Exklusiver Online-Beitrag: Energiemanagement der Südwest­deutschen Salzwerke

ISO 50001-Zertifizierung erlaubt Ausnahme von EEG-Umlage

Verbrauchsanalysen und Kostenaufstellungen sind vor dem Hintergrund stetig steigender Energiepreise zur Prozessoptimierung und Ressourcenschonung für viele Betriebe unerlässlich. Je nach Komplexität des Unternehmens lassen sich die nötigen Werte jedoch nur schwer ermitteln – ein Problem, dem die Südwestdeutsche Salzwerke AG, einer der größten deutschen Salzhersteller, mit der Einführung eines umfassenden Energiemanagementsystems begegnet.

Mit dem Steinsalzbergwerk Heilbronn, aus dessen Schächten jährlich rund 5 Mio. t gefördert werden, dem Salzbergwerk Berchtesgaden sowie zwei Salinen in Bad Friedrichshall und Bad Reichenhall mit einer gemeinsamen Kapazität von 0,48 Mio. t/a zählt die Südwestdeutsche Salzwerke AG (www.salzwerke.de) zu den bedeutendsten Salzproduzenten Europas. Erzeugnisse des Konzerns finden nicht nur im Lebensmittelbereich Einsatz, sondern auch im Winterdienst und in der Industrie. Die Größe des Betriebs mit den verschiedenen Standorten und Prozessen, insbesondere dem komplexen Abbau des Salzes untertage, machen die einheitliche Energieverwaltung allerdings zu einer Mammutaufgabe. „Bisher basierte unser Energiemanagement auf manuellen Zählerablesungen und deren Aufbereitung in Excel. Nur ganz vereinzelt waren Zähler auf ein Prozessleitsystem geschaltet“, berichtet Herbert Schiefer, Fachbereichsleiter „Technische IT“ bei der Südsalz GmbH, der Vertriebstochter der Salzwerke. 

 

Umfangreiche Anschlussbedingungen und wechselnde Zähler

Um hier die Effizienz zu steigern und die Überwachung sowie die Auswertung der Zählstellen zu vereinfachen, entschied sich der Konzern daher 2013, ein spezialisiertes Managementsystem einzuführen. „Voraussetzung war jedoch, dass alle Energieformen flexibel und über unterschiedliche Zählertypen eingebunden werden können“, so Herbert Schiefer. „Es mussten Anschlussmöglichkeiten zu analogen und digitalen I/O-Systemen, zu Feldbussen und SPS-Systemen gegeben sein sowie wegen der Ausdehnung unseres Betriebsgeländes untertage auch zu Ethernet, Profibus und anderen seriellen Bussystemen. Außerdem sollte auch die Eingabe von Hand weiter möglich sein.“

Die so erfassten Daten sollten standortübergreifend für Berichte und Auswertungen über andere Tools genutzt werden können und dabei auch spezielle Zählersignale wie Oberwellen oder die Phasenverschiebung (cos phi) berücksichtigen. Auch müssen sie selbst bei sich ändernden Zählern dem jeweiligen Verbraucher und der direkten Kostenstelle zugeordnet werden können, da beim Vortrieb des Untertagebaus regelmäßig auch die Einspeisepunkte wechseln. Nachdem hardwareorientierte Lösungen eine solche Flexibilität systembedingt meist nicht bieten können, fiel die Wahl schließlich auf die Energiemanagement-Software „EMSControl“ der evon GmbH (www.evon-automation.com).

 

Flexible Anbindung dank Standardisierung

 

Die Plattform basiert auf dem Prozessleitsystem „XAMControl“, das zur Regelung von Produktionsanlagen oder Gebäudetechnik entwickelt wurde, und verfügt daher über eine große Bandbreite an Anbindungs- und Steuerungsoptionen. „Die Konnektivität des Systems umfasst alle Standard-Impulszähler, M-Bus, Modbus und ähnliches bis hin zu in Steuerungen verbauten Zählern“, erklärt Andreas Leitner, einer der Geschäftsführer von evon. An jedem Zähler werden in definierten Intervallen die Verbrauchswerte berechnet und diese den Verbrauchern oder Verbrauchergruppen sowie den entsprechenden Kostenstellen zugeordnet. Zudem können auch virtuelle Zählstellen gebildet und verwaltet werden, etwa aus dem Summenwert zweier Zähler. Bei den Südwestdeutschen Salzwerken lassen sich so nicht nur Strom und Gas, sondern auch Wasser, Treibstoff und sogar die Sprengstoffe für den Abbau erfassen.

Das System selbst arbeitet mit standardisierten Technologien, wie MS-SQL-Datenbanken oder dem MS-SQL-Reportdesigner, was die Einarbeitung und Bedienung erleichtert und gleichzeitig Schnittstellen zur Vernetzung mit anderen Programmen, wie ERP-Lösungen, eröffnet. Wo kein Zähler verwendet wird, können so beispielsweise manuelle Eingaben aus Excel übernommen werden. „Dies erlaubt es auch, die Zählertopologie trotz der sehr volatilen Energiestruktur des Unternehmens ohne großen Aufwand aktuell zu halten“, so Andreas Leitner. „Dazu muss nur die Zuordnung in der dafür vorgesehenen Excel-Tabelle geändert werden, die Darstellung passt sich automatisch an.“ Darüber hinaus ist „EMSControl“ vollständig virtualisierbar, das heißt, es kann auf virtuellen Clustern laufen, die sich unabhängig von der Hardware entsprechend konfigurieren lassen, wodurch sich das Programm problemlos in jede IT-Infrastruktur einfügt.

 

Frei definierbare Betriebswerte und -strategien

Die unterschiedlichen Verbraucher werden innerhalb des Gesamtsystems abstrahiert als Aggregate behandelt, für die bestimmte Betriebswerte festgelegt werden können. So lassen sich etwa Minimal- und Maximalgrenzgrößen mit Zeitvorgaben verknüpfen und bei Übertretung die betreffenden Stellen per E-Mail oder SMS benachrichtigen. „Am Wochenende muss beispielsweise weniger Leistung für die Drucklufterzeugung anfallen oder es darf weniger Wasser zu den Toiletten geleitet werden“, erklärt Schiefer den Effizienzgedanken dahinter. Auf diese Weise werden Lastspitzen vermeidbar und die vorhandenen Ressourcen werden entsprechend des Bedarfs optimal genutzt.

Die frei definierbaren Parameter können in Form von Betriebsstrategien und im Zusammenspiel mit den Steuerungsfunktionen von „EMSControl“ sogar für ein automatisiertes Lastmanagement verwendet werden – eine Option, die die Südwestdeutschen Salzwerke noch nicht nutzen, die aber mit Blick auf zukünftige Entwicklungen bei der Software-Entscheidung ebenfalls eine Rolle spielte. Dank verschiedener Schnittstellen des Systems, einschließlich BACnet und OPC, ließen sich so unter anderem Anlagen zu bestimmten Zeiten anfahren, nach Priorisierung betreiben oder beim Erreichen der Grenzwerte herunterregulieren. 

 

Visualisierung und Analyse aller Daten

Um bei der Vielzahl an Verbrauchern und Zählern den Überblick zu behalten, legte evon bei der Entwicklung des Energiemanagementsystems großen Wert auf eine eingängige und klare Visualisierung aller Bereiche und Betriebsdaten. Standardmäßig werden Werte und Stellen in übersichtlichen, deutlich abgesetzten Kacheln dargestellt, die sich anwählen lassen und damit weiterführende Einblicke und Zugriffe auf den jeweiligen Posten erlauben. Darüber hinaus umfasst das System aber auch die Möglichkeit, im Editor erstellte 3-D-Darstellungen einzubinden. Diese orientieren sich etwa am Gebäudeplan und erleichtern so die räumliche Einordnung von Verbrauchern und Zählern. 

Die erhobenen Daten werden aber nicht nur in Echtzeit abgebildet, das Programm erstellt auf Wunsch auch typische Kennzahlen, Lastgänge, Verbrauchsprognosen oder auch kostenstellenspezifische Analysen, die grafisch aufbereitet und für Reports verwendet beziehungsweise in andere Formate, wie PDF oder Excel, exportiert werden können. „Diese Trenddarstellungen bieten viele Hilfen für die Auswertung“, so Herbert Schiefer. „Unter anderem kann so die Verteilung der Energiemengen einfach nachvollzogen werden.“ Die Aufschlüsselung ermöglicht es im standortübergreifenden Monitoring zum Beispiel, aktuelle Verbrauchswerte unterschiedlicher Bereiche und Niederlassungen zu vergleichen, ohne vor Ort sein zu müssen oder in die Produktion einzugreifen. Dadurch bietet das Energiemanagement-Tool – neben der Widergabe des Ist-Zustands – auch eine umfangreiche Datenbasis für Optimierungskonzepte.

 

Einsparpotentiale durch Energiemanagement nach ISO 50001

Durch diese breite Informationserfassung der Energieflüsse und -verbrauchsdaten im Unternehmen wie auch durch seine Werkzeuge zur Überwachung und Analyse erleichtert das System insgesamt die  Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und erfüllt damit die Anforderungen der DIN EN ISO 50001 an ein systematisches Energiemanagement. Die entsprechende Zertifizierung ermöglicht es Betrieben mit über 1 GWh Energieverbrauch pro Jahr, eine teilweise Befreiung von der EEG-Umlage zu beantragen. „So kann die Software Unternehmen nicht nur langfristig bei der effizienteren Nutzung ihrer Ressourcen und Anlagen unterstützen, sondern auch zeitnah zu einer merklichen Senkung der Energiekosten beitragen“, fasst Andreas Leitner zusammen.     

Bei den Südwestdeutschen Salzwerken befindet sich „EMSControl“ derzeit noch im Aufbau, im Juni 2014 erfolgte die offizielle Abnahme. „Durch Auswertung der historischen Daten können jetzt erste Rückschlüsse für zukünftige Lastmanagementfunktionalitäten gezogen werden“, berichtet Schiefer. „Außerdem haben wir erste große Einsparpotentiale ermittelt.“ Die Umsetzung entsprechender Maßnahmen wird seiner Einschätzung nach aber noch einige Zeit benötigen. Schon jetzt zeichnet sich bei dem Salzproduzenten aber ab, dass das Energiemanagementsystem noch weiter wachsen wird. So werden voraussichtlich die manuellen Zählstellen sukzessive durch automatische ersetzt und ein Lastmanagement implementiert. Auch über die Einbindung gebäudeleittechnischer Überwachungsfunktionen – immerhin eine Basisanwendung der evon-Software – wird nachgedacht. „Wir sind gerade an der Spitze des Eisbergs und arbeiten uns langsam nach unten.“ 

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