Zur Sicherheit von Aufzügen

Gefährdungsbeurteilungen nach BetrSichV sowie EN 81-80

tab: Vor dem Betreiben stehen Planung und Einbau. Was sollten Fachingenieure bei der Planung von Aufzugsanlagen konkret beachten?


Joerg Lassen: Bei der Planung von Aufzugsanlagen gibt es vier wichtige Punkte, die Fachingenieure berücksichtigen sollten. In erster Linie muss die Verwendung des Gebäudes definiert werden: Handelt es sich um ein Büro, ein Hotel, Wohnraum oder ein Gebäude, das verschiedene Nutzungsmöglichkeiten kombiniert? Im nächsten Schritt sollte der Planungsverantwortliche festlegen, wie die zu erwartende Belegung des Gebäudes aussieht. Auf dieser Grundlage kann das Team kalkulieren, wie groß die eingebauten Aufzüge sein sollten, wie viele Aufzüge Platz finden sollen und wie schnell diese fahren können und dürfen. Das wiederum hat nämlich Einfluss auf die durchschnittlichen Wartezeiten, so dass sich eine optimale Nutzung der Aufzugsanlagen im Betrieb gewährleistet lässt.

Weitere Aspekte, die sich in die Planung miteinbeziehen lassen, sind die Positionierung der Aufzüge in Bezug auf Zonen, zum Beispiel Nah-/Ferngruppe, Res­taurant und Parketagen, sowie die Bestimmung der Aufgaben, die die Aufzüge übernehmen sollen, sei es der Güter- oder Personentransport.


tab: Wie integriert man Aufzugsanlagen am besten in die Gebäudeautomation?

Joerg Lassen: Für die Integration von Aufzugsanlagen in die Gebäudeautomation gibt es zwei Varianten, die zur Auswahl stehen. Im Wesentlichen besteht eine vollständige Auto­mation aus drei Komponenten: Überwachen, Steuern und Analysieren. 

Bei Variante 1 (Überwachen) werden einfache Meldungen, wie z.B. Störmeldungen oder der Etagenstand über potential­freie Kontakte, an die Gebäude­leitstelle übermittelt.

Bei Variante 2 wird die Überwachung mittels Steuerungs- und Analysierfunktionen zu einem ganzheitlichen System ergänzt (EMS). Die Überwachung läuft dabei in der hauseigenen Zentrale, bei der eine Standard-Hardwareschnittstelle zu kommerziellen Gebäudetechniksystemen vorhanden ist. Für diese Schnittstelle legt Otis auf Anfrage das Übertragungsprotokoll offen. Die avancierte Überwachungsmöglichkeit ermöglicht zudem die dritte Komponente, nämlich eine detaillierte Analyse aller Aufzugsdaten. Durch das ganzheitliche Konzept von EMS wird der Betrieb der Auftragsanlage transparent gemacht, indem der Betriebsstatus jeder Anlage, die Position und vorgesteuerte Fahrtrichtung, vorliegende Fahrbefehle im Fahrkorb und in den Etagen, der Status der Türen sowie Meldungen von Störungen und Ereignissen überwacht und an die Zentrale übermittelt werden. Zugleich können die Anlagenparameter von einzelnen Gruppen oder Aufzügen bei geänderten Anforderungen angepasst werden (Steuern). Neben der Übermittlung der Daten an die Zentrale wird bei EMS eine zeitliche Analyse von Verfügbarkeit und Auslastung der Anlagen ermöglicht (Analysieren). So können unter anderem Verkehrsdaten erfasst und gespeichert, statische Auswertungen von Verkehrsabläufen bereitgestellt und Störungen sowie Ereignisse protokolliert werden.


tab: Herr Lassen, wie wird sichergestellt, dass Aufzugsanlagen in Deutschland unabhängig von ihrem Alter auf dem neuesten und sichersten Stand sind?

Joerg Lassen: Regelmäßige Wartungsintervalle und Überprüfungen sorgen in erster Linie fortlaufend dafür, die Funk­tions­tüch­tig­keit und Sicherheit aller Anlagen zu gewährleisten. Darüber hinaus verlangt die Betriebssicherheitsverordnung aber auch eine eigenständige Gefährdungsbeurteilung. Einfach gesagt: Ersteres sorgt dafür, dass der Aufzug nach dem Inverkehrbringen sicher und verlässlich funktioniert. Die Gefährdungsbeurteilung wiederum hilft, das technische Optimum zu erreichen. Die europäisch festgelegten Sicherheitsnormierungen orientieren sich dabei am Stand der Technik. Unabhängig davon schreitet die Entwicklung der Aufzugstechnologie in riesigen Schritten voran. Moderne Anlagen sind sicher, effizient und komfortabel in der Nutzung. Eine objektive Gefährdungsbeurteilung verschafft Betreibern einen schnellen und zuverlässigen Überblick über den aktuellen Zustand ihrer Anlagen.


tab: Welchen Nutzen hat eine Gefährdungsbeurteilung für Besitzer und Betreiber von Aufzugsanlagen?

Joerg Lassen: Die Einhaltung verschiedenster Sicherheitsvorkehrungen dient in erster Linie der Sicherheit des Fahrgasts und Personen, die an der Anlage tätig sind. Zudem kann man mit zielgerichteten Modernisierungsmaßnahmen die Lebensdauer verlängern. Die Nachhaltigkeit ist dabei ein wesentlicher Faktor, denn bei vorausschauender technischer Bewertung müssen im Idealfall nachfolgend weniger Teile ausgetauscht werden. Die Kosten- und Planungssicherheit für den Betreiber ist zusätzlich ein sehr wichtiger Aspekt.


tab: Welche Werte und Daten eines Aufzugs sind für eine vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) besonders wichtig?

Joerg Lassen: Für eine vorausschauende Wartung ist das Sammeln der Daten mithilfe von (nachträglich) eingebauten Sensoren unabdingbar. Des Weiteren sind auch das korrekte Interpretieren und die Auswertung der Daten, idealerweise mithilfe von Algorithmen, wichtig.

Daten, die für die vorausschauende Wartung erfasst werden, sind:

- der Status des Aufzuges (fährt/fährt nicht/Betriebsmodus),
- der Status der Kabinentür(en) (Tür bewegt sich/geöffnet/geschlossen/reversiert/macht Geräusche),
- die Position des Aufzugs (Haltestelle/Bündigkeit),
- die Fahreigenschaften (Kabine oder Gegengewicht ruckelt/Geräusche beim Fahren),
- Störungshistorie sowie 
- die Last und Besetzung der Kabine.


tab: Wie können beispielhafte Modernisierungsmaßnahmen aussehen?

Joerg Lassen: Oft reichen schon kleine Verbesserungen und Nachrüstungen, um eine bestehende Anlage wieder zukunftssicher zu machen und Normen einzuhalten. Das Nachrüsten einer Umwehrung auf dem Fahrkorbdach oder das Anbringen einer Leiter in der Schachtgrube zum Beispiel. Beides erhöht die Sicherheit für den Servicetechniker bei Wartungsarbeiten. Die Installation eines Lichtgitters zur Türüberwachung oder einer Frequenzregelung zur Verbesserung der Bündigkeit sind zukunftsorientierte Maßnahmen, welche die Sicherheit für den Fahrgast erhöhen.


tab: Ist die Einhaltung der Betriebssicherheitsverordnung Pflicht?

Joerg Lassen: Ja, jeder Betreiber muss die auftretenden Gefährdungen an seinen Anlagen beurteilen lassen und gegebenenfalls daraus notwendige Schutzmaßnahmen ableiten. Genau deshalb ist es wichtig, Betreibern beratend zur Seite zu stehen und fachgerechte Modernisierungen zu ermöglichen. 


tab: Wie wird gewährleistet, dass die Beratung tatsächlich unabhängig vom Aufzughersteller stattfindet?

Joerg Lassen: Wir setzen auf eine objektive Beurteilung. Uns ist es wichtig, dass strenge Qualitätsanforderungen eingehalten werden.

Auf der Suche nach einem starken, Partner, der in Sachen fachlicher Kompetenz unseren Ansprüchen entspricht, haben wir uns für eine Zusammenarbeit mit einer extern zertifizierten Prüforganisation entschieden. Diese führt als externer Service-Partner die Gefährdungsbeurteilung eigenständig durch und erstellt eine detaillierte Übersicht identifizierter Mängel oder Optimierungsmöglichkeiten.

Darauffolgend kann der Betreiber oder Besitzer einer Anlage sich an das Unternehmen seiner Wahl wenden, um die ggf. vorhanden Abweichungen beseitigen zu lassen.


tab: Herr Lassen, vielen Dank für die Auskünfte.

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