Potentiale der Anlagenvernetzung

Vernetzte Energieströme in Produktions- und Bürogebäuden

Wilo ist Initiator und einer der Träger des Forschungsprojektes „Energieoptimiertes Bauen: Vernetzte Energieströme in Produktions- und Bürogebäuden – VEProB“. An einem konkreten Beispiel, dem Bürogebäude „Pioneer Cube“ und der smarten „Factory“ auf dem neuen Wilopark in Dortmund, erforscht und demonstriert VEProB, wie Energieströme mehrerer Gebäude vernetzt und die Effizienz der Anlagen durch smarte, digitale Erfassung, Bewertung und Optimierung der Energieströme weiter gesteigert werden kann. Partner des Forschungsprojektes, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, ist die Bergische Universität Wuppertal.

Unter dem Motto „Wilo builds the Future“ plante und baute der Technologiespezialist den Wilopark. Das Unternehmen hat mit diesem Neubauprojekt nicht nur einen großen Schritt in Richtung digitaler Zukunft gemacht. Wilo hat hier auch die Basis für eine effizientere Produktion, einen optimierten Materialfluss, eine intelligente Logistik und moderne Arbeitsplätze geschaffen. 

Dabei setzt Wilo auch die Forderungen des Abkommens von Paris und die europäischen Energie- und Klimaziele um: Bei der Planung und Realisierung des Wiloparks hatten ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz Priorität. So hat das Bürogebäude „Pioneer Cube“ eine DGNB-Zertifizierung in Gold als Nachweis für Qualität und Nachhaltigkeit im Bau und im Betrieb.

Um die Gebäude energetisch im Sinne des Klimaschutzes zu betreiben, ist auch die moderne Anlagentechnik zur Versorgung mit Wärme, Kälte, Wasser und Strom höchst effizient konzipiert. Die Energieeffizienz der Anlagen wird durch eine smarte Gebäudeautomation unterstützt und zusätzlich mit einem technischen Monitoring kontinuierlich überwacht. Besonders wichtig ist die Datenerhebung durch die umfangreich installierte Messtechnik. Denn gerade die Daten aus den Anlagen schaffen die Basis dafür, Mehrwerte zu generieren, d.h. konkret, die Energieeffizienz noch weiter zu verbessern.

Synergie spart Energie

Im Rahmen von VEProB soll nun erprobt werden, ob und wie durch smartes Anlagenmanagement noch mehr Energieeffizienz möglich ist und wie die Potentiale aller installierten Technologien optimal genutzt werden können. Dass es noch weitere Effizienzpotentiale gibt, davon ist Dipl.-Ing. Matthias Schmude, der das Forschungsprojektes VEProB Wilo-seitig leitet, überzeugt: „Die beiden für das Projekt ausgewählten Gebäude, das Bürogebäude ,Pioneer Cube‘ und die smarte ,Factory‘ haben sehr unterschiedliche Nutzungsarten und Nutzungszeiten. Entsprechend unterschiedlich ist der Bedarf an Wärme, Kälte und Strom. Beide Gebäude werden durch eine Energiezentrale versorgt. Indem wir die Energieströme in einem Kraft-Wärme-Kälte-Verbund vernetzten, können wir Energieerzeugung, Energieverteilung und Energieverbrauch optimieren und unsere Nachhaltigkeitsziele verfolgen.“ VEProB soll nachvollziehbar zeigen, wie das geht und welche Effekte erzielt werden können. Die so gewonnenen Erkenntnisse können dann für andere vernetzte Energiesysteme, etwa in Gebäudeclustern oder in Quartieren, genutzt werden.

Auf die Bedeutung der Datenerfassung wurde schon hingewiesen. Die Daten aus den technischen Anlagen über den Energiefluss im Verbundsystem sowie die Nutzungsprofile sind der „Rohstoff“ zur Sicherung einer hohen Betriebsqualität und für die kontinuierliche Optimierung. In den Anlagen sind zahlreiche Zähler als Datenlieferanten installiert: Aktuell sind das 110 Wärmezahler und 210 Stromzähler. Weitere Zähler und Sensoren erfassen den Wasser- und den Gasverbrauch, aber auch das Regelverhalten von Ventilen, die Stellung von Klappen und sogar Messwerte des Raumklimas.

Eine besondere Rolle bei der Erfassung der Energieflüsse spielen smarte Pumpen von Wilo, die über ihre integrierte Datenerfassung auch ein Energiemonitoring ermöglichen. Sie ermitteln den Durchfluss und verfügen auch über eine integrierte Temperaturerfassung für die Vorlauftemperatur. Die Rücklauftemperatur wird über externe Fühler gemessen. Damit stehen die Daten über den Wärme- und Kältefluss zur Verfügung.

Die Gebäudeleittechnik zeichnet die Daten auf, sodass sie dann für das Forschungsprojekt analysiert und bewertet werden können. Dafür setzt VEProB zwei Werkzeuge ein: zum einen eine dynamische Gebäude- und Anlagensimulation und zum anderen die Software „Digitaler Prüfstand“.

Gebäude- und Anlagensimulation

Über eine Simulation kann das dynamische Gebäude- und Anlagenverhalten bereits vor der Installation und Inbetriebnahme einer Anlage, also während der Planung visualisiert und untersucht werden. Im Rahmen von VEProB werden dazu umfangreiche Studien durchgeführt. Die Simulation ist das Thema von Dipl.-Ing. Karl Walther von der Bergischen Universität Wuppertal.

Er verweist darauf, dass Simulationen heute schon an vielen Stellen im Planungsprozess von Gebäuden eingesetzt werden und dabei sehr detailliertes Wissen über das Gebäude und die Anlagen erarbeitet wird. Karl Walther dazu: „Die Simulation gibt einen frühen Einblick in das optimale Verhalten von Anlagen. Es liegt nahe, diese Erkenntnisse in Betriebs- und Regelungsvorgaben der technischen Komponenten umzusetzen. Mit VEProB möchten wir für die anspruchsvolle Wärme- und Kälteversorgung in der ,Smart Factory‘ über BHKW und Absorptionskälte (Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, KWKK) und komplexe Lüftungsanlagen aufzeigen, wie aus Simulationen Betriebsführungsstrategien abgeleitet werden können. Oberste Priorität muss dabei immer sein, dass die Anlagen stabil und nachvollziehbar betrieben werden. Dies ist Voraussetzung für einen effizienten Betrieb bei geringen Kosten und Emissionen.“

Dass mit Hilfe von Simulationen extrem intelligente Betriebs- und Regelungskonzepte entwickelt werden können, die auch zukünftige Anforderungen an die Flexibilität und Netzdienlichkeit von Gebäuden berücksichtigen, belegen bereits zahlreiche Forschungsvorhaben, so Karl Walther. Aber: „In der Praxis allerdings funktionieren dann häufig die einfachsten Dinge nicht: Anlagen werden in ineffizienten Zuständen betrieben, sie erreichen die Komfortanforderungen der Nutzer nicht oder die Erzeuger takten, d.h. sie schalten sich wechselnd an und aus. Dann müssen Parameter im Betrieb nachjustiert werden, aber eben iterativ und ‚nach Gefühl‘.“

Das Forschungsprojekt VEProB will beim Anlagenmanagement genau den Schritt von ‚nach Gefühl‘ zu einer durch Daten abgesicherten Optimierung machen. Karl Walther erklärt: „Wir wollen Möglichkeiten aufzeigen, wie simulationsbasiert ein Referenzbetrieb definiert werden kann, der dann z.B. auf dem digitalen Prüfstand dem realen Betrieb gegenübergestellt wird.“

Qualitätssicherung bei der Inbetriebnahme

In VEProB wurden deshalb auch die Inbetriebnahme und Abnahme der Anlagen durch die Simulation unterstützt. Die Simulation diente quasi als Qualitätssicherungswerkzeug. Matthias Schmude berichtet: „In der Simulation kann man davon ausgehen, dass die virtuellen Sensoren alle funktionieren und die Anlagen hydraulisch richtig eingestellt sind. In den realen Anlagen muss dies aber nicht immer der Fall sein. Hier gibt es immer wieder Installationsfehler, die im Zuge der Errichtung schwer zu identifizieren sind. Ohne Qualitätssicherung hätte es passieren können, dass ein falsch installierter Sensor über Jahre hinweg falsche und damit für die Optimierung unbrauchbare Werte liefert.“

„Digitaler Prüfstand“ zur Validierung und Qualitätssicherung

Um nachzuweisen, das alles das, was konzipiert, geplant, simuliert und dann auch konkret umgesetzt wurde, tatsächlich den erwarteten Erfolg bringt, ist es notwendig, die tatsächlichen Werte mit den geplanten Werten zu vergleichen. Für dieses digitale Qualitätsmanagement setzt VEProB die Software des Unternehmens synavision als „Digitalen Prüfstand“ ein. Das erfolgt in drei Schritten: Zunächst werden die funktionalen Ziele der Planung als ‚digitaler Zwilling‘ einschließlich eines Prüfkonzepts abgebildet. Im Zuge der Inbetriebnahme werden dann alle Anlagen im Rahmen eines Probebetriebs auf die Einhaltung der spezifizierten Ziele überprüft. Nach Beseitigung aller Mängel und der Optimierung des Gesamtsystems werden alle Systeme kontinuierlich überwacht.

Dr.-Ing. Stefan Plesser, Geschäftsführer der synavision GmbH: „Wenn Anlage in Betrieb geht, prüfen wir, ob die Anlage wirklich liefert, was der Bauherr bestellt hat. Stellen wir einen ,Performance Gap‘ fest, muss nachgebessert werden. Aber auch dann bleibt das Qualitätsmanagement über unseren ‚Prüfstand‘ eine Daueraufgabe. Betriebsstabilität und Effizienz sind nur dann nachhaltig, wenn man diese über den gesamten Lebenszyklus aufrechterhält. Angesichts der steigenden Anforderungen an Gebäude und der immer komplexeren Anlagentechnik ist der ‚Prüfstand‘ als digitales Qualitätsmanagement der größte Hebel, damit das, was wir technisch können, auch in der Praxis ankommt. Denn wirklich smart ist es nur, wenn’s auch funktioniert!“

Bei der dann folgenden Anlagenoptimierung arbeiten digitaler Prüfstand und die Simulation dann Hand in Hand: Bevor mögliche Optimierungen direkt in den Anlagen ausprobiert werden, können sie in der Simulation durchgespielt werden. Der Effekt der anschließenden realen Implementierung der Optimierungsmaßnahmen kann unmittelbar mit der Simulation abgeglichen werden, während über den digitalen Prüfstand kontinuierlich überwacht wird, dass die detaillierten Anlagenfunktionen optimal weiterlaufen. Schmude: „Simulation und digitale Zwillinge sind wichtige Werkzeuge, um Optimierungspotentiale zu erkennen und zu überprüfen, bevor die dafür notwendigen Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden. Noch können Simulationen nicht in jedem Projekt in dem Umfang wie in VEProB durchgeführt werden. Doch auch die Frage, welcher Detaillierungsgrad für eine belastbare Simulation mindestens benötigt wird, ist für die Konzeptfindung entscheidend.“ VEProB soll dazu beitragen, diese Prozesse des Qualitätsmanagements für eine breite Anwendung bei Bauprojekten nutzbar zu machen.

In der ersten Phase des Forschungsprojektes, steht die Optimierung der Kälte- und Wärmeversorgung im Fokus. In einer weiteren Phase soll dann auch das Thema Strom einbezogen werden. Ergebnis von VEProB sollen dann Erkenntnisse sein, die dabei helfen Quartiere oder Campi, die über einen Anlagenverbund versorgt werden, möglichst energieeffizient und im Sinne eines nachhaltigen Klimaschutzes zu betreiben.

Info

Wärme- und Kältemengenerfassung mit der Pumpe

Die Pumpe Wilo-„Stratos Maxo“ verfügt über eine Medientemperaturerfassung. Je nachdem, ob die Pumpe im Vor- oder Rücklauf installiert wird, kann sie damit zusätzlich zum Volumenstrom die Temperaturen des Vor- oder Rücklaufs erfassen. Zur Ermittlung der Wärme- oder Kältemenge ist somit nur ein weiterer Temperatursensor erforderlich, der über einen der Analogeingänge an die Pumpe angeschlossen wird.

Eine Energiemengenerfassung für Wärme oder Kälte ist ohne einen zusätzlichen Energiemengenzähler möglich. Die Messung kann zur internen Verteilung von Wärme- und Kältekosten oder für ein Anlagenmonitoring verwendet werden. Da die Wärme- bzw. Kältemengenmessung nicht geeicht ist, kann sie jedoch nicht als Abrechnungsgrundlage dienen.

Info

Technische Anlagen des Kraft-Wärme-Kälte-Verbundes

Moderne, hocheffiziente, vernetze Anlagen versorgen die Gebäude des Wiloparks mit Wärme, Kälte und Strom. Wärme liefern ein Erdgas-Blockheizkraftwerk (Grundlast Heizen, Warmwasser, Produktion) und ein Gas-Brennwertkessel, ergänzt durch eine Luft-/Wasser-Wärmepumpe und die Nutzung von Abwärme aus Produktion und Labor. Speicherkapazität bieten ein Pufferspeicher und die Betondecken im Verwaltungsgebäude. Die Lüftungsanlagen sind mit einer Wärmerückgewinnung und teilweise einer adiabaten Kühlung ausgestattet. Eine Absorptionskältemaschine, die über das BHKW mit Wärme versorgt wird, sorgt für die Kälte Für Spitzenlasten steht hocheffiziente Kompressionskälte zur Verfügung. Strom liefern neben dem BHKW auch noch umfangreiche PV-Anlagen.

BHKW und PV-Anlagen sind auf einen möglichst hohen Eigenverbrauch ausgelegt.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 03/2021 Systemrelevant, nachhaltig und digital

Der Wilopark in Dortmund

Am 4. Februar 2021 lud die Wilo-Gruppe zur feierlichen Eröffnung des Wiloparks, des neu errichteten Stammsitzes in Dortmund, ein. Über 1.500 internationale Gäste aus Wirtschaft und Politik sowie...

mehr
Ausgabe 7-8/2018

Der Wilo-Campus 2020 in Dortmund

Künftige Industriestandorte sind smart

Um einem zukunftsweisenden Industrialisierungsstandard bereits heute umfänglich gerecht zu werden, ist es erforderlich, neben dem eigentlichen Produktionsablauf und den digital organisierten...

mehr
Ausgabe 09/2023

Optimierung von Lüftungsanlagen

Regelmäßige Inspektion sichert Energieeffizienz

Moderne Regelungsverfahren in Lüftungsanlagen optimieren den Energiebedarf auf der Grundlage des Nutzerverhaltens, das bedeutet, dass ein gutes Raumklima mit der niedrigsten Energieleistung...

mehr
Ausgabe 04/2013

Energiemonitoring in Gebäuden

Einsparpotential durch Transparenz der Energieflüsse

Der energieeffiziente Betrieb eines Gebäudes ist nur möglich, wenn Verbrauchswerte konsequent und präzise gemessen und ausgewertet werden können. Auf dieser Basis können Maßnahmen zur...

mehr
Ausgabe 04/2011

Der Energie-Navigator

Performance-Controlling für Gebäude und Anlagen

Mehr zum Projekt lesen Sie unter www.enob.info . Die Komplexität energieeffizienter Gebäude Kein anderer Bereich der Wirtschaft hat eine solche Bedeutung für den Klimaschutz wie die...

mehr