Lastmanagement optimiert Verbrauch der Ladeinfrastruktur

Vorteile durch vorausschauende Planung

Mit Ladesäulen kommt durch Elektromobilität ein neuer Stromverbraucher an Gebäuden hinzu. Gerade bei größeren, gewerblich oder industriell genutzten Immobilien, wo mehrere Ladestationen benötigt werden und zudem mit Klima- oder Lüftungsanlagen, Produktionsstätten oder Serverräumen oftmals weitere Systeme mit größerem Strombedarf vorhanden sind, ist ein passendes Lastmanagement sinnvoll. Die tab-Redaktion sprach mit Ebad Ali Qureshi, Solutions Architect bei Virta, über dieses Thema.

tab: Warum ist das Lastmanagement so ein wichtiges Thema beim Bau und Betrieb von E-Ladestationen in gewerblich oder industriell genutzten Gebäuden?

Ebad Ali Qureshi: Einfach gesagt optimiert das Lastmanagement den Energieverbrauch. Stehen einem Gebäude bspw. 300 kW Anschlussleistung zur Verfügung, sorgt das optimale Lastmanagement dafür, dass verfügbare Kapazitäten bei Verbrauchsspitzen gleichmäßig zwischen den Abnehmern verteilt werden. Wird in einer Immobilie Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge installiert, hat dies natürlich Auswirkung auf den Gesamtverbrauch von Gebäuden. Hier kann es zusätzlich bedarfsabhängig zu starken Schwankungen beim Stromverbrauch kommen, abhängig davon, wie viele Fahrzeuge gleichzeitig angeschlossen sind und laden. Dies führt unweigerlich zu einer Überlastung des Stromnetzes, Sicherungen fliegen und es kommt im schlimmsten Fall zu einem Stromausfall. Das kann besonders für Gewerbeimmobilien problematisch sein, da Produktion und Produktivität darunter leiden. Um diesen potenziellen wirtschaftlichen Schaden abzuwenden, müssen Immobilienentwickler voraussehend planen und den zukünftigen Strombedarf von Gebäuden bereits in der Projektierungsphase richtig bemessen. Mit dem geeigneten Lastmanagement können TGA-Planer und -Planerinnen Kosten für einen teureren Netzanschluss sowie für aufwändige Netzwerkinstallationen reduzieren. Auch können nachträglich weitere Ladestationen hinzugefügt werden, ohne befürchten zu müssen, dass Netzkapazitäten überschritten werden. Das Lastmanagement verteilt die Energie intelligent. So wird sichergestellt, dass angeschlossene E-Autos geladen und alle weiteren Verbraucher im Stromkreis versorgt werden. Ladestationen zusammen mit Lastmanagement machen die Energieversorgung von Gebäuden zukunftssicher und kosteneffizient, da teure Investitionen in den Netzausbau überflüssig werden.

tab: Welche unterschiedlichen Arten des Lastmanagements gibt es?

Ebad Ali Qureshi: Einmal gibt es das statische Lastmanagement, dieses übernimmt die Verteilung von Lasten der Ladeinfrastruktur. Für eine Gruppe von Ladestationen wird eine maximale Leistung definiert und diese wird zwischen den einzelnen Ladepunkten - falls notwendig - gleichmäßig verteilt. Dies geschieht im Hintergrund, da intelligente Ladestationen über die Cloud auf ein gemeinsames Backend zugreifen. Das statische Lastmanagement schützt das lokale Netz vor Überlastungen und stellt sicher, dass alle angeschlossenen Fahrzeuge laden. Das dynamische Lastmanagement geht noch einen Schritt weiter und umfasst alle Verbraucher im Stromkreis. Dass können Klimaanlagen sein, Lüftungs- und Produktionsanlagen oder Serverräume. Es gibt Ladestationen, die für das dynamische Lastmanagement nicht nachgerüstet, sondern nur über ein Software-Update und ein kleines Hardwaregerät ergänzt werden müssen, das dann die Lastverteilung zwischen Ladestationen und anderen Verbrauchern am Standort regelt.

tab: Wie erkennen Fachplaner, welche Art Lastmanagement im jeweiligen Projekt die sinnvollste ist?

Ebad Ali Qureshi: Das hängt von der verfügbaren Leistung am Standort ab. Wenn, sagen wir, fünf Ladestationen installiert werden sollen und der Standort noch viel freie Kapazitäten hat und es gleichzeitig unmöglich ist, Spitzenlasten zu erreichen, dann reicht das statische Lastmanagement. Werden diese fünf Ladestationen jedoch an einem Standort installiert, an dem Spitzenwerte erreicht werden bzw. zu erwarten sind, wird ein dynamisches Lastmanagement empfohlen. In diesem Fall muss der zukünftige Verbrauch und die Installation der Ladestationen sorgfältig geplant werden. Hier ist das dynamische Lastmanagement der sicherste Ansatz, der auch andere elektrische Anlagen am Standort schützt.

tab: Welche Aspekte sind bei Planung und Umsetzung zu beachten und welche Unterstützung geben dabei Anbieter wie Virta?

Ebad Ali Qureshi: Wichtig ist eine voraussehende Planung. Wie viele Ladestationen benötige ich jetzt? Wie viele werden es in zwei Jahren sein? Der Trend der E-Mobilität zeigt deutlich nach oben und der Bedarf an Ladestationen wird in Zukunft mit Gewissheit nicht weniger. Auch wenn Richtlinien zur Energieeffizienz von Gebäuden bereits bei Neubauten die Verlegung von Leerrohren für einen Teil der Parkflächen gesetzlich vorschreiben, sollte die Planung über diese Mindestanforderungen hinausgehen. Stromleitungen und Installationen sollten so geplant werden, dass eine Ausweitung der Ladeinfrastruktur mit wenig Aufwand funktionieren kann. Bei der Planung der Versorgungstechnik muss der Energiehaushalt von Gebäuden also mit Bedacht bemessen werden. Das Lastmanagement ist eine geeignete Möglichkeit, um Immobilien voraussehend und zukunftsorientiert zu operieren. Virtas und mein Job ist es, Unternehmen, die in Ladeinfrastruktur investieren möchten, dahingehend zu beraten, für ihr Projekt und ihre speziellen Anforderungen die bestmögliche Lösung zu finden. Das machen wir aus technischer als auch aus ökonomischer Sicht – über die gesamte Dauer des Projekts hinweg.

tab: Mit welchen Entwicklungen im Bereich Ladelösungen ist in den kommenden Jahren zu rechnen?

Ebad Ali Qureshi: Wir können erkennen, dass Ladestationen immer höhere Leistungsspannen abdecken. Gleichzeitig wird die Technologie effizienter und kostengünstiger. Das sind schon mal gute Nachrichten für die Industrie. Der Trend bei der Entwicklung geht deutlich hin zu Ladelösungen für E-Busse und E-Trucks, also schwere Nutzfahrzeuge. In diesem Segment ist E-Mobilität ja noch nicht so richtig angekommen. Wir sehen auch eine steigende Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen oder anderen Quellen erneuerbarer Energien im Zusammenhang mit Batteriespeichern und Ladestationen für E-Autos. Hier wird sich in den nächsten Jahren viel tun.

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