Luftqualität in Klassenzimmern

Bestandsaufnahme der natürlichen Belüftung und Unterstützung durch ein einfaches Abluftgerät
Viele Schulen stehen vor der Herausforderung, möglichst kostengünstig eine gesundheitsförderliche Belüftung zu ermöglichen. Nicht erst seit der SARS-CoV-2 Pandemie sind unzureichende Belüftungszustände, offenbart durch CO2-Konzentrationen jenseits der als hygienisch unbedenklichen geltenden 1.000 ppm, häufig anzutreffen. Eine kombinierte Mess- und Interventionsstudie in drei Klassenräumen einer Dürener Schule überprüfte die Repräsentativität installierter CO2-Ampeln, erhob das Lüftungsverhalten und erprobte die Wirksamkeit einer kostengünstigen Entlüftungslösung.

Die Bedingungen für eine lehrbuchnahe Optimierung der Belüftungssituation könnten nicht schlechter sein: Förderprogramme für technische Maßnahmen sind größtenteils ausgelaufen und vollständige Klassensanierungen sind neben der Finanzierungsfrage auch durch Handwerker- und Materialmangel weiter in die Ferne gerückt. Die akute Corona Pandemie ist hoffentlich bald überwunden, jedoch sind hohe CO2-Werte in Schulen ein Problem, das bereits vor der Pandemie bestand und vermutlich auch nach Corona viele Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte betreffen wird (Neumann, 2015). Auswirkungen zu hoher CO2-Konzentrationen auf den Menschen allgemein und das Schulgeschehen im Speziellen sind gut belegt (Bakó-Biró et al., 2012; Brink et al., 2021; Fisk 2017). Feldstudien können Klarheit über die tatsächliche (Be-)Lüftungssituation in Schulen schaffen und fundierte Grundlage für Maßnahmen sein (Kandzia & Händel, 2022).

In Kooperation mit der Anne-Frank-Gesamtschule und dem Gebäudemanagement (beide Stadt Düren) wurden über zwei Zeiträume im Winter 2021 und Sommer 2022 CO2- und Raumklimamessungen in drei Klassenräumen durchgeführt. Anlass des Kooperationsprojektes war die Frage, wie repräsentativ die bereits installierten CO2-Ampeln für die CO2-Situation im gesamten Raum sind. Nach der DIN Norm für die Probenentnahme werden Raumgrößen von bis zu 50 m2 durch eine einzelne Entnahmestelle ausreichend genau dargestellt (DIN EN ISO 16000-26), jedoch liegen nicht ausreichende Informationen vor, um die Repräsentativität in größeren Räumen abzuschätzen.

Neben der Bestandsaufnahme wurde für die zweite Messwelle die Wirksamkeit einer kostengünstigen Entlüftungslösung in einem Raum erprobt. Als Begleiterhebung wurde ein Fragebogen zur natürlichen Lüftung eingesetzt. Diese qualitative Erhebung (Beschreibung von Lüftungsdauer und -art) ist in der zweiten Messreihe durch Fensteröffnungssensoren (Reed-Schalter) quantifizierbar erhoben und durch Mikrocontroller gespeichert worden. Nachfolgend beschreiben wir Sensorik und Studiendesign, und schildern den Aufbau des CO2-gesteuerten Entlüftungsgerätes sowie die damit erzielten Verbesserungen bei der CO2-Konzentration und, davon abgeleitet, des Infektionsrisikos.

Sensorik und Messpositionen

Die CO2-Messungen erfolgten mit selbstgebauten Messvorrichtungen, die akkubetrieben und mit lokaler Datenspeicherung bis zu vier Wochen Messdaten erheben können. Für die CO2-Erfassung wurden „SCD30 Sensoren“ des Herstellers Sensirion verwendet. Jede Sensoreinheit verfügt über einen Ausleger, welcher die Messung an zwei Positionen im Abstand von 1 m gestattet. Bild 1 zeigt die Positionierung der nummerierten Sensoren für einen Klassenraum. Am Lehrkräftepult (Nr. 08) und der Tischposition (Nr. 47) wurden diese Sensoren aus Platzgründen in einer ­kompakten Messeinheit zusammengeführt.

In der ersten Messwelle wurde aus der von Lehrkräften pro Unterrichtsstunde vermerkten Art und Dauer der Fensterlüftung ein Lüftungsrating von 0 = (gar keine Lüftung) bis 4 (Vorgaben Umweltbundesamt oder besser) gebildet. In der zweiten Messreihe basiert dieses Ranking auf nachgerüsteten Fenstersensoren. Aufgrund der präziseren Angaben zur Lüftung wurde das Lüftungsrating dann als prozentualer Anteil der voll geöffneten Fensterfläche angegeben.

Die Integration der Sensoren und die Datenspeicherung erfolgten über „Lolin32 Mikrocontroller“. Auch für die Relaissteuerung (Zu- und Abschaltung des Entlüftungsgerätes ab einer gleitenden mittleren CO2-Konzentration von 750 +/-75 ppm) sowie die Speicherung der Fensteröffnungsaktivitäten wurden Controller dieser Bauart genutzt. Ansichten des Gehäuses sind in Bild 2 dargestellt.

Als Lüfter wurde ein Kompaktgerät (ohne Wärmerückgewinnung) mit einem maximalen Volumenstrom von 364 m3/h verwendet. Die Nachströmung der Luft erfolgte bei geschlossenen Fenstern über den Türspalt und Fugen in Oberlichtern zum Flur, bei geöffneten Fenstern über diese. Einschließlich Befestigungs- und Verrohrungsmaterial sowie Monteurstunden beliefen sich die Kosten auf rund 1.600 Euro. Aufgrund des Lärmpegels wurde das Gerät nicht unter Volllast betrieben und das Absaugvolumen liegt bei 150 bis 250 m3/h. Bild 3 zeigt ein Foto der Installation. Der „Lolin32 Mikrocontroller“ wurde um ein Relais ergänzt und schaltete das Entlüftungsgerät ab einer CO2-Konzentration von 750 ppm ein.

Ergebnisse

Bezüglich der Messpositionen zeigte sich, dass innerhalb der verwendeten Sensorkohorte im Vergleich zur installierten CO2-Ampel nur geringe Abweichungen < 100 ppm vorlagen. Bild 4 stellt exemplarisch die Differenz des Messwertes der installierten Ampel und des Mittelwertes der Sensoren (Winter 2021) für zwei Räume dar. In Raum 1 ist eine mittlere Unterschätzung von –83 ppm erkennbar. Dies ist eine geringe, und zudem durch Offsetkorrektur leicht zu behebende Differenz. In Raum 2 liegt eine mittlere Überschätzung des Raummittelwertes durch die installierte CO2-Ampel von +61 ppm vor. Dieser Wert liegt bereits nah an den zu erwartenden Schwankungen aufgrund der Messgenauigkeit der Sensorik und positionierungsbedingter Konzentrationsunterschiede. Wechselnde Über- und Unterschätzungen lassen zudem auf einen unsystematisch schwankenden Fehler deuten.

Die durchschnittliche CO2-Konzentration in drei Räumen war in der zweiten Messreihe um 4,2 % niedriger als in der ersten Messreihe, da aufgrund der höheren Außentemperatur häufiger und teils dauerhaft über Fenster gelüftet wurde. Obwohl im Raum mit Entlüftungsgerät und paralleler natürlicher Fensterbelüftung die Fenster weniger geöffnet wurden (Lüftungsrating 10,8 % niedriger) und die durchschnittliche Belegung höher war (rechnerisch 3,64 Schüler mehr), war die durchschnittliche CO2-Konzentration im Vergleich zu den beiden anderen Klassenräumen immer noch niedriger. Das mit Hilfe des PIRA-Tools (Kriegel et al., 2020) geschätzte Infektionsrisiko im Klassenraum mit Entlüftungsgerät war in der zweiten Messreihe 22,2 % (1,67 Prozentpunkte) niedriger als in einem anderen Raum, 1,4 % (0,09 Prozentpunkte) niedriger als erwartet unter Berücksichtigung der Ergebnisse der ersten Messreihe, als noch kein Entlüftungsgerät montiert war. Bild 5 zeigt einen CO2-Stundenplan für einen Klassenraum zwischen 08. und 14. Juni 2022. Zudem wurde festgestellt, dass die CO2-Konzentration bis zum nächsten Morgen nur langsam abnahm, wenn nach der letzten Unterrichtsstunde eines Tages nicht ausreichend gelüftet wird. Das führt zu einer Verschleppung von verbrauchter Luft über Nacht und beeinträchtigt die Luftqualität am nächsten Morgen.

Diskussion

Auf Grundlage der Messung an zusätzlichen Raumpositionen kann davon ausgegangen werden, dass die Installation einer einzelnen CO2-Ampel in den untersuchten Klassenräumen (maximal 61 m2) als ausreichend repräsentativ anzusehen ist – vorausgesetzt, dass die Platzierung unverdeckt erfolgt und das Gerät eine ausreichende Messgenauigkeit und Kalibrierung vorweist. Die letztgenannten Anforderungen erfüllen laut Stiftung Warentest auch günstige Geräte (Stiftung Warentest, 2021). Trotz des geringen abgesaugten Luftvolumens konnte eine leichte Verringerung der durchschnittlichen CO2-Werte und des davon abgeleiteten Infektionsrisikos bei gleichzeitig reduziertem natürlichen Lüftungsverhalten beobachtet werden.

Uns ist bewusst, dass der vorgeschlagene Ansatz nicht für alle Raumgegebenheiten funktionieren kann. Eine aus energetischer Sicht sinnvolle Ergänzung des Entlüfters stellt zudem die Wärmerückgewinnung dar, deren Nutzen neben Aspekten der Energieeinsparung insbesondere auch aus Sicht des thermischen Komforts von Bedeutung ist.

Selbstverständlich ist ein Feldversuch dieser Art zudem von vielen Unwägbarkeiten und nicht kontrollierbaren Einflüssen (Wetter, Unterrichtsgeschehen und Belegung) begleitet. Gleichzeitig konnte ein für alle Beteiligten aufschlussreicheres Bild über die Lüftungssituation und die Praktikabilität von improvisierten lüftungsunterstützenden Maßnahmen gegeben werden.

Für die Raumluftqualität und den thermischen Komfort ist zudem auch immer die Frage der Nachströmung von Bedeutung, d.h. an welcher Stelle, mit welcher Geschwindigkeit und welcher Temperatur die Frischluft in den Raum gelangt. Abschließend hoffen wir, dass das Thema Luftqualität auch nach dem hoffentlich baldigen Überstehen der akuten Pandemiephase von Interesse bleibt.

Literatur

Bakó-Biró, Z., Clements-Croome, D. J., Kochhar, N., Awbi, H. B., & Williams, M. J. (2012). Ventilation rates in schools and pupils’ performance. Building and Environment, 48, 215-223.

Brink, H. W., Loomans, M. G., Mobach, M. P., & Kort, H. S. (2021). Classrooms‘ indoor environmental conditions affecting the academic achievement of students and teachers in higher education: a systematic literature review. Indoor Air, 31(2), 405-425.

DIN EN ISO 16000-26 (2012). Innenraumluftverunreinigungen - Teil 26: Probenahmestrategie für Kohlendioxid (CO2). Berlin: Beuth Verlag.

Fisk, W. J. (2017). The ventilation problem in schools: Literature review. Indoor Air, 27, 1039-1051.

Kandzia, C. & Händel, C. (2022). Infektionsrisiko in Klassenräumen: Untersuchung zu Lüftungsvarianten. TAB 03/22, 32-33.

Kriegel, M., Buchholz, U., Gastmeier, P., Bischoff, P., Abdelgawad,
I. & Hartmann, A. (2020). Predicted Infection Risk for Aerosol Transmission of SARS-CoV-2. medRxiv, doi: 10.1101/2020.10.08.20209106.

Neumann, H. D. (2015). Methode zur Abschätzung der CO2-Konzentration in Klassenräumen anhand empirisch ermittelter Daten und Vorschläge für Lüftungsmaßnahmen. Gefahrstoffe Reinhaltung der Luft, 75(4), S. 151-158.

Stiftung Warentest (2021). CO2-Messgeräte und -Ampeln im Test:
Gute Geräte schon für unter 100 Euro. Abgerufen unter
https://www.test.de/CO2-Messgeraete-und-CO2-Ampeln-im-Test-5709239-5709245/.

Credits
Die Entwicklung und Herstellung der Messtechnik wurde durch eine Förderspende der Heinz Trox Wissenschafts gGmbH (HTX0021) ermöglicht. Wir bedanken uns herzlich für die Unterstützung. Unser ausdrücklicher Dank für die Ermöglichung und geduldige Unterstützung der Feldstudien gilt den Schülerinnen und Schülern, dem Hausmeister, den Lehrkräften sowie der Schulleitung der Anne-Frank-Gesamtschule in Düren.
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