Smart Control in Energieversorgungs­systemen

Darstellung einer Methode zur Steigerung der Effizienz und Flexibilisierung des Versorgungsbedarfs
Maßnahmen zur Energieeinsparung sowie die vorrangige Nutzung regenerativer Energien sind wichtiger denn je. Zu diesen gehört auch das – an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) durchgeführte – Forschungsprojekt Smart Control in Energieversorgungssystemen (kurz SCE) zur Prognose und Flexibilisierung des Versorgungsbedarfs und Verbesserung der Energieeffizienz. Das Ziel des 2022 erfolgreich abgeschlossenen Forschungsprojekts SCE war die Entwicklung eines intelligenten Reglers auf Basis einer musterbasierten Fuzzy Logik, um den Energieverbrauch und die Energiekosten zu senken sowie den Wirkungsgrad des Gesamtsystems zu steigern. Die im Rahmen von Simulationsuntersuchungen sowie Versuchen im Labormaßstab getestet und weiterentwickelte Methode der musterbasierten Fuzzy Regelung wurde im finalen Schritt in die Gebäudeleittechnik einer Leipziger Liegenschaft zur Regelung der Kältetechnik integriert. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend und zeigen, dass mit dem verwendeten Ansatz deutliche Energieeinsparungen möglich sind. Der Weg zur praktischen Umsetzung, einschließlich der zugehörigen Grundlagen, wird im Folgenden näher beschrieben.

Ansatz zur energie- und kostenoptimierten Betriebsweise

Ziel war es einen Regler zu entwickeln, welcher als übergeordnetes System auf Basis von Mess- und Prognosewerten auf den Sollwert, also die Vorgabe des zu regelnden Systems, Einfluss nimmt. Dies wurde über die Methode der unscharfen (Fuzzy) Klassifikation realisiert. Dabei werden stationäre Zustände am Zielsystem ermittelt oder ggf. künstlich herbeigeführt. Da die einzelnen Zustände die Wirkung eines definierten Eingriffs in das System z.B. über die Änderung der Stellgröße darstellen, werden die Zustände auch Attraktoren genannt. Sie sind also stationäre „Bereiche“, zu welchen das System in Abhängigkeit der Eingangsgrößen konvergiert bzw. welche anziehend wirken. Während die einzelnen Attraktoren aus Messdaten bestimmt werden, wird die sogenannte Zielklasse durch den Nutzer vorgegeben. Die Zielklasse stellt dabei den gewünschten stationären Endwert dar, in welcher als unscharfe Klasse auch Übergangsbereiche definiert werden. Durch die unscharfe Beschreibung der Zielklasse nimmt mit zunehmender Entfernung die Zugehörigkeit bzw. das Maß, mit welchen der Zielzustand erreicht wird, ab. Der Nutzer kann damit über die Wahl der Zielklasse das Systemverhalten beeinflussen sowie den gewünschten stationären Endwert bestimmen. Eine Besonderheit dieser Methode ist, dass die Zielklasse dabei nicht fest, sondern variabel, z.B. abhängig von Prognosewerten sein kann, womit der Regler ein adaptives Verhalten aufweist. Die beschriebene Methode basiert auf einer Dissertationsschrift (Kabranov, 2000); es folgten Weiterentwicklungen und eine applikationsspezifische Anwendung zur Regelung von LED-Lichtspektren (Betko et. al, 2019). Bild 1: In dem Gebäude einer Postbankfiliale in Leipzig wurde die Regelung im Praxisversuch erfolgreich eingesetzt.
Bild: bau msr GmbH

Bild 1: In dem Gebäude einer Postbankfiliale in Leipzig wurde die Regelung im Praxisversuch erfolgreich eingesetzt.
Bild: bau msr GmbH

Die Anpassung des Fuzzy Attraktor-Reglers an den Anwendungsfall, einschließlich der praktischen Implementierung an Liegenschaften zur Erhöhung der Energieeffizienz sowie des Nutzungsgrades regenerativer Energien, stellt dabei ein außerhalb des SCE-Projektes noch nicht untersuchtes bzw. veröffentlichtes Verfahren dar. Vereinfacht kann das entwickelte Regelungsverfahren als eine Sollwertschiebung verstanden werden, wobei die Berechnung auf historischen sowie aktuellen Daten basiert. Der Regler greift damit indirekt auf den zu regelnden Prozess ein. Als Eingangsgrößen werden neben Messgrößen auch Prognosewerte eingesetzt. Bei diesen handelt es sich um gut abschätzbare Werte wie der Änderung der Strompreise sowie der Außentemperatur. Die Prognosewerte können zur Anpassung der Zielklasse verwendet werden. So wird z.B. in Abhängigkeit des Strompreises der Zielzustand angepasst. Als Resultat lassen sich z. B. Speicher (thermische oder elektrische) in Phasen laden, in welchen Energie günstig zur Verfügung steht. In Bild 2 ist das Grundprinzip des verwendeten Fuzzy Attraktor-Reglers dargestellt. Die einzelnen Attraktoren spannen sich über die Merkmale Speicherladung sowie Energieaufnahme auf und stellen die stationären Zustände für verschiedene Sollwerte dar. Die Zielklasse wurde dabei so gewählt, dass bei den dargestellten Attraktoren der Zielzustand nicht erreicht werden kann. Der Regler konvergiert in diesem Fall zu einem dem Zielzustand naheliegenden Zustand.

Realisierung in einem Kältekreis

Am Beispiel des Kältekreises einer Liegenschaft konnte praktisch die Funktionsweise des beschriebenen Reglers getestet werden. Hierbei wurde der Regler so aufgebaut, dass neben der Minimierung des Energieverbrauchs durch eine an das Nutzungsprofil angepasste Betriebsweise auch eine Anpassung an erneuerbare Energiequellen erfolgte. Dabei wurde ein Verfahren entwickelt, in dem unter Berücksichtigung des Anlagenverhaltens, des Energiebedarfs (Ist und Prognose) und dem Anteil der erneuerbaren Energien der Arbeitspunkt so verschoben wird, dass z. B. bei einer Überkapazität an elektrischer Energie diese als thermische Energie gespeichert und bei einer Unterkapazität entnommen wird, ohne das Anlagenverhalten negativ zu beeinflussen. Hierbei muss der Regler einen Kompromiss zwischen konkurrierenden Anforderungen wie Verfügbarkeit an thermischer Energie (inkl. Speicherladung), Anlagenwirkungsgrad und Energiebedarf berücksichtigen. Als Resultat können Liegenschaften bei einer energetisch optimierten Betriebsweise einen Beitrag zur Glättung von Spitzen im Stromnetz liefern und den eigenen CO2-Fußabdruck deutlich reduzieren. Bild 2: Prinzip Darstellung Fuzzy Attraktor-Regler.
Bild: HTWK Leipzig

Bild 2: Prinzip Darstellung Fuzzy Attraktor-Regler.
Bild: HTWK Leipzig

Der entworfene Fuzzy Attraktor-Regler wurde dabei insoweit aufbereitet, dass eine Implementierung in klassische Hardware bzw. Software der Gebäudeleittechnik erfolgen kann. Prototypisch wurde der Fuzzy Regler zur Sollwertvorgabe im Kältekreis einer Liegenschaft hierfür auf einen „Enterprise Server“ (ES) der Firma Schneider Electric implementiert. Dazu wurde der zuvor im Rahmen von Simulationsuntersuchungen getestete Regler im Skriptformat übertragen. Um die benötigten Prognosewerte einbinden zu können, wurde das Programm „Node-Red“ als Zwischeninstanz genutzt. „Node-Red“ ist eine kostenlose und mittels JavaScript auch grafisch programmierbare Anwendung, welche eine Web-GUI zum Verbinden von Hardwaregeräten, APIs und Onlinediensten bereitstellt. Wie in Bild 3 zu sehen, können die Wetterdaten als auch die Strompreise über „Node-Red“ abgerufen und mittels BACnet auf den ES übertragen werden. Dies betrifft sowohl aktuelle Werte als auch Prognosen. Die unterhalb des ES liegenden Instanzen, wie die auf dem Automation Server (AS) implementierten PI(D)‑Regler, wurden dabei nicht verändert. Bild 3: Einbindung des Reglers in die Gebäudeleittechnik (Prinzipdarstellung).
Bild: HTWK Leipzig

Bild 3: Einbindung des Reglers in die Gebäudeleittechnik (Prinzipdarstellung).
Bild: HTWK Leipzig

Auswertung

Im dritten Quartal 2022 konnte der beschriebene Fuzzy Attraktor-Regler an der Liegenschaft in Betrieb genommen werden. Der Sollwert wird seitdem durch den Regler vorgegeben. Im Vergleich zu der bisherigen festen Sollwertvorgabe zeigt die Auswertung der letzten Monate eine positive Bilanz. So konnte im Betrachtungszeitraum eine Reduktion des Energiebedarfs für die Kälte von bis zu 20 % festgestellt werden. Als Vergleichsmaß diente dabei der aus historischen Daten berechnete mittlere Kältebedarf bei dem vorherigen festen Sollwert. Um eine abschließende Bewertung vornehmen zu können, werden in den kommenden Monaten noch weitere Daten aufgenommen und ausgewertet, insbesondere um eine Aussage zur möglichen Energieeinsparung auch für die warmen Sommermonate treffen zu können.

Weiterhin hat sich gezeigt, dass durch die Verschiebung der Zielklasse und damit indirekt auch des Sollwertes eine Anpassung an das fluktuierende Verhalten Regenerativer Energien möglich ist. So können erneuerbare Energien wie Sonnenenergie dann genutzt werden, wenn sie verfügbar sind, indem durch eine Anpassung der Zielklasse der Anreiz Speicher zu füllen oder zu leeren vorgegeben wird. Damit kann das verfügbare große Potenzial thermischer Speicher an Liegenschaften genutzt werden, um das Stromnetz durch die Bereitstellung variabler Lasten zu stabilisieren. Durch die Wahl der Zielklasse bzw. den Grad der Änderung in Abhängigkeit externer Größen kann der Anlagenbetreiber selbst entscheiden, inwieweit er seine Anlage hierfür zur Verfügung stellen möchte.

In Summe konnten durch die durchgeführten Untersuchungen im Rahmen des SCE-Projektes das hohe Potenzial der beschriebenen Methode des Fuzzy Attraktor-Reglers in der Gebäudetechnik praxisnah aufgezeigt werden.

Literatur:

Betko, E., Hofbauer, J., Rudolph, M. und O. Kabranov (2019): Verbesserte Qualitätskontrolle in der Produktion von Solarzellen durch Fuzzy Regelung von LED-Lichtspektren.- In: Riedel, R. und A. C. Bullinger-Hoffmann (Hrsg.), Wissenschaftliche Schriftenreihe des Institutes für Betriebswissenschaften und Fabriksysteme, Sonderheft 25, Tagungsband „Die hybride Fabrik – menschliche und künstliche Intelligenz im Einklang“, VPP2019 - Vernetzt planen und produzieren, S. 177 - 186, Institut für Print- und Medientechnik der TU Chemnitz, Chemnitz, ISSN 0947-2495 

„Adaptiver Fuzzy Pattern Attraktor-Regler“, Dissertation, Technische Universität Chemnitz, Kabranov (2000)

Credits

Das Projekt „SCE – Smart Control in Energieversorgungssystemen zur Prognose und Flexibilisierung des Versorgungsbedarfs und Verbesserung der Energieeffizienz“ wurde unterstützt, gefördert und finanziert durch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK).

Die Autoren danken dem Praxispartner bau msr GmbH für die enge Zusammenarbeit sowie die Unterstützung bei der Aufnahme von Messwerten, die Bereitstellung von Hard- und Software sowie für die Informationen und das vermittelte Wissen rund um die untersuchte Liegenschaft und die Gebäudeleittechnik.

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