Das Rentenreformpaket

Der richtige Weg zu einer demografie- und zukunftsfesten Rente?

Zum 1. Juli 2012 steigen die Altersbezüge der mehr als 20 Mio. Rentner in Deutschland deutlich. Im Westen Deutschlands werden sie um 2,18 % und im Osten um 2,26 % erhöht. Dies stellt die höchste Rentenanpassung seit drei Jahren dar.

Eine Senkung des Rentenbeitragssatzes von 19,9 % auf 19,6 % zu Beginn dieses Jahres führt nach Aussagen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales darüber hinaus zu einer Entlastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Höhe von 2,6 Mrd. €. Bis 2014 soll der Beitragssatz sogar auf 19 % zurück­geführt werden.

Trotz Rentenerhöhung und einer Senkung des Beitragssatzes wird nach der Prognose der Bun­des­regierung die Nachhaltig­keits­rücklage der gesetzlichen Renten­versicherung dennoch weiter anwachsen, von derzeit 17 auf konservativ geschätzte 18 Mrd. €.

Mehr Rente, sinkende Beiträge, ein prall gefülltes Rücklagenkonto… gute Nachrichten also allenthalben? Nicht wirklich!

Dringender als je zuvor ist es an der Zeit, das bestehende Rentenversicherungssystem den demografischen und wirtschaftlichen Herausforderungen anzupassen.

Politisch bereits entschieden ist, dass das Niveau der gesetzlichen Rente bis 2030 von 70 auf 45 % des Nettoeinkommens gekürzt wird. Die einzelnen Säulen, auf denen die Alterssicherung ruht, die gesetzliche Rente, die betriebliche Altersversorgung und die zusätzliche private Vorsorge, werden daher zukünftig eine deutlich veränderte Gewichtung bei der Alterssicherung jedes Einzelnen haben. Insbesondere der zusätzlichen privaten Altersvorsorge wird eine deutlich stärkere Bedeutung zukommen.

Dennoch droht Niedrigverdienern und vor allem Frauen, die auch wegen Kindererziehungszeiten lange in Teilzeit oder im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung gearbeitet haben, ein Alterseinkommen auf Grundsicherungsniveau selbst dann, wenn sie ergänzend privat vorsorgen. Grund dafür ist auch, dass nach derzeit geltendem Recht die private Vorsorge bei der staatlichen Grundsicherung angerechnet wird.

Die Absicht der Bundesregierung mit einer Zuschussrente diejenigen, die ihr Leben lang gearbeitet und vorgesorgt haben, aber wenig verdient haben, gegenüber denjenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – im Erwerbsleben keinen Grundstock fürs Alter gebildet oder sich schlicht nicht um ihre Alterssicherung gekümmert haben, besser zu stellen, erscheint dabei durchaus ehrenwert. Einfach gesprochen: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, soll mehr haben, als jemand, der nicht gearbeitet hat. Das leuchtet ein.

Ob das von derlei guten Absichten getragene Rentenreformpaket, welches die Bundesregierung im April 2012 vorgelegt hat, mit den vorgeschlagenen Änderungen geeignet ist, die Lasten zwischen Alt und Jung in Zukunft fair zu verteilen, Altersarmut zu bekämpfen und die Rentenversicherung insgesamt demografiefest zu machen, erscheint jedoch, nicht nur aus Gründen der Finanzierbarkeit, fraglich.

Kern der Rentenreform ist die Zuschussrente für Geringverdiener. Daneben sind unter anderem höhere Zuverdienstgrenzen bei der vorgezogenen Altersrente und Verbesserungen in der Erwerbsminderungsrente sowie der Alterssicherung Selbständiger vorgesehen.

Mit der kontrovers diskutierten Zuschussrente sollen Niedrigrenten langjährig Versicherter auf maximal 850 € aufgestockt werden. Im Jahr der Einführung 2013 werden davon voraussichtlich nur 52 000 Rentner profitieren. Bis 2030 soll die Zahl aber auf über 1,3 Mio. steigen.

Entgegen ersten Plänen, die als Zuschussrente noch einen Pauschalbetrag vorsahen, sieht das Rentenreformpaket in der vorgelegten Fassung nun vor, dass die Zuschussrente an eigene Beiträge und Vorleistungen anknüpft. Die Zuschussrente ist dann der Betrag, um den die originäre, selbst erwirtschaftete (Niedrig-)Rente aufgestockt wird. Die Höhe der Begrenzung der Aufstockung entspricht der Höhe, die Durchschnittsverdiener erwerben, wenn sie 31 Jahre Beiträge gezahlt haben.

Einen Anspruch auf die Zuschussrente hat nur, wer mindestens 40 Versicherungsjahre einschließlich Arbeitslosigkeit und Kindererziehungszeiten nachweisen kann und 30 Jahre Beiträge gezahlt hat. Ab 2019 muss zusätzlich eine staatlich geförderte Zusatzversorgung nachgewiesen werden. Während andere Einkommen und Rentenansprüche auch des Partners auf die Zuschussrente angerechnet werden, werden anders als bei der Grundsicherung Riester- und Betriebsrentenansprüche nicht verrechnet. So soll die eigenständige Vorsorge gestärkt werden.

Ob die Zuschussrente überhaupt zielführend ist und langjährig Versicherte, die unterdurchschnittlich verdient haben, im Alter vor dem Fall auf Grundsicherungsniveau bewahren kann, erscheint jedoch schon vor dem Hintergrund fraglich, dass bereits heute in Städten wie Berlin und Hamburg mit hohem Mietspiegel der durchschnittliche Grundsicherungsbedarf inklusive Wohnkosten bei etwa 700 € liegt.

Problematisch ist jedoch vor allem die Finanzierung eines solchen Modells, dessen Kosten bis zum Jahr 2030 auf 3,39 Mrd. € steigen werden. Hier entzündet sich der Streit daran, ob die Kosten für die Zuschussrente über Beiträge aus der Rentenversicherung oder aus Steuermitteln aufgebracht werden sollen.

Trotz der derzeit vorhandenen Rücklagen der Rentenversicherung erscheint es keinesfalls nachvollziehbar, weshalb Versicherte und Arbeitgeber mit den von ihnen aufgebrachten Beiträgen eine neu geschaffene Leistung finanzieren sollen, die gerade denjenigen nicht zusteht, die höhere Beiträge geleistet haben. Akzeptabel erscheint daher allenfalls eine Finanzierung aus Steuermitteln. Eine verstärkte Finanzierung der Rentenversicherung durch einen steigenden Steuerzuschuss ist bei stetig abnehmender Zahl der Beitragszahler und stark steigender Zahl von Rentenbeziehern ohnehin unumgänglich.

Neben der Zuschussrente sieht das von der Bundesregierung vorgelegte Rentenpaket vor, dass zukünftig derjenige, der vorzeitig in Rente gehen will, dies wie bisher mit Abschlägen tun kann, aber danebenbis zur Obergrenze des höchsten in den letzten 15 Jahren erzielten Brutto-Einkommens hinzuverdienen darf. Arbeit und Rente sollen so einfacher und lohnender kombiniert werden können. Das geltende System, bei dem die vorgezogene Rente schon bei wenig Zuverdienst stark sinken kann, wurde in der Vergangenheit von den Tarifpartnern als Hinderungsgrund für praxistaugliche Vereinbarungen über einen gleitenden Übergang aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand gesehen.

Zu begrüßen sind die geplanten Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner. Heute wird derjenige, der aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Rente geht, so behandelt, als hätte er den bis dahin erzielten Durchschnittsverdienst bis zum 60. Lebensjahr erzielt. Durch das Rentenpaket soll diese Zurechnungszeit parallel zur Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre um zwei Jahre verlängert werden. Für die Betroffenen schneller spürbar dürfte jedoch sein, dass künftig bei der Bewertung der Zurechnungszeit, die derzeit noch auf der Grundlage des Durchschnittsverdienstes während des gesamten Erwerbslebens vorgenommen wird, die letzten vier Jahre vor der Erwerbsminderung aus der Berechnung herausfallen, sofern sie zu einer Verminderung der Ansprüche führen würde. Vor dem Hintergrund, dass es häufig vor Eintritt einer dauerhaften Erwerbsminderung schon zu Lohnverlusten kommt, macht diese Regelung Sinn.

Zustimmung verdient auch eine neue Versicherungspflicht für Selbständige. Sie sollen künftig monatlich mindestens 350 bis 400 € für eine Altersvorsorge und für den Fall der Erwerbsminderung aufbringen, um im Alter nicht auf Grundsicherung angewiesen zu sein.

Für das parlamentarische Verfahren, welches in der zweiten Jahreshälfte 2012 beginnen soll, ist zu hoffen, dass es zu einer Verwirklichung der angestrebten Änderungen im Bereich der Erwerbsminderungsrente und der Versicherungspflicht für Selbständige kommt. Sofern die Tarifpartner die neuen Regelungen zur Kombi-Rente aufgreifen, erscheinen diese durchaus geeignet, einen flexibleren Übergang von einer vollen Erwerbstätigkeit in den Rentenbezug zu ermöglichen. Im Hinblick auf die Zuschussrente wird ein die Altersarmut tatsächlich bekämpfendes, die Beitragsgerechtigkeit beachtendes und demografie- und zukunftsfähiges Instrumentarium bedauerlicherweise nicht geschaffen werden. In Kraft treten soll das Rentenpaket im Jahr 2013.

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