Das prognosebasierte Werkzeug AMLR

Thermoaktive Bauteilsysteme effizient steuern

Über zwei Jahrzehnte hat sich an der Hochschule Offenburg eine Forschungsgruppe etabliert, die die beiden Bereiche Gebäudeautomation und nachhaltige Energietechnik zusammenführte. Anfangs ging es darum, Potentiale der internetbasierten Wetterprognostik und modell-basierten Anlagensteuerung für die Verbesserung des Komforts und der Energieeffizienz im Gebäude zu nutzen. Im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten mit Einsatz von dynamischen Gebäudesimulationen konnte ein Algorithmus gefunden werden, der es ermöglichte auf Basis von prognostizierter Außentemperatur und Sonneneinstrahlung den Energiebedarf eines Bürogebäudes für den Folgetag vorherzusagen. In Verbindung mit der Gebäudeautomation entstand so die adaptive und prädiktive TABS-Steuerung AMLR.

Thermoaktive Bauteilsysteme, kurz TABS, zeichnen sich regelungstechnisch gesehen dadurch aus, dass, bedingt durch die enorme thermische Masse, enorme zeitliche Verzögerung auftreten. In Folge dessen können die Komfortgrenzen der empfundenen Raumtemperatur, insbesondere in den Übergangszeiten, oft nicht eigehalten werden. Dies beeinträchtigt die thermische Behaglichkeit in Büroräumen und ist verbunden mit Energieaufwänden für deren Kompensation. Die prädiktive Steuerung findet hier ein ideales Anwendungsgebiet. Wie Bild 1 zeigt, dienen TABS dazu, Störeinflüsse auf die Raumtemperatur zu kompensieren und eine thermische Behaglichkeit herzustellen.

Die Forschungsgruppe um Prof. Elmar Bollin konnte nun nach jahrelanger Entwicklungsarbeit angefangen mit Computersimulationen über Testläufe mit Klimakammern bis hin zum Einsatz in realen Bürogebäuden nachweisen, dass die Steuerung und Regelung von TABS mit dem prognosebasierten Werkzeug AMLR (AMLR steht für Adaptive Multiple Lineare Regression) als Teil der Gebäudeautomation nicht nur Energie einspart, sondern auch die Behaglichkeit in TABS-beheizten und -gekühlten Büroräumen erheblich verbessert wird.

Wird der AMLR-Algorithmus als Bestandteil einer Gebäudeautomation GA realisiert, muss die GA über die Möglichkeit verfügen, aus dem Internet Wetterprognosedaten zu erfassen und diese entsprechend zu verarbeiten. Der Clou des AMLR-Programms aus Offenburg ist zudem, dass es dem Mitautor Dr. Martin Schmelas im Rahmen seiner Promotion an der Hochschule Offenburg gelang, die Parametrisierung des prädiktiven Steueralgorithmus selbstlernend also adaptiv zu gestalten, wodurch sich der Aufwand für die Inbetriebnahme der prädiktiv-gesteuerten TABS erheblich verringert!

Standard-Strategien zur Steuerung und Regelung von TABS

Zur Beeinflussung der Be- und Entladung von TABS können prinzipiell nur der Massenstrom sowie die Vorlauftemperatur variiert werden. Der Massenstrom wird über Pumpen und Stellventile gesteuert. Die Vorlauftemperatur wird typischerweise über ein Regelventil und eine Rücklaufbeimischung geregelt.

Stetige Vorlauftemperatur-Regelung

Die Vorlauftemperatur-Regelung in Abhängigkeit der Außentemperatur ist die am häufigsten eingesetzte TABS-Strategie. Die Außentemperatur kann als momentaner Messwert oder auch als Mittelwert über einen definierten Zeitraum in die Berechnung der Soll-Vorlauftemperatur einbezogen werden. In der Praxis sind hierzu auch  prädiktive Ansätze mit Verwendung von Wettervorhersagen zu finden. In der Gebäudeautomation wird beispielsweise hierfür die so genannte „Wetterfrosch“-Strategie (siehe [1]) genutzt, die die mittlere Außentemperatur, die Differenz zwischen maximaler und mittlerer Außentemperatur sowie die Globalstrahlung des jeweiligen Folgetages mit einbezieht. Somit werden signifikante Störgrößen bereits im Vorfeld berücksichtigt. Bild 2 zeigt beispielhaft die Heiz- und Kühlkennlinie der Soll-TABS-Vorlauftemperatur.

Die Ermittlung der Parameter dieser sogenannten Heiz- bzw. Heiz- und Kühlkurven können durch entsprechende Verfahren oder dynamische Simulationsprogramme im Vorhinein für das Gebäude bzw. die TABS-Zone ermittelt werden. Das Unkown-But-Bounded (UBB) Verfahren nach Tödtli (siehe [2]) ist eines der gängigsten Verfahren hierfür. Meistens werden die Parameter jedoch aufgrund von Erfahrungswerten während des Betriebes optimiert.

Befinden sich Rücklauftemperatursensoren in den Heiz- und Kühlkreisen eines Gebäudes, kann ebenfalls die Rücklauftemperatur oder eine Differenz zwischen Vor- und Rücklauftemperatur anstelle der Vorlauftemperatur verwendet werden. Die Rücklauftemperatur beinhaltet, im Gegensatz zur Vorlauftemperatur, Informationen über die Energieübertragung vom Wasser an das Bauteil und somit auch indirekt vom Bauteil an den Raum.

Unstetige Raumtemperatur-Regelung

Als Ergänzungsstrategie für die außentemperaturgeführte Vorlauftemperatur-Regelung kann eine Raumtemperatur-Regelung mit Dreipunktregler eingesetzt werden. Die kontrollierte Temperatur ist die Raumtemperatur. Bei Unterschreitung einer Soll-Raumtemperatur für das Heizen erhält die Zonenpumpe bzw. das Zonenventil den Schaltbefehl „EIN“. Wird dieser Wert überschritten, erhält die Pumpe den Schaltbefehl „AUS“. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert die Kühlung. Wird der Dreipunktregler als Ergänzungsstrategie eingesetzt, kann zusätzlich anhand der Raumtemperatur entschieden werden, ob die Soll-Vorlauftemperatur anhand der Heiz- und der Kühlkurve bestimmt wird. Der Vorteil des Dreipunktreglers ist, dass sein Funktionsprinzip leicht verständlich und die Parametrierung einfach sind.

Der Nachteil dieser unstetigen Regelung ist es, dass der Regler keinerlei Informationen über die Dynamik des Gebäudes beinhaltet. So kann es wie in Bild 3 gezeigt vorkommen, dass innerhalb eines Tages geheizt und gekühlt wird, was zu einem erhöhten Energiebedarf führt.

Zu beachten ist, dass alle Standard-Regelstrategien den Nachteil haben, dass bei Änderung der Nutzung (innere Wärmequellen ändern sich) die Heiz- und Kühlkurven angepasst werden müssen.

Prädiktive TABS-Steuerung mit AMLR

Die adaptive und prädiktive TABS-Steuerung AMLR geht hier im Vergleich zu den Standard Regelverfahren vollkommen anders vor. Energetisch betrachtet handelt es sich bei TABS um einen thermischen Speicher, der seine Wärme an den Raum je nach Jahreszeit abgibt (Heizmodus) oder von dort Wärme aufnimmt (Kühlmodus). Grundidee der AMLR-Strategie ist es, den Energiebedarf des Raumes im Voraus zu bestimmen und diese Energie als so genannte Energiepakete für die Beladung der TABS rechnerisch für die Steuerung bereitzustellen. Auf Basis einer dynamischen Modellrechnung, welche die Bautechnik des Büroraumes sowie Prognosewerte für das Wetter und die Nutzung am kommenden Tag berücksichtigt, beginnt die AMLR-TABS-Steuerung in der Regel ab 18 Uhr des Vortages bei maximaler Temperaturdifferenz zwischen TABS-Vor- und -Rücklauftemperatur mit einer entsprechenden TABS-Beladung. Je nach Jahreszeit wird diese Beladung früh oder spät in der Nacht abgeschlossen, sodass am Folgetag lediglich eine selbstgeregelte Entladung der TABS-Energie während der Büronutzung in den Raum erfolgt.

Vorteile der AMLR-Strategie sind, dass der Beladebetrieb zeitlich auf ein Minimum beschränkt werden kann. Prinzipiell kann das Energiepaket auch zeitlich versetzt an das TABS abgegeben werden, was eine Flexibilisierung der Energiebereitstellung ermöglicht. Bedingt durch die Prognose der Außentemperatur und der Solareinstrahlung lassen sich ferner Fehlbeladungen der TABS vermeiden und damit Energie einsparen sowie die thermischen Komfortbedingungen gerade in den Übergangszeiten verbessern.

Inhalt der AMLR-Entwicklung in Offenburg war es, einen selbstlernenden bzw. adaptiven und vorausschauenden Algorithmus auf Basis der Multiplen-Linearen-Regressions-Methode, kurz MLR-Methode, zur Steuerung von TABS zu finden. Der Regelbetrieb sollte ohne Simulationswerkzeuge auskommen und einfach zu parametrieren sein. Ausgangspunkt war die Modellierung und Vorhersage der Speichervorgänge auf Basis eines Widerstands-Kapazitäten-Modells, kurz RC-Modell, für TABS. Darauf aufbauend konnte ein dynamisches als auch stationäres Modell für TABS entwickelt werden. Des Weiteren wurde der MLR-Zusammenhang um die Einbeziehung einer Raumtemperaturmessung erweitert und ein Zusammenhang zwischen der den TABS zugeführten Energie Qmc und der an die am Bauteil angrenzenden Räume übertragenen Energie Qua hergestellt. Bild 4 zeigt bspw. ein vereinfachtes RC-Modell zur Darstellung der Temperaturdynamik von TABS.

Da es sich bei der AMLR um einen selbstlernenden Algorithmus handelt, kann auf eine vorherige Modellierung der Gebäude, deren inneren Lasten und der Wettereinflüsse auf das Gebäude zur Ermittlung von Parametern verzichtet werden. Lediglich bauteilspezifische Parameter, wie die Einbautiefe der wasserführenden Rohre im Bauteil, der Abstand zwischen den Rohren sowie die Gesamtrohrbreite und die Rohrwanddicke müssen einmalig für jede TABS-Zone hinterlegt werden. Diese Daten können üblicherweise den Konstruktionsplänen des Gebäudes entnommen werden.

Im Rahmen von umfassenden Simulationsstudien mit TRNSYS wurde an der Hochschule Offenburg ein linearer Zusammenhang zwischen der über einen Tag gemittelten Außentemperatur   der gemittelten globalen Einstrahlung  und des täglichen Energiebedarfs Qua einer Zone festgestellt. Dieser Zusammenhang konnte mit Methoden der MLR-Methode wie folgt zusammengefasst werden:

Qua = a + b · Tamb + c · Iglob

wobei:

Tamb = mittlere Außentemperatur

Iglob = mittlere globale Einstrah         lung

a = Koeffizient in kWh

b = Koeffizient in kWh/°C

c = Koeffizient in m²·h

Auf Basis von prognostizierten mittleren Außentemperaturen und mittleren globalen Einstrahlungen können so mit Hilfe des AMLR-Algorithmus die Energiepakete Qmc für die TABS-Beladung bereitgestellt werden. Negative Werte für Qua bedeuten hier, dass am Folgetag Heizenergie Qh,ua benötigt wird, und positive, dass die Zone/der Raum Kühlenergie Qk,ua benötigt.

Der Wirkungsplan für eine AMLR-TABS-Steuerung mit wird in Bild 6 dargestellt. Der dort gezeigte Beobachter beinhaltet ein stationäres R-C-Modell und berechnet ein prognostiziertes Energiepaket Qmc,pred, das der TABS-Zone zugeführt werden muss. Ob Qmc,pred bereits zugeführt wurde, wird durch die vom dynamischen R-C-Modell bereitgestellte Leistung Qmc, die wiederum über die Zeit zur Energie Qmc integriert wird, ermittelt. Daraus resultieren ein Stellsignal bzw. mehrere Stellsignale, die sich auf das TABS und den Raum auswirken. Welche Stellsignale daraus resultieren, hängt von der eingesetzten Energiebereitstellung sowie der TABS-Hydraulik ab. Die Messwerte für die oberhalb und unterhalb des Bauteils befindlichen Raumtemperaturen TR,1 und TR,2, der Messwert der Vorlauftemperatur TVL sowie der Status der Zone P dienen dem dynamischen Modell als Eingangsgrößen. Diese Messdaten werden zudem erfasst und gespeichert. Das dynamische Modell berechnet die Leistungen Qmc und Qua für jeden Zeitschritt. Diese werden innerhalb eines Tages über die Zeit integriert. Nach 24 h wird die vom Bauteil an den oberen und unteren Raum abgegebene Energie Qua sowie die über 24 h gemittelte Raumtemperatur dem Beobachter als Eingangsgrößen zugeführt. Mit Hilfe der Störgrößen der prognostizierten mittleren Außentemperatur Tamb, der prognostizierten mittleren globalen Einstrahlung Iglob sowie der Nutzungsart (Wochentag oder Wochenende) und den Sollwerten der mittleren Raumtemperatur TR,Soll berechnet der Beobachter ein prognostiziertes Energiepaket Qmc,pred .

Systemtechnik für den Einsatz von AMLR in TABS

TABS werden in Bürogebäuden oft ohne differenzierte Zonenunterteilung eingesetzt. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung für einen optimalen TABS-Betrieb zwischen unterschiedlichen Raumnutzungen und -orientierungen mittels eine intelligenten Zoneneinteilung unterscheiden zu können. Wenn verschiedene Zonen vorhanden sind, ist es wiederum möglich, das ein Zone, bspw. im Süden gelegen, bereits gekühlt werden kann wären eine Nordzone noch beheizt wird, will heißen es bedarf hier einer Hydraulik mit Mehrleiter-Verteilsystem.

Einteilung in TABS-Zonen

Eine TABS-Zone besteht aus dem hydraulischen Zusammenschluss mehrerer Räume und ist separat ansteuerbar. Bei der Zoneneinteilung empfiehlt es sich u.a. auf die folgenden Parameter zu achten:

- Orientierung des Raumes,
- Lage des Raumes (Eckraum oder innenliegender Raum),
- Anzahl der Personen in einem Raum sowie deren Aufenthaltsdauer,
- Anzahl der elektrischen Geräte wie Computer, Lampen, Drucker etc. und ihre Betriebsphasen,
- Komfortanforderungen je nach Nutzungsart (Büroräume, PC-Serverräume oder Seminarräume etc.).

In Bild 7 ist beispielhaft die TABS-Zoneneinteilung eines Seminargebäudes dargestellt. Auf der linken Seite befinden sich die Büroräume, die sich am selben TABS-Verteiler wie der Flur inklusive dem Treppenhaus befinden. Die Seminar- sowie die PC-Pool-Räume sind jeweils einer separaten TABS-Zone zugeordnet.

TABS-Hydraulik

Am häufigsten werden Hydraulikvarianten verwendet, die sich in drei Kategorien einteilen lassen Zwei-, Drei- und Vierleitersysteme (Bild 8). Ab drei Verteilleitungen kann gleichzeitig geheizt und gekühlt werden. Vier Verteilleitungen haben im Gegensatz zu drei Verteilleitungen einen separaten Rücklauf für warmes und kaltes Wasser.

Innerhalb einer Zone können einzelne Räume über zusätzliche Steuerventile vollständig vom Massenstrom abgekoppelt werden. Das Dreiwege-Mischventil im Vorlauf sorgt durch einen Motor und einen Temperatursensor für die gewünschte Vorlauftemperatur. Die neuentwickelte AMLR-TABS-Strategie ist mit all diesen Varianten kompatibel. Gegebenenfalls kann beim Einsatz der AMLR-Strategie auf die Regelventile in der TABS-Vorlaufleitung verzichtet werden, da hier immer mit maximaler (Heizen) bzw. minimaler (Kühlen) Vorlauftemperatur gefahren werden kann.

Validierung der AMLR im Passiv-Seminargebäude der Hochschule Offenburg

Das Passiv-Seminargebäude der Hochschule Offenburg bot im Rahmen von des Forschungsvorhabens „NetzTABS“ der Landesstiftung Baden-Württemberg [3] sowie eines Monitorings finanziert durch das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg die Möglichkeit die Standard-TABS-Strategie der TABS-Steuerung mit der neuentwickelten AMLR-Strategie im Realbetrieb zu vergleichen. Das Gebäude nutzt als Standard-TABS-Strategie die Vorlauftemperatur-Regelung in Abhängigkeit der über 24 h gemittelten historischen Außentemperatur in Verbindung mit der Raumtemperatur-Regelung mit Dreipunktregler (siehe unter „Standard-Strategien“ oben). Um den Anteil an Frischluft in den Räumen gewährleisten zu können, gibt es eine raumlufttechnische Anlage (RLT-Anlage), mit der jedoch nur eine vernachlässigbare Energieübertragung an den Raum stattfindet (so genannte Hygienelüftung). In den drei PC-Pool-Räumen des Gebäudes befinden sich aufgrund der hohen inneren Wärmequellen zusätzlich Kühlbalken.

Um im Langzeitversuch die Standard-TABS-Strategie des Seminargebäudes mit der AMLR-Strategie vergleichen zu können, wurden zwei Zeiträume von jeweils neun Monaten ausgewählt, die bezüglich der internen Lasten und dem Mittelwert der Außentemperatur ähnlich sind. Gewählt wurde: Vom 1. April 2015 bis zum 1. Januar 2016 war die Standard-TABS-Strategie und vom 1. April 2016 bis zum 1. Januar 2017 die AMLR aktiv.

Das Seminargebäude der Hochschule Offenburg besitzt diverse Wärme- und Kältemengenzähler, die für ein Energie-Monitoring genutzt werden konnten. Der primärseitige thermische Wärmemengenzähler wird in Bild 10 als „Wärmezähler Gebäude D“ bezeichnet. Bei den vier anderen Wärmezählern (Gebäude E – Gesamtwärmezähler des Gebäudes, Betonkernaktivierung der Seminar- und Bürozone sowie der PC-Pool-Zone und RLT) handelt es sich um die sekundärseitigen Zähler. Der primärseitige thermische Kältemengenzähler wird in Bild 10 als „Kältezähler Grundwasserentnahme“ bezeichnet. Bei den fünf anderen Kältezählern (Betonkernaktivierung der Seminar- und Bürozone sowie der PC-Pool-Zone, RLT, Kühlbalken sowie Umluft-Kühler) handelt es sich um die sekundärseitigen Zähler. Zur Bewertung der inneren Lasten werden in Bild 10 zudem die Stromzähler des Gebäudes sowie der HLK dargestellt.

Wie Bild 10 zeigt, steigt der primärseitige Wärmemengenbedarf durch die AMLR von 21 MWh auf 29 MWh. Der primärseitige Kältemengenbedarf hingegen sinkt von 146 MWh auf 94 MWh. Insgesamt ergibt sich eine Energieeinsparung von 26 %. Gründe für den Mehrbedarf an Heizenergie sind die niedrigeren Außentemperaturen im Vergleichszeitraum sowie der verbesserte thermische Komfort (siehe Bild 12).

Neben der Verbesserung des thermischen Energiebedarfs sowie des Komforts, konnte die Hilfsenergie sowie die Laufzeit der Pumpen (bis zu 86 % Reduktion sind hier möglich) deutlich reduziert werden. Außerdem ist anhand des Kältezählers der Kühlbalken in Bild 10 zu erkennen, dass diese durch den Einsatz der AMLR-TABS-Steuerung nahezu nicht mehr zum Einsatz kamen.

Beim Versuchsbetrieb im Passiv-Seminargebäude wurde der thermische Komfort in Anlehnung an die ISO 7730 bewertet. Hier konnte auf Grund des AMLR-Betriebs eine deutliche Verbesserung festgestellt werden. In ISO 7730 wird der thermische Komfort in drei unterschiedliche Kategorien in Abhängigkeit eines gleitenden Mittelwertes der Außentemperatur unterteilt. Diese Kategorien sowie die Raumtemperatur-Messwerte sind beispielhaft für drei Räume des Seminargebäudes Bild 12 zu entnehmen. Im Durchschnitt über alle TABS-Zonen liegen die Raumtemperaturen in 56 % bei der Standard-TABS-Strategie und in 69,3 % bei der AMLR-Strategie innerhalb von Kategorie I. Die Kategorie II kann in ca. 81 % mit der Standard-TABS-Strategie und in ca. 92 % mit der AMLR eingehalten werden.

Fazit

Die adaptive und prädiktive AMLR-Steuerstrategie für TABS bietet diverse Vorteile im Vergleich zur häufig angewendeten außentemperaturgeführten Vorlauftemperaturregelung. Hierzu gehören sowohl Energie- und Investitionseinsparung als auch ein verringerter Aufwand für die Parametrierung bzw. die Inbetriebnahme durch den automatisch anpassbaren Algorithmus. In einer umfangreichen Entwicklung, beginnend mit Simulationsrechnungen, über Laborversuche bis hin zum Einsatz in realen Gebäuden, hat die AMLR-Strategie ihre Einsatzfähigkeit unter Beweis gestellt. Der hier vorgestellte Algorithmus lässt sich  prinzipiell in die herkömmliche Gebäudeautomation integrieren. Insbesondere in Verbindung mit Wärmepumpen eröffnet die AMLR-Strategie die Möglichkeit den thermischen Speicher TABS für einen stromnetzdienlichen Einsatz nutzbar zu machen.

Literatur:

[1] F. Gassmann, „Vom Nutzen der Gebäudeautomation: am Beispiel des Messeturms Basel - Erhöhung der Energieeffizienz mit prädiktiver Regelung und thermoaktiven Bauelementen”, Zürich, 23.05.2012. [Online]. Available: http://www.powerbuilding.eu/media/Download%20Zuerich%202012/01%20Sauter%20F.%20Gassmann.pdf [2] J. Tödtli u.v.a., „TABS Control: Steuerung und Regelung von thermoaktiven Bauteilsystemen; Handbuch für Planung, Auslegung und Betrieb“, Faktor-Verlag Zürich,. Schriftenreihe Technik. Zürich, 2009 [3] M. Schmelas, J. Meßner, R. Gücker, E. Bollin, „Netz-TABS – Netzfreundlicher Betrieb von Thermoaktiven Bauteilsystemen durch selbsterlernende und vorausschauende Anlagensteuerung“, Abschlussbericht im Programm Nachhaltiges Bauen der Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH, Hochschule Offenburg, 31.12.2017
Information

Von den Autoren Elmar Bollin und Martin Schmelas ist 2021 das Fachbuch „TABS – Thermoaktive Bauteilsysteme: Selbstlernendes und vorausschauendes Steuern mit AMLR“ erschienen. Das Fachbuch dokumentiert ausführlich alle Entwicklungsschritte der AMLR, von der mathematischen Herleitung des Algorithmus über Computer-Simulationen bis zum Einsatz in Bürogebäuden. Es ermöglicht Gebäudeplanern und Automatisierern so, die prädiktive Steuerung von TABS in allen Klimazonen einzusetzen.

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