrage richtet sich stark nach der Zielgruppe – privat oder geschäftlich – und dem Einsatzzweck, das heißt, ob eher Wohnen oder Arbeiten im Fokus der Nachfrage stehen. In unserer Definition sehen wir „smart“ grundsätzlich als Planungsphilosophie und nicht als rein technischen Ansatz. Wir machen uns mehr Gedanken über Prozesse und deren Anforderungen und nicht über die Grenzen technischer Lösungen. 

Die Anfragen rund ums Wohnen beziehen sich meist auf bereits etablierte Themen wie beispielsweise Beschattung, Türkommunikation, Heizungs- und Lichtregelung. Durch die Kommunikation zum Thema „Smart Home“ sind in den letzten Jahren die Themen Zutrittskontrolle und auch Multimediavernetzung bzw.strukturierte Verkabelungen, hinzugekommen. Im Prinzip nichts Neues. Allerdings wurden früher eher einzelne Themen „aufgerufen“. Heute möchten die Kunden bereits alles auf einen Schlag und vor allem – und hier wird es eben anders – vernetzt bzw. vernetzbar. Die Verknüpfung verschiedener Domänen, die Einrichtung von Routinen im Hintergrund und eine Bedienung via Touchpanel oder im Kleinen per App stehen heute immer häufiger auf der Wunschliste. Wirklich „verrückte“ Anforderungen gibt es sehr selten.

Für uns Planer teilen sich diese Anforderungen im Kern auf zwei Ebenen auf: Grundsätzlich erfordern diese Anwendungen eine solide Infrastruktur für die Übertragung von Daten und eine möglichst variable „Verschaltung“ der Energieleitungen (also NYM-Kabel, Verteiler, Schalter, Abzweig und Elektronikdosen). Dies ist eine wichtige – aber lösbare – Herausforderung für den Neubau wie für den Bestand. Allerdings sollte man auch akzeptieren, dass Lösungen im Bestand ihre Grenzen haben bzw. häufig auch höhere Kosten nach sich ziehen und somit meist aus Budgetgründen etwas kleiner ausfallen. 

Der zweite Teil, welcher sich mit der Verknüpfung/Vernetzung verschiedener Systeme und Domänen beschäftigt, ist deutlich komplexer, da es die meisten Planer schon fachlich schnell an Grenzen führt – hier sollte man offen mit dem Bauherrn sprechen, ob evtl. ein Systemintegrator zu Rate gezogen wird. Wünscht der Kunde die Vernetzung von Geräten und Systemen, welche unterschiedliche Protokolle verwenden, muss man sich viele Gedanken machen, um am Ende eine funktionierende Lösung zu erhalten. Dabei geht es an dieser Stelle noch nicht einmal um die „totale“ Vernetzung, sondern eher um die Verbindung von Teilsystemen. 


tab: Überwiegen Ihrer Meinung nach Komfort oder Energieeinsparung bei der Nachfrage?


Alexander Schaper: In vielen Fällen vereinen sich insbesondere die Themen Komfort und Energie, wenn auch zunächst unbewusst. Auf der Kostenseite ist Energie zwar ein Kopfthema, aber in der persönlichen Wahrnehmung im gelebten Alltag ist Energie eigentlich immer ein Gefühls- und somit ein Komfort­thema. Denn wenn einem kalt oder das Licht zu dunkel ist, dann kommt die Freude am Energiesparen schnell an ihre Grenzen.

Oft hängen eine gute Klimatisierung (Luftfeuchte, CO2, Temperatur) mit einem angemessenen Energieverbrauch unmittelbar zusammen, d.h. der gefühlte Komfort und ein kluges Energiemanagement bilden eine „angenehme Symbiose“. Durch die vernetzbaren Komponenten lassen sich Komfort- und Ener­gie­the­men zwar trennen, aber vor allem auch miteinander verknüpfen.


tab: Ist das „Smart Home“ ein Technologiekonzept der Zukunft, das unsere ältere Generation nicht mehr betrifft?


Alexander Schaper: Es gibt den Wandel von Komfort zu Hilfsfunktionen. Einerseits kann ich mit Beleuchtung tolle Effekte erzeugen, beispielsweise wenn der Flur, sobald ich ihn betrete, leicht gedimmt beleuchtet wird. Spätestens aber, wenn ich gebrechlich bin – durch einen Unfall oder altersbedingt – habe ich ein Hilfssystem, das mich dabei unterstützt, sicher von A nach B zu kommen. Mit vernetzter Technik kann man außerdem sicherer und länger in den eige­nen vier Wänden verweilen.

Unsere Erfahrung und auch der Vertrieb zeigen deutlich, dass das Thema für fast jede Altersgruppe relevant und interessant ist. Insbesondere für Menschen, die betagt oder in gewisser Weise im Alltag beeinträchtigt sind, bieten „Smart Home“-Anwendungen – dann eher als Assistenzlösung zu verstehen – tolle, hilfreiche und komfortable Unterstützung. Mit anderen Worten – für die Planung ist es vor allem wichtig, sich mit den Lebensumständen der Kunden bzw. Zielgruppen auseinanderzusetzen, um zu angemessenen Lösungen zu kommen. Selbstverständlich stets unter Einhaltung zur Verfügung stehender Budgets, die aufgrund ihrer realen Höhe auch die Komplexität in der Planung von ganz alleine reduzieren.

tab: Kann man „Smart Home“-Komponenten problemlos in den Bestand integrieren?


Alexander Schaper: Grundsätzlich lassen sich fast alle „Smart Home“-Anwendungen durch diverse drahtgebundene und/oder funkbasierende Komponenten realisieren. Ob dies problemlos funktioniert, hängt dabei sehr von dem ab, was man vorfindet. Stößt man auf eine sehr minimalistische oder auch schlechte Elektro­instal­la­tion ergeben sich daraus selbstverständlich „natürliche“ Grenzen, die ausschließlich durch partielle oder evtl. auch etwas umfangreichere Nachbesserungen verschoben werden können. Dies kann durch Umverdrahtungen in Abzweigdosen, Einbau von anderen, größeren Verteilungen oder Erweiterungen von Steck- und Schalterdosen erreicht werden. Stößt man hingegen auf eine gute Installationsbasis, meist aus der jüngeren Vergangenheit ab Ende der 1990er Jahre, dann steht einer Integration mit überschaubarem Aufwand nicht viel im Wege.


tab: Sind die heutigen Systeme ausgereift?


Alexander Schaper: Wenn man sie rein technisch betrachtet, kann man attestieren, dass sie schon weitestgehend ausgereift sind. Die meisten Systeme, die ich kenne, sind ausgereift. Das Problem ist eher, dass die Systeme in einigen Teilen sehr komplex sind oder es gibt innerhalb der Systeme keine Plausibilitätsprüfung. Man kann keine Logik dahinter vereinbaren, da es sehr individuell ist, was an Programmierung stattfindet. Guckt man also fokussiert auf einzelne Produkte oder einzelne Anwendungen, kann man durchaus attestieren, dass sie ausgereift sind, aber auf der Konfigurations- und Administrationsseite haben wir Defizite durch die fehlende Plausibilitätsprüfung. Auf der einen Seite also ja – sie sind ausgereift. Auf der anderen Seite nein, sie haben durchaus Verbesserungspotential. 


tab: Was muss ein Planer beachten, wenn smarte Technik in einem Neubau installiert werden soll?


Alexander Schaper: Wir müssen immer darauf achten, dass das Gebäude an sich – ohne dass smarte Komponenten vorhanden sind – möglichst zukunftsfähig designt wird. Wir sollten darauf achten, dass ein Gebäude über eine solide IT-Infrastruktur verfügt und es die Möglichkeit gibt, Netzwerkdosen einzubauen. Elektrotechnische Kabel bzw. das Konstrukt dahinter müssen mehr betrachtet werden, eine strukturierte Verkabelung muss deutlich mehr Relevanz in der Planung erhalten. Diese Infrastruktur, die nach der DIN EN 50173 Teil 4 zu erfolgen hat, muss mehr Relevanz haben, besonders wenn ich Richtung Smart Home gehen möchte. 

Im zweiten Schritt sollte man sich überlegen, mit welcher Klientel habe ich zu tun, welche „Smart Home“-Produkte kann ich überhaupt anbieten? Die verfügbaren Summen sind meist im vierstelligen Bereich. Da empfiehlt es sich zu schauen, welche Systeme gibt es und mit welchen setze ich mich auseinander? Dadurch sinkt gleichzeitig die Komplexität und man kommt zu lösbaren Aufgaben. 

tab: Herr Schaper, vielen Dank für das Gespräch.



Das Interview führte Nora Geiger, Zebau GmbH (www.zebau.de), im Anschluss an den Fachkreis „Smart Home: Vernetzung, Eigenstrom und Speichertechnologien“, der am 2. November 2016 in Hamburg stattfand. Der nächste Fachkreis der Zebau GmbH zum Thema „Smart Home“ wird am 25. September 2017 wieder in Hamburg ausgerichtet.

Anmeldungen bitte per E-Mail an: .

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 05/2018 Aktualisierte Richtlinie

„Smart Home“-Systeme

Der komplette Planungsprozess auf dem Weg hin zu „Smart Home“ und „Smart Office“ wird in der Richtlinie Nr. 2 „Planung von Smarthome-Systemen“ beschrieben. Diese wird als erweiterte und...

mehr
Ausgabe 06/2018

„Smart City“ contra „Big Brother Award“

Von Datenschutz und Datensicherheit

Am 20. April wurden in Bielefeld die vom Digitalcourage e.V. organisierten „Big Brother Awards“ für 2018 verliehen, die Datensünder in Wirtschaft und Politik prämieren. Das Medienecho blieb...

mehr
Ausgabe 04/2022 Im Gespräch mit Holger Schaefe

Was ein Gebäude zum Smart Building macht

Die im Jahr 2002 in Teltow bei Berlin gegründete Hosch Gebäudeautomation Holger Schaefe GmbH gehört heute zu den großen, fabrikatsunabhängigen Systemintegratoren im Raum Berlin/Brandenburg. Das...

mehr
Ausgabe 7-8/2015

Im Gespräch mit Dr. Markus Beukenberg

„Smart Home“ zwischen Effizienz, Komfort und Sicherheit

tab: Herr Dr. Beukenberg, zum gemeinsamen Verständnis vorweg – was steckt für Sie hinter dem Modebegriff „Smart Home“? Dr. Beukenberg: „Smart Home“ wird zwar recht inflationär gebraucht, aber...

mehr
Ausgabe 7-8/2014 Energie- und Gebäudetechnik im Blick

Vernetzung führt zum Zusammenwachsen

Bosch sieht sich mit dem Unternehmensbereich Energie- und Gebäudetechnik, der die Geschäftsbereiche Bosch Thermotechnik mit den Marken Junkers und Buderus, Bosch Sicherheitssysteme und den...

mehr