Betriebsoptimierung im „Smart Building“

Einsparpotentiale effektiv ausschöpfen

Brain, Building Middleware, Building Operation System, Digitalisierungsplattform, Cloud-Plattform für Gebäude, „Smart Building“-Plattform – im Markt kursieren momentan vielfältige Wörter und Bezeichnungen für Systeme, die ein Gebäude zum „Smart Building“ werden lassen. Aber worüber sprechen wir eigentlich wirklich? Und welche Möglichkeiten bietet ein „Smart Building“ für die technische Optimierung eines Gebäudes? Fest steht, ein „Smart Building“ braucht digitale Werkzeuge, mit denen man Gebäude technisch effizienter machen kann, um den aktuellen Anforderungen der Immobilienbranche gerecht zu werden.

Anforderungen an
moderne Gebäude

Gebäudebesitzer wollen und müssen näher an die Nutzer heranrücken und über die Güte ihrer Immobilien informiert sein. Sie wollen über die tatsächliche Nutzung und Performance ihrer Gebäude Bescheid wissen, aber es gilt auch den Bestand zu optimieren und die Betriebseffizienz zu steigern. Die Zukunftsfähigkeit von Immobilien ist also entscheidend. Nur so können Gebäudebesitzer flexibel auf zukünftige Anforderungen seitens der Nutzer und Mieter reagieren.

Effiziente Flächennutzung,
Erhöhte Flächengüte, gesunde Raumluft & Behaglichkeit,
Wirtschaftliche Betriebskosten,
Optimierte FM-Prozesse,
Prädiktive Wartung & Instandhaltung,
Nutzerfreundliches, digitales Mietermanagement,
Reduktion des Primärenergieaufwands für einen nachhaltigeren Betrieb,
Digital Readiness.

Aktuelle „Smart Building“-Bewegungen im Markt

Im Markt finden sich zahlreiche Insellösungen – angeboten von etablierten Unternehmen, Corporate-Spin-Offs, erprobten PropTechs und jungen Start-ups. Diese nehmen sich der Aufgabe an, bestimmte Aspekte von Bestand und Neubau zu einem „Smart Building“ zu entwickeln. Hier sollen nur einige Beispiele dafür genannt werden

Flächennutzungsanalyse mit entsprechendem Heat-Mapping,
Software-Lösungen unterstützen bei der Performance-Beurteilung von Gebäuden,
Klassische Gebäudeautomationssysteme ermöglichen es, das Betriebsverhalten zu beobachten und Rückschlüsse auf thermischen Komfort und Behaglichkeit zu ziehen,
Angebote wie Cleaning on Demand oder zustandsbasierte Wartung von Raumlufttechnischen Anlagen,
Einspar-Contracting-Modelle,
Wettervorhersage-basierte Regelungen,
Angebote von „Smart Building“- und „Smart District“-Apps mit diversen Services, darunter Zutritt, Locker, People-Finder, Raum- und Arbeitsplatzbuchung, Incident-Management, Community-Anwendungen.

Asset-Owner stehen also einem kaum überblickbaren Angebot gegenüber. Hinzu kommt, dass die technische Topologie keineswegs standardisiert ist. Die einzelnen Lösungen versprechen Abhilfe zu einzelnen oder mehreren Anforderungen. Wer seine Portfolios ganzheitlich wertstabil halten will, sollte nicht nur den Neubau, sondern auch den Bestand betrachten – Es geht schließlich darum, alle Gebäude fit für die Zukunft und nachhaltiger zu machen. Ein „Smart Building“ muss also ganzheitlich gedacht werden, um den aktuellen Anforderungen der Zeit gerecht zu werden. Dafür bedarf es einer zentralen Plattform, um alle Ebenen und alle Stakeholder dabei zu bedienen.

Was braucht man für ein „Smart Building“?

Zu den Grundfunktionen, die es für ein „Smart Building“ zu erfüllen gilt, zählen zunächst die Datenerfassung und -haltung in Form eines Data Lakes. Darin sind alle technischen Betriebsdaten, Verkehrsdaten und Bewegungsdaten enthalten, die von Technischer Gebäudeausrüstung erzeugt werden. Außerdem sollten hier alle wichtigen Stamm- und Metadaten zur Immobilie vorhanden sein.

Darüber hinaus bedarf es eines Digitalen Zwillings einer Immobilie und des ganzen Portfolios. Dieser kann auf einer semantischen Strukturierung aller Daten im Data Lake basieren. Er kann sich aus verschiedenen Komponenten physikalischen oder prozessualen Ursprungs zusammensetzen und auf diese Weise die Realität digital abbilden.

Eine weitere wichtige Grundfunktion eines „Smart Buildings“ besteht darin, allen Stakeholdern gezielten Zugriff auf ausgewählte Daten zu geben. Dabei müssen Datenschutz und Datensicherheit vollumfänglich gewährleistet sein. Erweiterte Dienste des hier definierten Standardgewerks können unter anderem Analysealgorithmen, Regelungsalgorithmen oder Process-Engines sein. Dabei sind offene Schnittstellen ein essenzieller Bestandteil der Cloud-Plattform, damit diese von relevanten Stakeholdern selbstständig integriert werden können.

Die Daten dienen als Grundlage. Alle der oben beispielhaft skizzierten Anwendungsfälle brauchen diese in unterschiedlichem Maße. Daten gelten als das Öl des 21. Jahrhunderts, welches es zu raffinieren gilt, um einen entsprechenden Mehrwert zu generieren. Eine Cloud-Plattform kann von fast allen relevanten Stakeholdern im Lebenszyklus einer Immobilie genutzt werden. Eine direkte Nutzung kann über Nutzerschnittstellen (Human-Machine-Interfaces (HMI)) oder User-Interfaces (UI), wie Web-Frontends oder Apps, erfolgen. Nutzerseitige Business-Intelligence-Lösungen können direkt über die Schnittstellen an die Daten und Funktionen der Plattform herantreten. Zudem kann die Nutzung indirekt über Plattformen und digitale Services Dritter erfolgen, die über die Schnittstellen auf die Cloud-Plattform zugreifen und wiederum eigene Programmierschnittstellen und Nutzerschnittstellen anbieten.

Proaktivität: Der Schlüssel, um aktuelle technische Herausforderungen zu meistern

Innovative Betreiberteams und Facility Manager sind sich der Problematik einer reaktiven Betriebsführung bewusst und beginnen rein intuitiv mit einem Wandel zu einer proaktiven Betriebsführung: Beispielsweise nutzen sie Trendanalysen und setzen sich kontinuierlich mit einer Verbesserung des Betriebs auseinander, um die Ursachen und nicht nur die Symptome für Alarme und Beschwerden zu beheben. Natürlich kann nicht vermieden werden, dass es dennoch zu technischen Störungen kommt. Sie treten jedoch seltener und in geringerem Maße auf. Die Arbeitsbelastung der Teams sinkt bei zeitgleicher Verbesserung der Betriebsstabilität und Energieeffizienz im Gebäude.

Um den aktuellen Herausforderungen und insbesondere dem Wunsch nach Dekarbonisierung des Betriebs zu begegnen, bedarf es jedoch weiterer technischer Werkzeuge zusätzlich oder alternativ zur Gebäudeleittechnik. Diese müssen Betreiberteams und Facility Management in die Lage versetzen, dauerhaft und effizient die gesamte TGA eines Gebäudes im Blick zu behalten. Sie müssen aktiv dabei unterstützen die über 500 möglichen Fehlfunktionen unterschiedlicher Art und verborgenen Energieverluste im Gebäudebetrieb zu identifizieren und Anleitung geben, diese zu beseitigen.

Derartige Tools stehen zunehmend am Markt zur Verfügung und orientieren sich in unterschiedlichen Ausprägungen und Automationsgraden an der Methodik des technischen Monitorings nach VDI-Richtlinie 6041.

Technisches Monitoring unterstützt proaktiven Betrieb

Mit dem technischen Monitoring von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen nach VDI 6041 steht eine Methodik zur Verfügung eben diese ineffizienten Betriebsweisen strukturiert zu identifizieren und zu vermeiden. Die VDI-Richtlinie empfiehlt betriebsdatenbasiertes Energie-, Anlagen-, Gebäude- und Behaglichkeitsmonitoring durchzuführen. Ziel des technischen Monitorings ist eine tiefgreifende Transparenz des Gebäudebetriebs zu ermöglichen und damit eine Grundlage für eine umfassende und effektive Betriebsoptimierung zu schaffen.

Proaktive Betriebsoptimierung beginnt bereits deutlich vor der Betriebsphase des Gebäudes. Schon beim ersten Probebetrieb im Neubau von Gebäude und TGA kann das technische Monitoring zur Qualitätssicherung der Errichtung genutzt werden. Bereits im Probebetrieb, insbesondere jedoch in der Einregulierungs- und Betriebsphase des Gebäudes ist es ratsam mit technischem Monitoring einen Abgleich zwischen dem Ist-Betrieb und dem Literatur-Soll zum Stand der Technik durchzuführen.

Durch ein Langzeitmonitoring kann der Betrieb gezielt auf eine veränderte Gebäudenutzung sowie technische Herausforderungen angepasst und somit unvermeidbaren Fehlfunktionen proaktiv begegnet werden.

Digitalisierung automatisiert technisches Monitoring

Außer Frage steht, dass die Durchführung von technischem Monitoring sowohl umfangreichen Datenzugriff zu Mess- und Statusdatenpunkten von Automationssystemen als auch starke fachliche Expertise im Betrieb von Gebäuden zur Auswertung der erhobenen Daten benötigt.

Auch diese Herausforderungen können softwarebasiert gelöst werden. Ihre einzelnen Prozessschritte lassen sich in Daten sammeln, strukturieren, analysieren und Betrieb optimieren einteilen.

Sammeln: Die Speicherung und Verfügbarkeit jeglicher Trends von Datenpunkten aus Automationssystemen, Energiemessungen und zusätzlicher IoT-Sensorik kann über die Anbindung des Gebäudes an eine Cloud-Plattform erreicht werden. Moderne Automationsstationen bieten bereits eine direkte Kopplung von Automationssystemen zu derartigen Plattformen an und auch für den breiten Gebäudebestand stehen Cloud-Gateways in Form von Edge-Devices und Datenloggern zur Verfügung.

Strukturieren: Auf die Betriebsoptimierung von Gebäuden spezialisierte Plattformen bieten die Möglichkeit, die verfügbaren Betriebsdaten mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) teilautomatisiert in digitale Zwillinge der einzelnen technischen Anlagen, der Gewerke und des gesamten Gebäudes zu strukturieren.

Analysieren: Die Analyse der Daten kann sowohl manuell oder automatisch durch Algorithmen erfolgen. Zur effizienten manuellen Auswertung der Betriebsdaten stellen Cloud-Plattformen einfache und ortsunabhängig zu bedienende Web-Oberflächen zur Visualisierung von Betriebsdaten zur Verfügung.

Bei einer automatischen Analyse wertet eine KI die in digitalen Zwillingen strukturierten Betriebsdaten aus. Die Ergebnisse der Analysen sind über die Web-Oberfläche der Plattform einsehbar und stellen automatische Inspektionen des Gebäudebetriebs im Sinne des technischen Monitorings dar. Betreiberteams und Facility Management können die Ergebnisse nutzen, um proaktiv den Gebäudebetrieb zu verbessern. Insbesondere im Dauerbetrieb bekommt das Betreiberteam einen digitalen Helfer, der vollautomatisch ein dauerhaftes Monitoring des gesamten Gebäudesystems übernimmt.

Optimieren: Manche Plattformen bieten zusätzlich an, direkten Einfluss auf den Gebäudebetrieb zu nehmen, um die erkannten Optimierungsmaßnahmen direkt umzusetzen. So können Betreiberteam und Facility Management ähnlich einer Gebäudeleittechnik Regelparameter, Sollwerte, Heizkurven, Absenkbetriebe und Fahrpläne der TGA anpassen und darüber hinaus zusätzliche und erweiterte Regelstrecken über die Plattform aktivieren. Derartige Anpassungen des Automationssystems stellen einen Großteil der durch technisches Monitoring identifizierten Optimierungsmaßnahmen dar. Diese Optimierungen können ohne Investitionen implementiert werden.

Fazit

Mit proaktiver Betriebsführung können nicht nur der Energieverbrauch, die CO2-Emission, die Abnutzung technischer Gewerke in Gebäuden und die Kosten für den Betrieb reduziert werden, sondern auch die Behaglichkeit der Gebäudenutzer ohne Investitionen gesteigert werden, um mit „Smart Building“-Technologien möglichst allen aktuellen Anforderungen aller Stakeholder im Gebäude gerecht zu werden.

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